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Handbuch-zur-Befreiung

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DIE REALISIERUNG DER ALLIIERTEN KRIEGSZIELE 203<br />

schaftliche Wiederaufbau des neuen Deutschlands und seine politische Befriedung<br />

in erster Linie abhängt: die deutsche Arbeiterschaft. Es ist kein Zweifel, daß der<br />

deutsche Arbeiter seine nationale Pflicht in vollem Umfang erfüllt: er hat sich der<br />

harten Aufgabe des nationalen Wiederaufbaus mit einer Disziplin, mit einer Arbeitswilligkeit<br />

und mit einer Opferbereitschaft <strong>zur</strong> Verfügung gestellt, die höchste<br />

Anerkennung verdienen. Aber auch sein Leistungswille und sein Leistungsvermögen<br />

sind an unumgängliche physische Voraussetzungen gebunden. Und diese Voraussetzungen<br />

beginnen allmählich in bedenklichstem Maße brüchig zu werden.<br />

Welche grundsätzliche Gefährdung unseres ganzen nationalen Wiederaufbaus das<br />

in sich schließt, beweist z.B. die Tatsache, daß im Ruhrkohlenbergbau im März die<br />

Förderleistung um 12,4% gegenüber dem Vormonat <strong>zur</strong>ückgegangen ist. Dementsprechend<br />

mußten die bereits zugesagten Lieferungen an Ruhrkohle für die südwestdeutsche<br />

Wirtschaft um annähernd die Hälfte gekürzt werden, was wiederum<br />

<strong>zur</strong> Folge hatte, daß die ganze Wirtschaftsplanung der südwestdeutschen Industrie<br />

umgestoßen wurde.<br />

So greift ein Rad hier ins andere. Nur, daß der ganze Organismus nicht vorwärts,<br />

sondern rückwärts läuft.<br />

Es ist klar, daß hier Halt geboten werden muß.“ 378<br />

Auch im zweiten Jahr nach der Kapitulation blieb das Deutsche Volk unter Hunger<br />

(700 Kalorien pro Tag) gesetzt. Am 1. Mai 1947 schrieb dazu „The Manchester<br />

Guardian Weekly“:<br />

„Die Entrüstung der Deutschen über den Unterschied zwischen den theoretischen<br />

Rationen, den Aufrufen und dem tatsächlich in den Geschäften Erhältlichen wurde<br />

noch erhöht durch die offizielle Neufestsetzung des Kalorienwertes der verschiedenen<br />

Lebensmittel. Die gleiche Zahl von Kalorien entspricht einer etwas geringeren<br />

Lebensmittelmenge als zuvor. Alles in allem erhalten sie wenig mehr als<br />

700 Kalorien je Tag. Das gibt Grund zu ernsten Befürchtungen nicht nur von der<br />

Ernährungsseite her, sondern ebensosehr wegen der sozialen Folgerungen.“ 379<br />

Und 3 Jahre nach „Kriegsende“, noch immer Hunger:<br />

„Selbst drei Jahre nach Kriegsende wütete der Hungerterror immer noch in<br />

Deutschland. Der ‚Südkurier’ berichtete am 12. März 1948: Das deutlichste Bild<br />

unserer Not zeigen unzweifelhaft unsere Kinder. Denn ihnen läßt man doch zukommen,<br />

was irgend möglich. Für sie sparen sich die Eltern manchen Bissen vom<br />

Munde ab. Ihnen sucht man auch an Kleidungsstücken zukommen zu lassen, was<br />

irgendwie geht. Wie steht es nun mit den Kindern des Kreises Villingen? Über die<br />

Schulkinder der Stadt Villingen wurde schon vor kurzem bekanntgegeben, daß von<br />

1.047 ärztlich untersuchten Kindern 64,5%, also fast zwei Drittel, unterernährt<br />

sind, daß 38% sogar ein Untergewicht von 4-7 Kilogramm aufweisen. Aber soweit<br />

wir feststellen konnten, ist auch in den übrigen Gemeinden des Kreisgebietes das<br />

Bild kein günstigeres. Auch hier zeigen zwischen 40 und 60% der Kinder Zeichen<br />

von Unterernährung bzw. Untergewicht. So beträgt z.B. in St. Georgen bei 100<br />

378 Ebda. S. 407<br />

379 Ebda. S. 409

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