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Innere Sicherheit Schweiz - Stromversorgungsrecht

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Erster Weltkrieg und Landesstreik (1914 – 1920) 197<br />

sungsartikeln durchaus zulässig.<br />

Der BUNDESRAT liess offen, ob die Art. 85 und 102, beide i.V.m. Art. 2 BV, zur Begründung<br />

seines Notverordnungsrechts herangezogen werden konnten oder nicht. Auch<br />

ohne eine ausdrückliche verfassungsmässige Grundlage könnten die Bundesbehörden<br />

„in einer durch ausserordentliche Ereignisse geschaffenen Notlage des Staates dasjenige (...) verfügen, was<br />

der höchste Staatszweck (…) erheischt.“ 1369<br />

ZOLLER fand keine verfassungsmässige Grundlage für das Notverordnungsrecht des<br />

Bundesrates. Entsprechend hielt sie auch die Erteilung ausserordentlicher Vollmachten<br />

durch die Bundesversammlung an den Bundesrat mangels entsprechender Kompetenz<br />

1370 für unzulässig. Gleiches gelte für Verfassungsänderungen auf einem von der<br />

Verfassung selber nicht vorgesehenen Wege 1371 .<br />

HÖRNI berief sich auf die allgemeine Staatslehre BLUNTSCHLIS und dessen Theorie über<br />

den Staatsnotstand 1372 . Danach konnte ein Staat, wenn er ernstlich bedroht war, die<br />

verfassungsmässigen Mittel nicht mehr ausreichten und Dinglichkeit herrschte 1373 , auf<br />

die „natürlichen und ursprünglichen Gründe alles Rechts zurückgehen“ 1374 . Nach dieser Theorie<br />

steht der Staat über dem Recht. Sie ist denn auch prominent in Frage gesellt worden:<br />

Nach KELSEN 1375 und JELLINEK 1376 handelt es sich bei der Theorie vom Staatsnotstand<br />

schlicht um Politik, nicht um juristische Fragen.<br />

Aus heutiger Sicht weisen RAINER J. SCHWEIZER/NINA WIDMER zu Recht auf den<br />

exzessiven Gebrauch des Dringlichkeitsrechts noch nach dem Weltkrieg und die damit<br />

verbundenen Einschnitte in das Legalitätsprinzip sowie die demokratischen Partizipationsrechte<br />

hin 1377 .<br />

4.3.2. Beurteilung: Unzulänglichkeit und Unklarheit<br />

Obige Darstellung belegt das Fehlen einer überzeugenden Lehre zur juristischen Begründung<br />

des Vollmachtenregimes. Tatsächlich war die Bundesverfassung in dieser<br />

Hinsicht unvollständig 1378 . M.E. sind die Vollmachten und die gestützt darauf erlassenen<br />

Notverordnungen jeweils im Lichte der herrschenden Umstände zu betrachten.<br />

Im August 1914 konnte die Bundesversammlung aus guten Gründen annehmen, dass<br />

1369 II. Neutralitätsbericht 1916, BBl. 1916 I, S. 119 – 141 (S. 122f.).<br />

1370 ZOLLER, Notverordnung, S. 102f.<br />

1371 ZOLLER, Notverordnung, S. 116.<br />

1372 JOHANN CASPAR BLUNTSCHLI, Lehre vom modernen Staat, Band 2, Allgemeines Staatsrecht, Neudruck der<br />

Ausgabe Stuttgart 1885, Aalen 1965, S. 242 – 249.<br />

1373 ROBERT HÖRNI, De l’état de nécessité en droit public fédéral suisse, Diss. Genf 1917, S. 17f.<br />

1374 JOHANN CASPAR BLUNTSCHLI, Bluntschli’s Staatswörterbuch in drei Bänden, Zweiter Band, Zürich 1871,<br />

S. 742 – 745 (S. 742; „Nothrecht“).<br />

1375 HANS KELSEN, Allgemeine Staatslehre, Berlin 1925, S. 39f.<br />

1376 GEORG JELLINEK, Allgemeine Staatslehre, Berlin 1914, S. 358f.: „Um eklatante Verletzungen der Staatsordnung zu<br />

beschönigen, hat man die Kategorie des Staatsnotrechts angewendet, die doch nur ein anderer Ausdruck für den Satz ist, dass<br />

Macht vor Recht geht.“<br />

1377 RAINER J. SCHWEIZER/NINA WIDMER, Demokratie (Partizipation), in: Rainer J. <strong>Schweiz</strong>er (Hrsg.), <strong>Sicherheit</strong>s-<br />

und Ordnungsrecht des Bundes, SBVR Bd. III/1, Basel 2008, S. 406 – 467, Rz. 36f.<br />

1378 So auch JEAN-FRANÇOIS AUBERT, Bundesstaatsrecht der <strong>Schweiz</strong>, Band II, Neubearbeiteter Nachtrag bis<br />

1994, Basel 1995, Rz. 1551.

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