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Innere Sicherheit Schweiz - Stromversorgungsrecht

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138 Von der Verfassungsrevision bis zum Ersten Weltkrieg (1874 – 1920)<br />

Eine Motion des Solothurner Ständerats Albert Brosi 922 schlug einen eigenartigen<br />

Art. 74 bis BStR vor:<br />

„Wenn infolge politischer Aufregung das Vertrauen in die Unabhängigkeit der Unbefangenheit kantonaler<br />

Gerichte in Bezug auf eine ihrer Beurteilung unterstellte, auf ein Verbrechen gerichtete Strafklage als<br />

beeinträchtigt angesehen werden muss, so ist der Bundesrat berechtigt die Untersuchung und Erledigung<br />

einer solchen Klage an das Bundesgericht zu überweisen, auch wenn das Verbrechen in dem gegenwärtigen<br />

Gesetze nicht vorgesehen ist. Das Bundesgericht urteilt in dem letztern Fall auch der Gesetzgebung des<br />

Kantons, in welchen das Verbrechen begangen wurde.“ 923<br />

Der Bundesrat erachtete Art. 114 BV 1874 924 als verfassungsrechtliche Grundlage für die<br />

Möglichkeit, eigentlich kantonale Prozesse durch Gesuch an den Bundesrat vor Bundesgericht<br />

führen zu lassen 925 .<br />

Eine Minderheit der ständerätlichen Kommission befürchtete, dass mit Art. 74 bis das kantonale<br />

Strafrecht und die kantonalen Strafprozessordnungen „über den Haufen geworfen“ 926<br />

würden. Weiter wurde argumentiert, dass sich mit der Novelle Strafkompetenz und Verfahren<br />

nicht mehr nach den allgemeinen, vorhersehbaren Kriterien richteten, sondern<br />

nach politischen, objektiv kaum fassbaren Erwägungen 927 . Demgegenüber betonte der<br />

Bericht der Mehrheit der ständerätlichen Kommission die Verfassungsmässigkeit der Ergänzung<br />

des Bundesstrafrechts: Die kantonale Souveränität sei keine absolute, das Bundesgericht<br />

kein Ausnahmegericht und schlussendlich wäre nach kantonalem Recht – aber<br />

durch eine Bundesbehörde – zu urteilen 928 .<br />

Das Parlament stimmte der Novelle zu 929 . Gegen die Ausweitung des Begriffs der politischen<br />

Verbrechen wurde jedoch das Referendum ergriffen und in der Volksabstimmung<br />

vom 11. Mai 1884 deutlich gewonnen 930 .<br />

ge, S. 79f.<br />

922 Botschaft des Bundesrathes an die Bundesversammlung, betreffend die Revision des Bundesstrafrechtes vom<br />

4. Februar 1853 (vom 13. Januar 1882), BBl. 1882 I, S. 117 – 130 (S. 117), nachfolgend „Botschaft Stabio-Artikel<br />

BStR“. Vgl. dazu auch BURCKHARDT, Kommentar BV, S. 768f.<br />

923 Bundesgesetz betreffend die Ergänzung des Bundesstrafrechts vom 4. Februar 1853 (vom 19. Dezember<br />

1883), BBl. 1884 I, S. 25f., nachfolgend „BG Ergänzung BStR 1883“.<br />

924 Art. 114 (BV 1874): „Es bleibt der Bundesgesetzgebung überlassen, ausser den in den Artikeln 110, 112 und 113 bezeichneten<br />

Gegenständen auch noch andere Fälle in die Kompetenz des Bundesgerichtes zu legen, insbesondere die Befugnisse festzustellen,<br />

welche ihm nach Erlassung der im Artikel 64 vorgesehenen eidgenössischen Gesetze behufs einheitlicher Anwendung derselben zu<br />

übertragen sind.“<br />

925 Botschaft Stabio-Artikel BStR, BBl. 1882 I, S. 117 – 130 (S. 125). Vgl. auch ROTHENBERGER-KLEIN,<br />

Schwurgerichtsverfahren, S. 74.<br />

926 Bericht der Minderheit der Kommission des Ständerathes über die Botschaft des Bundesrathes an die Bundesversammlung,<br />

betreffend die Revision des Bundesstrafrechtes vom 4. Februar 1853 (vom 14. Dezember<br />

1882), BBl. 1882 IV, S. 640 – 649 (S. 645). Vgl. auch BURCKHARDT, Kommentar BV, S. 794.<br />

927 Bericht der Minderheit der Kommission des Ständerathes über die Botschaft des Bundesrathes an die Bundesversammlung,<br />

betreffend die Revision des Bundesstrafrechtes vom 4. Februar 1853 (vom 14. Dezember<br />

1882), BBl. 1882 IV, S. 640 – 649 (S. 645).<br />

928 Bericht der Mehrheit der ständeräthlichen Kommission über den Entwurf eines Bundesgesetzes betreffend<br />

Ergänzung des Bundesstrafrechts vom 4. Februar 1853 (vom 18. Dezember 1882), BBl. 1883 I, S. 33 – 53<br />

(S. 45f.).<br />

929 BG Ergänzung BStR 1883, BBl. 1884 I, S. 25 – 26 (S. 26).<br />

930 Bericht des Bundesrathes an die Bundesversammlung, betreffend die eidgenössische Volksabstimmung vom<br />

11. Mai 1884 (vom 9. Juni 1884), BBl. 1884 III, S. 157 – 165 (S. 160 und 163). Die Novelle wurde in den Kantonen<br />

Zürich, Neuenburg, Glarus und Appenzell-Ausserrhoden zwar deutlich angenommen, in den Kanto-

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