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Handbuch-zur-Befreiung

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216 KOMM HEIM! – KOMM HEIM INS REICH!<br />

HOWE urteilt über DELMERS Arbeit: „Die ‚schwarzen’ Operationen Delmers,<br />

während des Krieges zu ihrer vollen Stärke ausgereift, bestanden nicht nur aus einer<br />

Verzerrung oder Nichtbeachtung der Wahrheit ...; seine Erfolge und der Schaden für<br />

die Deutschen hingen davon ab, daß sich der schwarze Propagandist vollständig mit<br />

seinem Opfer (in unserem Fall den Deutschen) identifizieren konnte.“ Für diese<br />

psychologische Kriegsführung nahm DELMER den Dozenten für Psychopathologie an<br />

der Universität Cambridge, Dr. John T. MAC CURDY, als Fachberater „in seine<br />

Dienststelle auf. Delmer besaß die ungewöhnliche, geradezu phänomenale Fähigkeit,<br />

sich auf die deutsche Mentalität einzustimmen und in die Gedankenwelt der Deutschen<br />

einzudringen.“ 420<br />

Der „Widerständler“ Otto JOHN, der am 24. Juli 1944 geflohen und über Portugal<br />

nach England eingeschleust worden war, wurde von DELMER für das Propaganda-<br />

Geschäft gewonnen und bezeichnenderweise wie folgt eingeführt: „Sollten Sie jedoch<br />

Lust haben, sich meiner Einheit anzuschließen, so muß ich Sie gleich darauf aufmerksam<br />

machen“, sagte er zu JOHN, „daß wir jeden, auch den schmutzigsten Trick<br />

anwenden, der sich nur denken läßt. Jeder Griff ist erlaubt. Je übler, desto besser.<br />

Lügen – Betrug – alles. Ihre Erfahrungen in Deutschland und ihre intimen Kenntnisse<br />

über führende deutsche Persönlichkeiten, die Sie uns natürlich rückhaltlos <strong>zur</strong> Verfügung<br />

stellen müßten, würden uns nach meiner Ansicht sehr zustatten kommen.“ 421<br />

JOHN ging auf DELMERS Angebot ein und erhielt den Decknamen „Oskar Jürgens“.<br />

DELMER selbst rühmt sich, durch Falschmeldungen in der Schlußphase des Krieges<br />

die deutsche Zivilbevölkerung verwirrt und sie somit zum Verlassen ihrer Wohnungen<br />

und <strong>zur</strong> Massenflucht veranlaßt zu haben. Der Zweck war, die Straßen zu<br />

verstopfen und dadurch unpassierbar zu machen, daß man die Zivilisten in angebliche<br />

„Sicherheitszonen“ lockte:<br />

„Das Märchen von den ,Sicherheitszonen’ war um so wirksamer, als <strong>zur</strong> gleichen<br />

Zeit, als wir es verkündeten, Eisenhower damit begann, die Ziele für die nächste<br />

Nacht öffentlich bekanntzugeben und die totale Vernichtung einzelner Stadtgebiete,<br />

wie der von Köln, Düsseldorf, Frankfurt und Mannheim anzukündigen. Damit<br />

befolgte ,Ike’ also auch Churchills Direktive ... Als ich Ende März nach Deutschland<br />

kam, waren die Landstraßen in der Tat mit Flüchtlingen überfüllt – mit armselig<br />

heruntergekommenen und zerlumpten Familien, die sich mühsam über die<br />

Autobahn oder durch die mit Trümmern und Bombenschutt verstopften Straßen<br />

schleppten. Sie zogen Leiterwagen hinter sich her, Omnibusse, die kein Benzin<br />

mehr für ihren Motor hatten, und sogar Leichenwagen. Alle diese Wagen waren<br />

mit Bettzeug, Möbeln und Kleinkindern beladen. Es war der Inbegriff alles dessen,<br />

was ich bisher an Flüchtlingselend in Spanien, Polen und Frankreich gesehen hatte.<br />

Ich hielt nicht an, um diese Menschen zu fragen, ob es eine Anweisung vom<br />

Reichssender Köln oder des Senders Frankfurt gewesen sei, die ihnen den ersten<br />

Anstoß dazu gegeben habe, sich auf den Treck zu begeben. Ich wollte es gar nicht<br />

wissen. Ich fürchtete, die Antwort könnte ‚Ja’ lauten. Eins jedoch weiß ich: daß<br />

420 Ebda. S. 33, a.a.O. S. 78<br />

421 Otto John: Falsch und zu spät. Der 20. Juli 1944. Epilog, München 1984, S. 185 ff., zit. n. G. Franz-<br />

Willing, a.a.O. S. 84

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