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Innere Sicherheit Schweiz - Stromversorgungsrecht

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40 Gewährleistung der inneren <strong>Sicherheit</strong> im jungen Bundesstaat (1848 bis 1874)<br />

2.1.6.4. Bei Unmöglichkeit eines Hilferufs<br />

Art. 16 Abs. 2 schuf in Ergänzung zu Abs. 1 zwei weitere Tatbestände: War eine Kantonsregierung<br />

überhaupt nicht mehr in der Lage, die nötigen Kommunikationsvorgänge<br />

vorzunehmen, war ein Einschreiten des Bundes ebenfalls gerechtfertigt. Auch wenn eine<br />

Kantonsregierung ihre Handlungsfähigkeit mehr oder weniger vollständig verloren hatte,<br />

konnte („so kann“), eine kompetente Bundesbehörde von sich aus Massnahmen ergreifen<br />

228 .<br />

Bezüglich eines selbständigen Einschreitens des Bundes hatte der „Pacte Rossi 1832“<br />

noch eine abweichende Regel getroffen; danach war auch bei gemeingefährlichen Unruhen,<br />

welche einen Kanton überforderten oder bei gewalttätigen Umstürzen ein Einschreiten<br />

des Bundes ohne Weiteres vorgesehen.<br />

„Die Tagsatzung handhabt die Ordnung im Innern.<br />

Zu diesem Ende schreitet sie unbedingt ein auf das Begehren der obersten Vollziehungsbehörde des betreffenden<br />

Kantons.<br />

Sie schreitet aber auch ohne Begehren derselben ein in folgenden Fällen:<br />

1. bei gemeingefährlichen Unruhen, die der Kanton nicht selbst zu heben vermag;<br />

2. bei gewaltthätigem Umsturz einer Kantonsregierung, oder wenn diese überhaupt ausser Stande ist, die<br />

Hülfe des Bundes anzusprechen;<br />

3. wenn sich die Unruhen über zwei oder mehrere Kantone verbreiten.<br />

Im Fall bewaffneten Einschreitens in die Angelegenheiten eines Kantons soll die oberste Behörde desselben<br />

sofort einberufen werden.<br />

(…)“ 229<br />

Der Wortlaut des Pacte Rossi 1832 ging somit bezüglich der Befugnisse der Tagsatzung<br />

weiter als die BV 1848 und legte auch die Definitionsmacht, in welchen Fällen eine<br />

Kantonsregierung ausser Stande gewesen wäre, die innere <strong>Sicherheit</strong> zu gewährleisten, in<br />

die Hände einer eidgenössischen Behörde 230 . Eine in diese Richtung verstandene Auslegung<br />

des Interventionsartikels spielte in der späteren Praxis eine grosse Rolle 231 .<br />

Konkret dürfte es bei der ersten in Art. 16 Abs. 2 genannten Variante im Wesentlichen<br />

um jene Fälle gegangen sein, in welchen die kantonale Exekutive wegen Gefangennahme<br />

einen Hilferuf nicht mehr rechtzeitig selber abzusetzen vermochte. Dann – aber nur<br />

dann – wäre eine Benachrichtigung der Bundesbehörden durch Dritte entscheidend<br />

gewesen. Nach gescheiterter Kontaktaufnahme mit den kantonalen Behörden hätte der<br />

Bund einschreiten können.<br />

228 So auch BLUMER, Bundesstaatsrecht Bd. I, S. 196.<br />

229 Art. 52 lit. m des Pacte Rossi 1832.<br />

230 Sonst würde der Verzicht auf einen Hilferuf durch einen Kanton keinen Sinn ergeben.<br />

231 So marschierte der Bund gegen Ende des 19. Jahrhunderts gegen den Willen des Staatsrats im Tessin ein, um<br />

den langjährigen, teilweise gewaltsamen Parteienstreit zu beenden. Siehe hinten, S. 139ff.

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