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Innere Sicherheit Schweiz - Stromversorgungsrecht

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Innen- und aussenpolitische Spannungen (1930er Jahre) 297<br />

20. Februar 1938 deutlich 2063 .<br />

Das zweite, von Sozialdemokraten und mehreren Gewerkschaften eingereichte Begehren<br />

2064 reichte weniger weit. Immerhin wäre eine Dringlichkeitserklärung für allgemeinverbindliche<br />

Bundesbeschlüsse in den Räten von einer Zweidrittelmehrheit abhängig<br />

gemacht worden. Zudem wären dringliche Beschlüsse nach spätestens drei Jahren zu<br />

erneuern gewesen.<br />

Im Vorfeld der parlamentarischen Beratungen äusserte sich der Bundesrat über die<br />

allgemeine Bedeutung der dringlichen Beschlüsse. Von 1931 bis 1938 wären davon rund<br />

80 Stück erlassen worden, wovon 47 in den Schlussabstimmungen der Räte einstimmig,<br />

und weitere 16 mit erdrückenden Mehrheiten angenommen worden seien. Bei den 17<br />

verbleibenden umstrittenen Erlassen habe primär deren Inhalt, weniger das Anbringen<br />

der Dringlichkeitsklausel im Zentrum der Debatten gestanden 2065 . Materiell betrafen die<br />

dringlichen Erlasse vor allem finanz- und wirtschaftspolitisches Notrecht. Mit dem<br />

Überwinden der Haushalts- und Wirtschaftskrise werde der gesetzgeberische Handlungsbedarf<br />

bald wieder abnehmen 2066 .<br />

RENE PAHUD DE MORTANGES relativiert diese Aussage. Er weist in seinem Werk über<br />

die <strong>Schweiz</strong>er Rechtsgeschichte darauf hin, dass in der gesamten Zwischenkriegszeit mehr<br />

als die Hälfte der erlassenen Gesetze durch Anwendung der Dringlichkeitsklausel dem<br />

Referendum entzogen wurden 2067 .<br />

Unter dem Dringlichkeitsbegriff der Bundesverfassung (Art. 89) sei im Übrigen eine<br />

zeitliche, nicht etwa eine materielle Dringlichkeit zu verstehen. Der Bundesrat räumte<br />

aber in einer höchst eigentümlichen Formulierung ein, habe er sich selber nicht immer<br />

an diese Auslegung gehalten:<br />

„Es mag sein, dass die Praxis in der Krisenzeit in ganz vereinzelten Fällen sich vielleicht nicht ganz<br />

strikte an diesen Grundsatz gehalten habe; im grossen und ganzen war aber auch bei den in der Krisenzeit<br />

erlassenen dringlichen Bundesbeschlüssen eine zeitliche Dringlichkeit vorhanden.“ 2068<br />

2063 Botschaft des Bundesrats an die Bundesversammlung über das Ergebnis der Volksabstimmung vom 20.<br />

Februar 1938 betreffend Anerkennung des Rätoromanischen als Nationalsprache und über die Volksbegehren<br />

für die Abänderung des fakultativen Referendums und gegen die private Rüstungsindustrie (vom 30. März<br />

1938), BBl. 1938 I, S. 533 – 541 und Bundesbeschluss betreffend die Erwahrung des Ergebnisses der Volksabstimmung<br />

vom 20. Februar 1938 über das Volksbegehren über die Abänderung des fakultativen Referendums<br />

(vom 29. April 1938), AS 54, S. 199.<br />

2064 Die Volksinitiative war mit 289'765 gültigen Unterschriften zustande gekommen; Bericht des Bundesrates an<br />

die Bundesversammlung über das Volksbegehren betreffend Einschränkung der Anwendung der Dringlichkeitsklausel<br />

(vom 14. März 1938), BBl. 1938 I, S. 257.<br />

2065 Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über das Volksbegehren für Einschränkung der Anwendung<br />

der Dringlichkeitsklausel (vom 10. Mai 1938), BBl. 1938 I, S. 717 – 735 (S. 722), nachfolgend „Bericht über<br />

das Volksbegehren für Einschränkung der Dringlichkeitsklausel“.<br />

2066 Bericht über das Volksbegehren für Einschränkung der Dringlichkeitsklausel, BBl. 1938 I, S. 717 – 735<br />

(S. 723f.).<br />

2067 PAHUD DE MORTANGES, Rechtsgeschichte, Rz. 297; ebenfalls kritisch KLEY-STRULLER, Verfassungsgeschichte<br />

der Neuzeit, S. 275 („exzessive Dringlichkeitspraxis“).<br />

2068 Bericht über das Volksbegehren für Einschränkung der Dringlichkeitsklausel, BBl. 1938 I, S. 717 – 735<br />

(S. 725); Hervorhebungen durch den Autor.<br />

Nach dieser Argumentation könnte die (sarkastische) Frage aufgeworfen werden, ob es vielleicht nicht doch<br />

möglich wäre, auch „ein bisschen schwanger“ zu sein.

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