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Innere Sicherheit Schweiz - Stromversorgungsrecht

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Die Zeit des Zweiten Weltkriegs 321<br />

3.4.8. Beurteilung: Strafrechtlicher Staatsschutz auf neuer Grundlage<br />

Das StGB stand mit Art. 64 bis BV 1874 auf einer stabilen verfassungsrechtlichen Grundlage<br />

2227 . Die lange Dauer der Vorarbeiten und der parlamentarischen Beratungen erlaubten,<br />

aktuelle Entwicklungen jeweils in das StGB mit einzubeziehen. Andererseits wurden<br />

an die Staatsschutzdelikte dadurch immer umfassendere, kaum einlösbare Ansprüche<br />

gestellt. Der eigentliche Gedanke des strafrechtlichen Staatsschutzes wurde durch Überdehnung<br />

eher verwischt als mit den Delikten prägnant zum Ausdruck gebracht 2228 . Entsprechend<br />

ergänzten andere Erlasse – insbesondere Teile der Demokratieschutzverordnung<br />

– die Kodifikation noch vor ihrem Inkrafttreten. Trotz Nachbesserungen in den<br />

1930er Jahren vermochte der strafrechtliche Staatsschutz gemäss StGB dann, als der<br />

Staat der grössten Gefährdung gegenüberstand, nicht vollständig zu überzeugen.<br />

Andererseits gab der Gesetzgeber bei den Sprengstoffdelikten die inhaltlichen Bezüge zu<br />

den politischen Verbrechen auf, überliess eine Beurteilung aber weiterhin der Bundesgerichtsbarkeit.<br />

Damit löste das Parlament diese abstrakten Gefährdungsdelikte vom<br />

Staatsschutzgedanken ab und nahm ihnen den Charakter von Gesinnungsdelikten.<br />

Rechtsprechung und Doktrin standen statt dessen vor der Herausforderung, die verlangte<br />

„verbrecherische Absicht“ überzeugend auszulegen. Das Beispiel verdeutlicht das Fehlen<br />

eines eigentlichen Staatsschutzbegriffs in der <strong>Schweiz</strong>er Lehre und Rechtsprechung.<br />

Insgesamt zeigten sich schon vor Inkrafttreten des StGB zwei eigentümliche Dilemmata:<br />

Entweder erfolgt eine Normierung des strafrechtlichen Staatsschutzes möglichst umfassend,<br />

– und riskiert damit, auch über das eigentliche Ziel hinaus zu schiessen. Oder eine<br />

Kodifikation beschränkt sich auf die wirklich schwerwiegenden Gefährdungen des Staates<br />

und der inneren <strong>Sicherheit</strong>, – und bleibt dabei möglicherweise lückenhaft, auslegungsbedürftig<br />

und anfällig für ergänzende Gelegenheitsgesetzgebung 2229 . Schon Carl<br />

Stooss bemerkte warnend, dass die Bevölkerung die Auseinandersetzung um den Bestand<br />

oder die Ausrichtung des Staates lieber auf politischer Ebene selber führt, als sich<br />

selber all zu enge strafrechtliche Fesseln anzulegen, welche zumindest den politischen<br />

Diskurs mit allem, was dazugehört, behindern würden.<br />

An einer sinngemässen Aufteilung zwischen „gemeinen“ und „politischen“ Delikten<br />

hielt das Strafrecht – in der Befolgung von Art. 112 BV 1874 – fest, indem die „politischen“<br />

Verbrechen und Vergehen direkt der Bundesgerichtsbarkeit unterstanden. Das<br />

schwerfällige Assisenverfahren für bestimmte „politische“ Delikte wurde beibehalten.<br />

2227 Allerdings erstaunt das veränderte Stimmverhalten: Während die Schaffung einer Bundeskompetenz noch auf<br />

grosse Zustimmung (Stimmenverhältnis fast drei zu eins; siehe vorne, S. 174f.) stiess, vermochte das StGB<br />

zumindest im Volk nur noch eine knappe Mehrheit zu überzeugen.<br />

2228 In dieser Hinsicht vorbildlich wurden m.E. die Artikel zum Schutz der Armee in das StGB eingearbeitet.<br />

2229 Wird der strafrechtliche Schutz mit „normalen“ Situationen im Fokus erlassen, besteht für ausserordentliche<br />

Lagen die Gefahr einer Gelegenheitsgesetzgebung. Wird der strafrechtliche Schutz des Staates und seiner Institutionen<br />

aber bereits für „normale“ Lagen ausführlich und streng normiert, besteht die Gefahr, die Freiheit<br />

der Bürgerinnen und Bürger ungerechtfertigterweise zu stark zu beschränken.<br />

Siehe auch MOHLER/GÄTTELIN/MÜLLER, Unsicherheit über <strong>Sicherheit</strong>, AJP 2007, S. 815 – 830 (S. 816;<br />

m.w.H.).

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