02.11.2013 Aufrufe

Innere Sicherheit Schweiz - Stromversorgungsrecht

Innere Sicherheit Schweiz - Stromversorgungsrecht

Innere Sicherheit Schweiz - Stromversorgungsrecht

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

36 Gewährleistung der inneren <strong>Sicherheit</strong> im jungen Bundesstaat (1848 bis 1874)<br />

SCHOLLENBERGER meinte, die Anzeige an den Bund diene einzig dazu, jenem ein Einschreiten<br />

zu ermöglichen. Daher könne der Bund grundsätzlich auch von sich aus eingreifen<br />

213 .<br />

GNEHM sprach sich vehement gegen den Hilferuf durch die kantonalen Behörden als Voraussetzung<br />

für eine Bundesintervention aus. Einerseits sollten auch Private den Bund<br />

über Störungen der öffentlichen Ordnung unterrichten können, andererseits erachtete er<br />

es als unsinnig, wenn der Bund entsprechende Gesuche abwarten müsse. Als abschreckendes<br />

Beispiel erwähnte er den Fall, dass eine Kantonsregierung kein Interesse daran<br />

habe, den Bund zu informieren, weil sie ihre Gegner in einem Bürgerkrieg niederringen<br />

wolle. Der Bund wäre demnach zum passiven Zuschauen gezwungen. Daher müsse er<br />

von sich aus einschreiten können, wenn in einem Kanton Unruhen auszubrechen drohten<br />

214 .<br />

Gemäss BURCKHARDT fanden bereits unter dem Bundesvertrag 1815 Interventionen<br />

statt, welchen keine Anrufungen vorausgegangen wären. Daher, und weil auch er befürchtete,<br />

dass eine Kantonsregierung versucht sein könnte, sich auf einen Parteienkampf<br />

einzulassen, hielt er einen Hilferuf für nicht mehr angezeigt 215 .<br />

FLEINER/GIACOMETTI vertraten später einen vermittelnden Ansatz. Sie wollten zwar auf<br />

Grund des Wortlauts von Art. 16 BV und zwecks Rücksichtnahme auf die kantonale Autonomie<br />

nicht auf ein Hilfebegehren verzichten. Allerdings sprachen sie dieser Frage eine<br />

praktische Bedeutung ab, weil in der Gefährdung der öffentlichen Ordnung in einem<br />

Kanton gleichzeitig auch die Gefährdung der <strong>Sicherheit</strong> der Eidgenossenschaft erkannt<br />

werden könnte 216 .<br />

Die oben erwähnten Argumente spiegeln ein teilweise starkes Auseinanderklaffen der<br />

Lehrmeinungen über die Bedeutung des Hilferufs, der in Art. 16 BV 1848 ausdrücklich<br />

enthalten war. Ob er als zwingende Voraussetzung für rechtmässige Interventionen des<br />

Bundes zu betrachten sei, war auf einmal umstritten. Auffällig war das Heranziehen von<br />

politischen und – für die einzelnen Anwendungsfälle kaum vorhersehbaren – sachlichen<br />

Annahmen für einen Verzicht auf die Anrufung des Bundes. Daher soll auf die verschiedenen<br />

Begründungen kurz eingegangen und eine Schlussfolgerung gezogen werden.<br />

2.1.6.3.2. Allgemeine Kritik am Postulat eines Verzichts auf den Hilferuf<br />

Wenn eine Kantonsregierung ihre politischen Gegner – sogar mit Gewalt – unterdrückte,<br />

dürfte eine Verletzung von Bundesrecht (gewährleistete demokratische Ordnung in<br />

den Kantonen sowie Grundrechte der Bundes- und der Kantonsverfassungen) und<br />

damit die Voraussetzung für ein Einschreiten des Bundes aus diesen Gründen vorliegen.<br />

Der Bund wäre sogar zum Ergreifen von Massnahmen verpflichtet gewesen, aber unter<br />

dem Titel der Bundesexekution 217 , nicht nach Art. 16 Abs. 1 BV. Ausserdem klammerte<br />

jene Meinung (wenn denn schon politisch argumentiert werden soll) aus, dass auch der<br />

Bund selber – respektive der Bundesrat oder die Mehrheit der Räte – durchaus parteiitonsregierung<br />

nicht erwünschten Intervention gekommen war. Siehe auch hinten, S. 140f.<br />

213 SCHOLLENBERGER, Kommentar BV, S. 206.<br />

214 Zum Ganzen GNEHM, Interventionsrecht, S. 24f. sowie S. 163.<br />

215 BURCKHARDT, Kommentar BV, S. 129.<br />

216 FLEINER/GIACOMETTI, Bundesstaatsrecht, S. 152f.<br />

217 Ähnlich KAISER, Staatsrecht Bd. III, S. 126f. (m.H. auf Art. 5 BV 1848).

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!