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Handbuch-zur-Befreiung

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642 KOMM HEIM! – KOMM HEIM INS REICH!<br />

on, wurde in wenigen Jahren aus dem Boden gestampft, wobei in großem Maße auf<br />

Zwangsarbeiter aus dem Konzentrationslager Auschwitz <strong>zur</strong>ückgegriffen wurde.<br />

Das Problem der benötigten Arbeitskräfte für diese neuen Industrien glaubte man<br />

nach Beginn des Rußlandfeldzuges u.a. durch die Zwangsverpflichtung russischer<br />

Kriegsgefangener lösen zu können. Daher wurde westlich der Ortschaft Birkenau ein<br />

großes Kriegsgefangenenlager der Waffen-SS geplant – heute bekannt als „Auschwitz<br />

II” oder „Auschwitz-Birkenau”, in dem die russischen Kriegsgefangenen interniert<br />

werden sollten. Dieses Lager lag in einer sumpfigen Flußniederung in unmittelbarer<br />

Nähe des Zusammenflusses von Sola und Weichsel. Mit zunehmendem Einsatz von<br />

Häftlingen in den Industrien der Region Auschwitz kamen Schritt für Schritt eine<br />

Reihe weiterer, kleinerer Arbeitslager im oberschlesischen Revier hinzu, insgesamt<br />

mehr als 30, die die jeweiligen Häftlinge nahe der Arbeitsstätten beherbergten, und<br />

die alle organisatorisch dem Lager Auschwitz unterstellt waren. Zur Beschreibung des<br />

Lagers sei hier auszugsweise die Aussage des ehemaligen Monowitz-Häftlings Jakob<br />

LEWINSKI [J] wiedergeben, die er bei seiner Vernehmung im Jahr 1958 im Zusammenhang<br />

mit dem Ermittlungsverfahren machte, welches schließlich zum großen<br />

Frankfurter Auschwitz-Prozeß führte. 1029 LEWINSKI wurde zusammen mit seiner Frau<br />

deportiert, in Auschwitz aber von ihr getrennt. Seine Unterbringung im Arbeitslager<br />

Auschwitz-Monowitz beschreibt er als „menschenwürdig”: 1030<br />

„Innerhalb des Lagers war ein Bordell mit 10 Frauen, die aber nur reichsdeutschen<br />

Häftlingen <strong>zur</strong> Verfügung standen. Die Häftlinge bekamen für ihre Arbeit<br />

Leistungsscheine bis zu 1,50 DM [gemeint RM] pro Woche, wofür sie sich Senf,<br />

Sauerkraut, rote Rüben usw. kaufen konnten. …<br />

Das Lager hatte im allgemeinen gute sanitäre Einrichtungen, Wasch- und Duschräume<br />

und einen ausgezeichneten Krankenbau. ... An Verpflegung gab es dreimal<br />

wöchentlich 1 / 3 Komissbrot und 4 mal 1 / 2 Komissbrot, dazu morgens eine Schale<br />

Kafe, 5 mal etwa 20 Gramm Margarine, einmal eine geringfügige Menge Marmelade<br />

und einmal ein Stückchen Käse. Mittags auf der Arbeitsstelle gab es die sogenannte<br />

Buna-Suppe ohne jeden Nährwert. Abends gab es einen Liter dickerer<br />

Suppe, teils Rüben, teils Kohl usw.” 1031<br />

Aufgrund der schweren, 12-stündigen täglichen Arbeit bei überwiegend un<strong>zur</strong>eichender<br />

Ernährung kam es laut LEWINSKI anfangs zu einer hohen Sterblichkeit, die<br />

später jedoch aufgrund von Erleichterungen stark <strong>zur</strong>ückging. Über die SS-Leitung<br />

berichtet er: 1032<br />

1029 Vernehmung vom 24.11.1958, Staatsanwaltschaft beim LG Frankfurt/M., Strafsache beim Schwurgericht<br />

Frankfurt (Main) gegen Baer und Andere wegen Mordes, Az. 4 Js 444/59, Bd. 2, Bl. 305-310 zit. n. G.<br />

Rudolf: Vorlesungen über den Holocaust, S. 212 f.<br />

1030 Ebda. Bl. 305, 305R.; vgl. G. Rudolf: Aus den Akten des Frankfurter Auschwitz-Prozesses, Teil 3,<br />

VffG 7(1) (2003), S. 95-101, hier S. 99 f.; die Aussage wird gestützt durch das Zeugnis von Gerhard<br />

Grande, der sich ähnlich positiv über SS-Obersturmführer Vinzenz Schöttl äußerte, vgl. Akten, Bd. 7, S.<br />

1058.<br />

1031 Staatsanwaltschaft beim LG Frankfurt/M., Ebda. Bl. 305R<br />

1032 Ebda. Bl. 306.

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