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Handbuch-zur-Befreiung

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DIE REALISIERUNG DER ALLIIERTEN KRIEGSZIELE 237<br />

nen würde. Es liegt hier also die Überzeugung zu Grunde, daß das Deutsche Volk,<br />

möglicherweise oder vielmehr wahrscheinlich, sich wieder ein anderes politisches<br />

System geben würde als die von den Siegermächten zwangsinstallierte repräsentative<br />

Demokratie. Mit dem Wissen, daß der Nationalsozialismus dem mehrheitlichen<br />

Willen des Deutschen Volkes, also dem allgemeinen Volkswillen entsprochen hat,<br />

dieser von den Siegermächten als „irregeleitet“ definiert wurde, hatte man verständlicherweise<br />

mit dieser Gesetzgebung ein erneutes „Irrelaufen“ des Volkswillen<br />

verhindern wollen. Der allgemeine Wille eines Gemeinwesens, eines Volkes ist aber<br />

das zugrundzulegende Recht. Wird die Willensbildung durch Ausschluß bestimmter<br />

Elemente eingeschränkt und kanalisiert, ist sie nicht mehr frei, womit auch das<br />

Gemeinwesen, das Volk unfrei ist. Das Verbot einer Systemopposition ist somit<br />

nichts anderes als die Entmündigung des Deutsche Volkes, seine in Gesetze gegossene<br />

Entrechtung. Eine Demokratie im Sinne einer Volksherrschaft, die das Entstehen<br />

einer jeden Opposition zu sich selbst verbietet, führt sich damit selbst ad absurdum<br />

und entlarvt ihren totalitären Charakter. Es ist daher nicht verwunderlich, daß dem<br />

Deutschen Volk auch nicht einmal die Möglichkeit der Meinungsäußerung zum<br />

Grundgesetz gegeben worden war, ist es doch nur eine Selbstbindungserklärung der<br />

Lizenzparteien an die Fremdherrschaft.<br />

Vor der eigentlichen Demokratisierung stand aber noch die lückenlose Entnazifizierung.<br />

Gemäß dem „Gesetz <strong>zur</strong> <strong>Befreiung</strong> von Nationalsozialismus und Militarismus“<br />

mußten hierzu allein in der amerikanischen Besatzungszone dreizehn Millionen<br />

Deutsche den Meldebogen ausfüllen. Nachfolgend Artikel 1 und 3 dieses Gesetzes:<br />

Artikel 1<br />

1. Zur <strong>Befreiung</strong> unseres Volkes von Nationalsozialismus und Militarismus und<br />

<strong>zur</strong> Sicherung dauernder Grundlagen eines deutschen demokratischen Staatslebens<br />

im Frieden mit der Welt werden alle, die die nationalsozialistische Gewaltherrschaft<br />

aktiv unterstützt oder sich durch Verstöße gegen die Grundsätze der<br />

Gerechtigkeit und Menschlichkeit oder durch eigensüchtige Ausnutzung der dadurch<br />

geschaffenen Zustände verantwortlich gemacht haben, von der Einflußnahme<br />

auf das öffentliche, wirtschaftliche und kulturelle Leben ausgeschlossen und<br />

<strong>zur</strong> Wiedergutmachung verpflichtet.<br />

Artikel 3<br />

1. Zur Aussonderung aller Verantwortlichen und <strong>zur</strong> Durchführung des Gesetzes<br />

wird ein Meldeverfahren eingerichtet<br />

2. Jeder Deutsche über 18 Jahre hat einen Meldebogen auszufüllen und ein<strong>zur</strong>eichen.<br />

Wer den Meldebogen nicht ausfüllte, erhielt weder Lebensmittelkarten noch eine<br />

Kennkarte. Die Spruchkammerverfahren der Entnazifizierung wurden so zum Nürnberg<br />

des kleinen Mannes. Das bayerische „<strong>Befreiung</strong>sgesetz“ mit seinem prozessualen<br />

Verfahren und seinen Sühnemaßnahmen (Geldbuße, Amtsenthebung, Berufsausschluß,<br />

Pensions- und Rentenverlust, Arbeitslager bis zu zehn Jahren, Enteignung,<br />

Wahlrechtsentzug bzw. -beschränkung) erschien den anderen Siegermächten so<br />

vorbildlich, daß der Kontrollrat es durch die Direktive Nr. 38 vom 12. 10. 1946 für

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