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Innere Sicherheit Schweiz - Stromversorgungsrecht

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136 Von der Verfassungsrevision bis zum Ersten Weltkrieg (1874 – 1920)<br />

vative pflegen ihre Macht an Schützenfesten zu zelebrieren 907 . In diesem angespannten<br />

Klima kam es am 22. Oktober 1876 am Rande eines Schützenfestes der Liberalen in<br />

Stabio zu einer gewalttätigen Auseinandersetzung mit einem konservativen Apotheker.<br />

Diese steigerte sich bis zur Belagerung und Beschiessung des Hauses eines gewissen<br />

Herrn Gianella, worin sich mehrere bewaffnete Konservative vor den liberalen Schützen<br />

verschanzt hielten 908 . Drei Menschen kamen ums Leben.<br />

3.2.3.1. Der Stabio-Prozess und seine Folgen<br />

Der Vorfall beschäftigte die Öffentlichkeit in der ganzen <strong>Schweiz</strong> 909 . Radikal-Liberale<br />

aus anderen Landesteilen forderten vergeblich einen Prozess vor den Bundesassisen und<br />

bereiteten bereits einen Freischarenzug für den Fall vor, dass der Prozess vor dem lokalen<br />

Gericht zu Ungunsten der Angeklagten ausgegangen wäre. Das Tessiner Geschworenengericht<br />

sei voreingenommen 910 .<br />

Der Bundesrat entsandte vorsorglich Nationalrat Bavier, welcher sich bereithielt, als<br />

eidgenössischer Kommissär nötigenfalls mit einem bereits im Tessin (Ausbildungs-)<br />

Dienst versehenden Bataillon einzugreifen 911 . Weitere Unruhen blieben aber aus, weil<br />

der Prozess für alle Angeklagten (Liberale wie Konservative) mit Freisprüchen endete 912 .<br />

Zu einer bewaffneten eidgenössischen Intervention kam es vorerst nicht.<br />

Ob die präventive Entsendung eines Obersten, welcher beim Ausbruch von Unruhen zufällig<br />

in einem Krisengebiet stehende Truppen übernehmen würde, im konkreten Fall<br />

schon eine eidgenössische Intervention hätten eintreten lassen, kann nach der hier vertretenen<br />

Meinung 913 offenbleiben. Entscheidend wäre letztlich die Reaktion der Tessiner<br />

Regierung gewesen, respektive deren Telegramm an den Bundesrat. Solange die eidgenössische<br />

Intervention nicht angerufen wurde, kann die Massnahme bloss als Teil der planerischen<br />

Regierungsaufgaben des Bundesrates angesichts einer möglichen schweren Störung<br />

der Ruhe und Ordnung im Kanton Tessin – und damit als zulässig – angesehen werden.<br />

Dem Stabio-Prozess waren juristische (Zuständigkeits-) Streitigkeiten vorausgegangen:<br />

Sechs (liberale) Angeklagte waren nicht damit einverstanden, dass ihnen<br />

ein Tessiner Assisengericht den Prozess machen würde. Vielmehr hielten sie die<br />

eidgenössischen Assisen für ihre verfassungsmässigen Richter. Sie beriefen sich<br />

darauf, dass eine eidgenössische Intervention stattgefunden habe und ein politisches<br />

Verbrechen vorläge 914 . Das Bundesgericht gelangte daraufhin mit der Vor-<br />

907 CURTI, Geschichte, S. 628; SCHOLLENBERGER, Der Kanton Tessin, S. 13.<br />

908 Zum Sachverhalt und den Hintergründen des Konflikts siehe BGE 5, 487 (S. 487 – 491) oder CURTI, Geschichte,<br />

S. 628 – 631 (mit Skizze).<br />

909 CURTI, Geschichte, S. 631. Besonders deutlich GIOVANNI ANDREA SCARTAZZINI, Der Stabio-Prozess!,<br />

Zürich 1880, S. 50ff. (mit Vorwurf öffentlich zur Schau gestellter Parteilichkeit und Voreingenommenheit an<br />

den Gerichtspräsidenten).<br />

910 CURTI, Geschichte, S. 631.<br />

911 Aus den Verhandlungen des <strong>Schweiz</strong>. Bundesrathes (vom 23. Oktober 1876), BBl. 1876 IV, S. 12.<br />

912 Zum Prozess etwa HIS, Geschichte Bd. III, S. 165; CURTI, Geschichte, S. 631 – 633 oder GAGLIARDI,<br />

Geschichte der <strong>Schweiz</strong> Bd. II, S. 1628.<br />

913 Siehe oben, S. 30ff.<br />

914 VOGT, Tessinerfrage, S. 18.

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