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Handbuch-zur-Befreiung

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JUDAISMUS UND ZIONISMUS 845<br />

Ordnung als eine fruchtbare Freiheit des Geistes gezeiget, und der Tugenden eines<br />

Patrioten hat sie ihr Zustand fast von jeher beraubet. Das Volk Gottes, dem<br />

einst der Himmel selbst sein Vaterland schenkte, ist Jahrtausende her, ja fast seit<br />

seiner Entstehung eine parasitische Pflanze auf den Stämmen andrer Nationen,<br />

ein Geschlecht schlauer Unterhändler beinah auf der ganzen Erde, das trotz aller<br />

Unterdrückung nirgend sich nach eigner Ehre und Wohnung, nirgend nach einem<br />

Vaterlande sehnet.“ 1528<br />

Natürlich hat sich auch Immanuel KANT 1529 über das Volk der Juden geäußert:<br />

„Der jüdische Glaube ist, seiner ursprünglichen Einrichtung nach, ein Inbegriff<br />

bloß statutarischer Gesetze, auf welchem eine Staatsverfassung gegründet war;<br />

denn welche moralische Zusätze entweder damals schon, oder auch in der Folge<br />

ihm angehängt worden sind, die sind schlechterdings nicht zum Judentum, als einem<br />

solchen, gehörig.<br />

Das letztere ist eigentlich gar keine Religion, sondern bloß Vereinigung einer<br />

Menge Menschen, die, da sie zu einem besondern Stamm gehörten, sich zu einem<br />

gemeinen Wesen unter bloß politischen Gesetzen, mithin nicht zu einer Kirche<br />

formten; vielmehr sollte es ein bloß weltlicher Staat sein, so daß, wenn dieser etwa<br />

durch widrige Zufälle zerrissen worden, ihm noch immer der (wesentlich zu<br />

ihm gehörige) politische Glaube übrig bliebe, ihn (bei Ankunft des Messias) wohl<br />

einmal wiederherzustellen. Daß diese Staatsverfassung Theokratie <strong>zur</strong> Grundlage<br />

hat (sichtbarlich eine Aristokratie der Priester, oder Anführer, die sich unmittelbar<br />

von Gott erteilter Instruktion rühmten), mithin der Name von Gott, der doch<br />

hier bloß als weltlicher Regent, der über und an das Gewissen gar keinen Anspruch<br />

tut, verehrt wird, macht sie nicht zu einer Religionsverfassung. Der Beweis,<br />

daß sie das letztere nicht hat sein sollen, ist klar. Erstlich sind alle Gebote<br />

von der Art, daß auch eine politische Verfassung darauf halten, und sie als<br />

Zwangsgesetze auferlegen kann, weil sie bloß äußere Handlungen betreffen, und<br />

obzwar die zehn Gebote auch, ohne daß sie öffentlich gegeben sein möchten,<br />

schon als ethische vor der Vernunft gelten, so sind sie in jener Gesetzgebung gar<br />

nicht mit der Forderung an die moralische Gesinnung in Befolgung derselben<br />

(worin nachher das Christentum das Hauptwerk setzte) gegeben, sondern schlechterdings<br />

nur auf die äußere Beobachtung gerichtet worden; welches auch daraus<br />

erhellt, daß: zweitens, alle Folgen aus der Erfüllung oder Übertretung dieser Gebote,<br />

alle Belohnung oder Bestrafung nur auf solche eingeschränkt werden, welche<br />

in dieser Welt jedermann zugeteilt werden können, und selbst diese auch nicht<br />

einmal nach ethischen Begriffen; indem beide auch die Nachkommenschaft, die an<br />

1528 Johann Gottlieb Herder: Ideen <strong>zur</strong> Philosophie der Geschichte der Menschheit, S. 721 ff., vgl. Herder-<br />

Ideen Bd. 2, S. 70 ff.<br />

1529 Immanuel Kant (geb. 22.04.1724 in Königsberg, gest. 12.02.1804 ebenda) war mit Hegel einer der<br />

bedeutsamsten deutschen Philosophen und Denker der Neuzeit. Sein Werk „Kritik der reinen Vernunft“<br />

kennzeichnet den zentralen Wendepunkt in der Philosophiegeschichte und den Beginn der modernen<br />

Philosophie. Nicht nur in der Erkenntnistheorie, sondern auch in der Ethik mit dem Grundlagenwerk<br />

„Kritik der praktischen Vernunft“ und in der Ästhetik mit der „Kritik der Urteilskraft“ sowie bedeutenden<br />

Schriften <strong>zur</strong> Religions-, Rechts- und Geschichtsphilosophie schuf Kant eine neue, umfassende<br />

Perspektive in der Philosophie, welche den Diskurs bis ins 21. Jahrhundert maßgeblich beeinflußt.

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