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Innere Sicherheit Schweiz - Stromversorgungsrecht

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Erster Weltkrieg und Landesstreik (1914 – 1920) 193<br />

Die Bundesversammlung fasste ihren Beschluss ohne eingehende Verhandlungen 1337 .<br />

Auch in der Öffentlichkeit regten sich vorerst keine Bedenken; man fügte sich der Not<br />

der Zeit 1338 , bis der Krieg (wie 1870/71) in einigen Monaten beendet sein würde. Auf<br />

eine Unterscheidung zwischen innerer und äusserer <strong>Sicherheit</strong> verzichtete der Beschluss<br />

offenbar.<br />

Der Vollmachtenbeschluss führte zu einer Verschiebung der Kompetenzen vom Gesetz-<br />

und sogar vom Verfassunggeber hin zum Bundesrat 1339 . Manche der im Verlaufe<br />

des Krieges und danach erlassenen Notverordnungen 1340 stellten sowohl Eingriffe des<br />

Bundes in die kantonalen Kompetenzbereiche als auch in die garantierten verfassungsmässigen<br />

Rechte der Bürger dar 1341 . Während der Erlass von Vollziehungsverordnungen<br />

gewohnheitsrechtlich vom Bundesrat vorgenommen werden konnte, provozierten die<br />

inflationär zunehmenden gesetzesvertretenden Verordnungen 1342 besondere heikle<br />

staatsrechtliche Fragen 1343 .<br />

Die Verordnungstätigkeit des Bundesrates war eine umfassende, betraf alle möglichen<br />

(und unmöglichen) Fragen auf allen Rechtsgebieten 1344 und derogierte das auf ordentlichem<br />

Wege gesetzte Recht aller Stufen 1345 .<br />

Der überaus weit reichende Charakter des Vollmachtenbeschlusses 1346 wurde vom Bundesgericht<br />

bestätigt. In seinem Entscheid 41 I 551 lehnte das Bundesstrafgericht die<br />

Überprüfung der auf dem Vollmachtenbeschluss beruhenden Verordnung über Be-<br />

1337 KÖLZ, Verfassungsgeschichte Bd. II, S. 665f.<br />

1338 LILI ZOLLER, Die Notverordnung und ihre Grundlagen, Diss. Zürich 1928, S. 5f.<br />

1339 GIACOMETTI, Verfassungsrecht und Verfassungspraxis (FG Fleiner [70]), S. 64ff.; WALTHER BURCKHARDT,<br />

Die Konzentration der Staatsgewalt in den Händen der Bundesexekutive, SJZ 1916/1917, S. 259 – 263<br />

(S. 259); KÖLZ, Verfassungsgeschichte Bd. II, S. 666; PAHUD DE MORTANGES, Rechtsgeschichte, Rz. 296.<br />

BGE 44 I 87 (E.3 S. 90) vom 23. April 1918 meinte dazu in einem strafrechtlichen Fall bloss, es sei davon<br />

auszugehen, „dass der Bundesrat auf dem Gebiet der Kriegsverordnungen (…) kraft des Bundesbeschlusses vom 3. August<br />

1914 betr. Massnahmen zum Schutze des Landes etc. materiell die Funktion des Gesetzgebers ausübt.“ Zu den ausserordentlichen<br />

Vollmachten siehe auch ZOLLER, Notverordnung, S. 10ff.<br />

1340 Zum rechtlichen Charakter vgl. EDUARD HIS, Zur Frage des staatsrechtlichen Charakters des Bundesbeschlusses<br />

vom 3. August 1914 und der bundesrätlichen Notstandsmassnahmen, ZSR 1917, S. 287 – 298<br />

(S. 290).<br />

1341 HIS, Bundesbeschluss vom 3. August 1914, ZSR 1917, S. 287 – 298 (S. 294); BURCKHARDT, Konzentration<br />

der Staatsgewalt, SJZ 1916/17, S. 259 – 263 (S. 259ff.); KÖLZ, Verfassungsgeschichte Bd. II, S. 666f.; PAHUD<br />

DE MORTANGES, Rechtsgeschichte, Rz. 295.<br />

1342 Bis ins Jahr 1919 erliess der Bundesrat rund 1'000 Notverordnungen, welche neben der <strong>Sicherheit</strong> vor allem<br />

auch die Volkswirtschaft des Landes zum Inhalt hatten; vgl. KÖLZ, Verfassungsgeschichte Bd. II, S. 670 oder<br />

PAHUD DE MORTANGES, Rechtsgeschichte, Rz. 296.<br />

1343 ZACCARIA GIACOMETTI, Das selbständige Rechtsverordnungsrecht des Bundesrates, SJZ 1935, S. 257 – 262<br />

(S. 257). Zu den einschneidenden staatsrechtlichen und staatstheoretischen Auswirkungen der unter dem<br />

Vollmachtenregime stark erweiterten Staatstätigkeit siehe KLEY-STRULLER, Verfassungsgeschichte der Neuzeit,<br />

S. 259 (Abkehr von der zuvor prägenden generellen Freiheitsvermutung).<br />

1344 Vgl. die Besprechung der vom Bundesrat gestützt auf die Notverordnungen geänderten Bundesgesetze bei<br />

ZOLLER, Notverordnung, S. 10 – 20.<br />

1345 Für einen Überblick über die Eingriffe des Bundesrates in das Verfassungsrecht siehe ZOLLER, Notverordnung,<br />

S. 20 – 36 (Eingriffe in Freiheitsrechte) sowie S. 36 – 39 (Verschiebung der Kompetenzen).<br />

1346 GIACOMETTI, Verfassungsrecht und Verfassungspraxis (FG Fleiner [70]), S. 64ff. (insbesondere S. 69); KÖLZ,<br />

Verfassungsgeschichte Bd. II, S. 666.

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