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Innere Sicherheit Schweiz - Stromversorgungsrecht

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Bewährungsproben von 1874 bis 1914 181<br />

pelspurigkeit lag darin, dass der Bundesrat angesichts der Gefährdung höchster Rechtsgüter<br />

zu schnelleren Entschlüssen als das Parlament befähigt war 1279 . Der Umstand, dass<br />

einige Bundesräte vielleicht schon schliefen, legitimierte Bundesrat Frey nicht zu einer<br />

eigenmächtigen Entscheidung. Entscheidend war eine grundsätzliche Erreichbarkeit.<br />

Entsprechend wären die anderen Bundesräte telefonisch oder mit Boten sofort zu einer<br />

dringlichen Sitzung aufzubieten gewesen, um das Vorgehen des EMD-Chefs zu genehmigen<br />

– oder zu korrigieren. Mit dem gewählten Vorgehen entschied Bundesrat Frey<br />

nicht nur über ein Eingreifen von Truppen in der Stadt Bern, sondern auch eigenmächtig<br />

über die Frage, ob die Voraussetzung für eine bewaffnete eidgenössische Intervention<br />

vorlag oder nicht. Denn selbst nach seiner eigenen Praxis (Verzicht auf einen Hilferuf<br />

durch kantonale Behörden) hätte der Gesamtbundesrat das Vorliegen der Voraussetzungen<br />

von Art. 16 BV prüfen müssen 1280 ; – unabhängig von der Tages- oder Nachtzeit.<br />

Das Argument, es habe sich beim Einmarsch der Truppen mit aufgesetzten Bajonetten<br />

um eine (blosse) Dislozierung (also eine technische Verschiebung) gehandelt, widersprach<br />

bereits der Feststellung einer Kausalität zwischen den politischen Vergehen und dem<br />

Truppeneinsatz. Die bewaffnete eidgenössische Intervention nach Art. 16 BV zielte<br />

bloss auf den Einsatz bewaffneter Kräfte der Armee zur Wiederherstellung der inneren<br />

<strong>Sicherheit</strong>; Dauer und Intensität des Einsatzes waren (innerhalb des Rahmens von<br />

Art. 102 Ziff. 11 BV 1874) nicht relevant 1281 . Zu unterscheiden waren einzig präventive<br />

Massnahmen wie etwa das Bereitstellen von Truppen, die Verlängerung der Dienstdauer,<br />

oder das Aufbieten von Kräften.<br />

Zudem verletzte das Vorgehen Art. 16 Abs. 2 BV 1874: Ob die Berner Kantonsregierung<br />

(mit Sitz in der Stadt Bern) ausser Stande war, Hilfe anzufordern, wurde nicht<br />

geklärt. Zudem entschied mit dem Chef EMD nicht die kompetente Bundesbehörde (so<br />

der Wortlaut der Bestimmung), sondern eine unzuständige Einzelperson. Es erscheint<br />

kaum nachvollziehbar, warum eine Verfassungsverletzung (und gleichzeitig Machtmissbrauch!)<br />

durch den Vorsteher EMD den Beschwerdeführern zur Last gelegt werden<br />

sollte.<br />

BGE 20, 19 (Wassilieff und Genossen) war ein Fehlurteil, in welchem sich die richtige,<br />

und zwischen den Zeilen durchaus kritische Darstellung des Sachverhaltes nicht mit den<br />

juristischen Schlüssen des Gerichts zu decken vermochte. BURCKHARDTS Argument,<br />

dass es entscheidend auf die Absicht einer „Intervention im Rechtssinne“ ankomme, überzeugt<br />

hier ebenso wenig; – es stellt indirekt den Zusammenhang zwischen Käfigturmkrawall<br />

und Truppenverschiebung in Abrede 1282 .<br />

1279 Dazu vorne, S. 55ff.<br />

1280 Zur Bundesintervention siehe vorne, S. 30ff.<br />

1281 Anders eben der Bundesrat, gestützt auf ein Gutachten der Bundesanwaltschaft, welcher das bloss vorübergehende<br />

zur Verfügung stellen von Truppen an kantonale Behörden nicht als Intervention gelten lassen wollte.<br />

Dazu FRANZ STÄMPFLI, Rechtliches zum Fall Nicole, ZStR 1933, S. 420 – 437 (S. 427).<br />

1282 BURCKHARDT, Kommentar BV, S. 769.

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