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Innere Sicherheit Schweiz - Stromversorgungsrecht

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332 Zwischenkriegszeit und Zweiter Weltkrieg (1920 – 1950)<br />

lich bedenklich und auch zur Kriegszeit nicht zu rechtfertigen war m.E. das absolute<br />

Verbot der Neugründung von Nachrichten- und Presseagenturen.<br />

Während die Bundesverfassung seit ihrem Bestehen politische Rechte sowie die Presseund<br />

die Vereinigungsfreiheit garantierte, machte sich das Fehlen weiterer, auf kantonaler<br />

Stufe durchaus bekannter und rechtlich durchsetzbarer Freiheitsrechte wie der Vereinigungsfreiheit<br />

und einer allgemeinen Meinungsäusserungsfreiheit auf der Stufe Bund nun<br />

negativ bemerkbar. Insbesondere die Möglichkeit der freien Meinungsäusserung entwickelte<br />

sich zum beflügelten Begriff – aber als politisches Credo, nicht als geschütztes<br />

Grundrecht. Die Behörden – allen voran der Bundesrat – betonten zwar oft und eindringlich,<br />

ihre Massnahmen bezweckten nicht die Einschränkung der Meinungsfreiheit.<br />

Trotzdem fühlten sich politische und konfessionelle Minderheiten in ihren Entfaltungsmöglichkeiten<br />

bedroht.<br />

Die Möglichkeit einer gerichtlichen Überprüfung der Bundeserlasse war auf Grund einer<br />

gegenüber Bundeserlassen bewusst unvollständig gebliebenen Verfassungsgerichtsbarkeit<br />

ausgeschlossen. So blieb es bereits Mitte der 1930er Jahre dem Urteil von Bundesrat und<br />

Bundesversammlung überlassen, wie stark die Möglichkeiten zur politischen Meinungsbildung<br />

und –Äusserung zum Schutz der öffentlichen Ordnung eingeschränkt werden<br />

sollten. Diese Haltung entsprach noch dem <strong>Schweiz</strong>er Verfassungsverständnis des 19.<br />

Jahrhunderts – allerdings unter völlig anderen Vorzeichen 2294 . Jedenfalls hielt der Souverän<br />

mit der Ablehnung der Volksinitiative auf einen Ausbau der Verfassungsgerichtsbarkeit<br />

(Fleiner und Giacometti) daran fest.<br />

Erst in den 1960er Jahren leitete das Bundesgericht aus der BV 1874 das Vorhandensein<br />

der ungeschriebenen Freiheitsrechte der Versammlungs- und der Meinungsäusserungsfreiheit<br />

ab 2295 . An einer Verfassungsgerichtsbarkeit gegenüber Bundesgesetzen mangelt es<br />

bis heute.<br />

4.3. Einzelfälle und Gelegenheitsgesetzgebung<br />

Die Legiferierung auf dem Gebiet des <strong>Sicherheit</strong>srechts der 1930er Jahre war – wohl<br />

auch wegen des Scheiterns des Umsturzgesetzes (1922) und des Ordnungsgesetzes<br />

(1934) in Volksabstimmungen – geprägt von politisch legitimierenden Einzelfällen. Ohne<br />

die Affäre Jacob-Wesemann wäre kein Spitzelgesetz, ohne die Affäre Colombi kein<br />

Unabhängigkeitsgesetz entstanden. Damit schlugen sich die politischen Spannungen der<br />

Zeit deutlich in einer nervösen Gesetzgebung nieder 2296 .<br />

Bezüglich der Uniformenverbote könnten zwar die ursprünglich zurückhaltenden Einschränkungen<br />

im Sinne verhältnismässigen Handelns begrüsst werden, schlussendlich<br />

führten die schrittweisen Erneuerungen und Verschärfungen zur gänzlichen Unzulässigzum<br />

Verbot einzelner Publikationen oder Verlage – steht diese Form der Pressepolitik einem heute als „chill<br />

effect“ bekannten Eingriff nahe; zum „chill effect“ siehe MÜLLER/SCHEFER, Grundrechte, S. 375ff.<br />

2294 Die Bundesversammlung war unter diesen Umständen nicht mehr Garantin für eine politisch und wirtschaftlich<br />

freiheitliche Entwicklung.<br />

2295 Siehe MÜLLER/SCHEFER, Grundrechte, S. 437 und 573 – 576 (jeweils m.w.H.).<br />

2296 Sinnbildlich eine Äusserung des Bundesrates, wonach in einer angespannten Situation als staatsgefährdend<br />

gelten könne, was unter anderen Umständen als schlechter Scherz interpretiert würde.

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