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Innere Sicherheit Schweiz - Stromversorgungsrecht

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Bewährungsproben von 1874 bis 1914 157<br />

auf den deutschen Kaiser als willkommene Anlässe zum Erlass des Gesetzes 1097 . Danach<br />

waren sozialdemokratische, sozialistische oder kommunistische Vereine verboten, sofern<br />

sie anstrebten, die „bestehende Ordnung“ umzustürzen, den öffentlichen Frieden oder<br />

die Eintracht in der Bevölkerung zu gefährden 1098 . Die Nähe zum Verbot von Meinungen<br />

1099 und der Bestrafung von Gesinnungen 1100 war offensichtlich 1101 .<br />

Das Gesetz bewirkte eine Absetzungsbewegung sozialistischer Arbeiter und Führer ins<br />

Ausland, vor allem in die <strong>Schweiz</strong>; die sozialdemokratische Partei Deutschlands verlegte<br />

ihr Aktionszentrum nach Zürich 1102 und führte ihre Versammlungen in den abgelegenen<br />

Regionen der <strong>Schweiz</strong>er Kantone durch.<br />

„Seitdem nun Deutschland und Österreich in Folge ihrer gegen die Sozialdemokraten und Anarchisten<br />

gerichteten Ausnahmegesetze anfingen, die Anhänger der «sozialen Revolution» des Landes zu verweisen,<br />

zogen diese Leute mit Vorliebe nach der <strong>Schweiz</strong>, wo sie einerseits Arbeit, andererseits freiere Bewegung<br />

zu finden hofften und von wo aus sie sich dann häufig an der Agitation gegen ihr Vaterland beteiligten.<br />

Es hatte dies zur Folge, dass das anarchistische Element in der <strong>Schweiz</strong> sich fortwährend im Zunehmen<br />

befand. Doch standen sich (…) von nun an Sozialdemokraten und Anarchisten scharf gegenüber.“ 1103<br />

Teilweise schossen die Gesetzgeber stark über das Ziel hinaus; schon Zeitgenossen<br />

tadelten die Gelegenheitsgesetzgebung.<br />

So meinte etwa LOMBROSO zu den verschärften Gesetzen in zwei Ländern:<br />

„(…) was aber in Frankreich und neuerdings auch Italien geschieht, ist übertrieben; und fast ebenso impulsiv<br />

und nur auf den Moment berechnet, wie die Erscheinungen, gegen die sie sich richten (…).“ 1104<br />

Auch ein Rückgriff auf das schärfste Strafmittel überhaupt, die Todesstrafe, wurde – wo<br />

sie nicht verboten war – teilweise hinterfragt. Dabei ging es letztlich auch um die Frage,<br />

welcher Mittel sich ein Rechtsstaat in seiner „Selbstverteidigung nach innen“ bedienen<br />

könne.<br />

„Auch ist zu bedenken, dass mit den Köpfen nicht zugleich die darin beherbergten Gedanken fallen, das<br />

diese vielmehr durch den Anschein des Märthyriums ihrer Anhänger gewinnen, während eine sterile Idee<br />

von selbst verschwindet; im übrigen ist es ebensowenig möglich, im Laufe einer einzigen ephemeren Generation<br />

eine Idee mit absoluter <strong>Sicherheit</strong> zu verwerfen, wie über ein Individuum während seines Lebens ein<br />

definitives Urtheil zu haben; deshalb darf man eine Idee auch nicht zum Grunde eines Todesurtheils über<br />

1097 TÖNNIES, Kampf um das Sozialistengesetz, S. 11ff. und S. 56ff.; SCHROEDER, Schutz von Staat und Verfassung<br />

im Strafrecht, S. 102.<br />

1098 SEUFFERT, Anarchismus und Strafrecht, S. 169ff.; SCHROEDER, Schutz von Staat und Verfassung im Strafrecht,<br />

S. 101 – 103.<br />

1099 TÖNNIES, Kampf um das Sozialistengesetz, S. 34 (Kritik der Zentrumspartei bei den parlamentarischen<br />

Beratungen).<br />

1100 TÖNNIES, Kampf um das Sozialistengesetz, S. 42 (Kritik der Fortschrittspartei bei den parlamentarischen<br />

Beratungen).<br />

1101 Berechtigt daher die Kritik von SEUFFERT, Anarchismus und Strafrecht, S. 172.<br />

Der Anarchistenbericht, S. 580 weist darauf hin, dass mit den Ausnahmegesetzen in Deutschland und Österreich<br />

Anhänger eines eigentlich sozialdemokratischen Staatsverständnisses in die Arme der anarchistischen<br />

Bewegung getrieben worden wären.<br />

1102 GRIMM, Geschichte der sozialistischen Ideen, S. 127f.; KLEY-STRULLER, Verfassungsgeschichte der Neuzeit,<br />

S. 236.<br />

1103 Anarchistenbericht, S. 541f.<br />

1104 LOMBROSO, Die Anarchisten, S. 114.

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