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Innere Sicherheit Schweiz - Stromversorgungsrecht

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160 Von der Verfassungsrevision bis zum Ersten Weltkrieg (1874 – 1920)<br />

halten sich 2000 Nihilisten und in der <strong>Schweiz</strong> 5000 Anarchisten auf, so ist dies eine lächerliche Aufschneiderei.<br />

Die stärksten anarchistischen Gruppen, welche wir in der <strong>Schweiz</strong> gefunden haben, zählen<br />

nicht über 20, höchstens 30 Mitglieder und meist finden sich nur 4, 5, 6 Genossen, selbst in den grösseren<br />

Städten. Die grosse Mehrzahl der Arbeiter will nichts gemein haben mit Most’s verbrecherischen<br />

Lehren und die Zahl derer, die sich offen zu denselben bekennen, ist verschwindend klein. (…) Bedeutung<br />

gewinnt diese Partei durch die Energie und Verwegenheit, durch die Rührigkeit und fanatische Hingabe<br />

weniger Früher einerseits, durch ihre Presse andererseits. Die anarchistische Literatur, vorab die<br />

Most’sche Freiheit, haben Kammerer, Stellmacher, Reinsdorff, Kumitsch und Andre zu Verbrechern<br />

ausgebildet und zum Verbrechen getrieben! (…)“ 1121<br />

In der <strong>Schweiz</strong> hätte die anarchistische Bewegung ihren Höhepunkt bereits überschritten;<br />

sie befände sich sogar in rapidem Verfall. Da die Propaganda der Tat zu einer Propaganda<br />

des Verbrechens geworden sei, herrsche gerade unter den Anarchisten grosse Verunsicherung<br />

1122 .<br />

Vier Jahre später, 1889, ernannte der Bundesrat mit Nationalrat Josef Stockmar erneut einen<br />

ausserordentlichen Generalanwalt wegen anarchistischer Umtriebe. Sein Auftrag bestand<br />

darin, gegen die Urheber der Schrift „Manifest der schweizerischen Anarchisten“ eine Untersuchung<br />

wegen möglicher Verletzung der Art. 45, 46 und 48 BStR durchzuführen 1123 .<br />

3.4.2.3. Erkannte Mängel im <strong>Schweiz</strong>er Polizeiwesen<br />

Generalanwalt Müller äusserte sich in seinem abschliessenden Bericht vom Mai und Juni<br />

1885 insbesondere kritisch zum Mangel an einer eidgenössischen politischen Polizei. Manche<br />

Kantone hatten sich im Rahmen seiner Untersuchungen als unfähig zur Zusammenarbeit<br />

mit den Bundesstellen erwiesen. Entweder, weil ihre Berichte unbrauchbar waren,<br />

oder weil es ihnen schlicht am nötigen Sachverstand mangelte.<br />

„Aus einzelnen Kantonen (…) lagen ziemlich eingehende Erhebungen vor, welche einen Einblick in die<br />

Verhältnisse der betreffenden Kantone gestatteten. Aus andern Kantonen lagen theils sehr unvollständige,<br />

theils mangelnde Kenntnis der ganzen Frage verrathende Berichte vor, welche für die eigentliche Untersuchung<br />

nur von zweifelhaftem Werthe waren. Und auch Kantone, welche innerhalb ihrer eigenen Grenzen<br />

ordentlich orientiert waren, hatten von demjenigen, was über diese Grenzen hinausging, keine oder nur<br />

ganz mangelhafte Kenntnis. Vielfach konnte man konstatieren, dass über den prinzipiellen Unterschied<br />

zwischen Socialdemokraten und Anarchisten völlige Unklarheit bestand. Oft fehlte die Kenntnis der a-<br />

narchistischen Taktik und Gebräuche. Und mit Bezug auf die persönlichen Beziehungen der einzelnen<br />

Anarchisten unter sich und von Kanton zu Kanton herrschte völliges Dunkel. So boten die Vorakten ein<br />

buntes Bild, wie es nur die Vielgestaltigkeit unserer kantonalen Souveränitäten und die Kleinheit der dabei<br />

im Vordergrund stehenden Verhältnisse erzeugen kann. Es soll mit dieser Kritik niemandem ein<br />

Vorwurf gemacht werden, sie gilt den Zuständen, nicht den Personen, welche zufällig berufen waren, mit<br />

einem so mangelhaften Apparate zu arbeiten, wie es hier der Fall war.“ 1124<br />

Der Generalanwalt hielt in seinem Bericht konkrete verfahrensmässige Mängel fest und<br />

erachtete die durchgeführten Untersuchungen teilweise als unverhältnismässig.<br />

„Der Mangel einer eidgenössischen Polizei hatte weiter zur Folge, dass sich die eidgenössischen Untersu-<br />

1121 Anarchistenbericht, S. 709f.<br />

1122 Anarchistenbericht, S. 711.<br />

1123 Bundesrathsbeschluss betreffend das Manifest der schweizerischen Anarchisten (vom 30. August 1889), BBl.<br />

1889 III, S. 1171f.<br />

1124 Anarchistenbericht, S. 604.

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