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Innere Sicherheit Schweiz - Stromversorgungsrecht

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112 Gewährleistung der inneren <strong>Sicherheit</strong> im jungen Bundesstaat (1848 bis 1874)<br />

In Befürchtung einer weiteren drastischen Lageverschärfung erbat der Zürcher Regierungsrat<br />

– in Dreierbesetzung und gegen das Anraten des Platzkommandanten 778 – eine<br />

bewaffnete eidgenössische Intervention 779 .<br />

Der Regierungsrat schrieb in seinen beiden Telegrammen vom 11. März 1871 wörtlich:<br />

„Heute wächst die Bewegung. Es steht eine Revolution bevor von unklarem, aber drohendem Charakter.<br />

(…). Situation kritisch. Zuverlässigkeit eines Theils der aufgebotenen Truppen zweifelhaft.“ 780<br />

Um die Zeughäuser bis zum Eintreffen weiterer eidgenössischer Truppen vor Plünderungen<br />

zu schützen, erhielt der Platzkommandant vier Geschütze mit Splittermunition zugeteilt<br />

781 .<br />

Trotz versammelter Räte war es der Bundesrat, welcher in alleiniger Kompetenz dem<br />

Zürcher Begehren nachkam, die Intervention verfügte und – im Widerspruch zu Art. 90<br />

Ziff. 11 BV – 3'500 Angehörige der Armee entsandte 782 – ohne dass das Parlament<br />

überhaupt nur darauf reagiert hätte.<br />

GUSTAV VOGT kritisierte diese Nachlässigkeit der Bundesversammlung später scharf:<br />

„Die Bundesversammlung war bei einander, als der Bundesrath diese Intervention (die übrigens der Sache<br />

nach nicht gerechtfertigt war) verfügte; das Truppenaufgebot überstieg 2'000 Mann; aber der Bundesrath<br />

gab der Bundesversammlung nicht einmal amtliche Kenntnis von seinen Anordnungen. Und sie liess sich’s<br />

gefallen und ging nach Hause.“ 783<br />

Der zum eidgenössischen Kommissär ernannte Nationalrat und spätere Bundesrat Joachim<br />

Heer brachte die Lage mit seinen Truppen schnell unter Kontrolle 784 . Die eidgenössischen<br />

Räte genehmigten das Vorgehen der Landesregierung anschliessend vollumfänglich.<br />

Darin kann – zurückhaltend – ein „Präjudiz“ 785 gesehen werden. Trotz den damals (1871)<br />

sicher nicht einfachen (Kriegs-) Zeiten spricht jedoch nichts dagegen, das Kind beim<br />

Namen zu nennen: Der Bundesrat beging eine zweifache Verfassungsverletzung. Das zulässige<br />

Aufgebot an Truppen wurde fast um das doppelte überschritten, das Parlament<br />

erst nach Erledigung der Angelegenheit überhaupt informiert.<br />

Die Strafuntersuchungen, welche – für die zivilen Beteiligten – gestützt auf die Art. 52<br />

und 72 des Bundesstrafrechts sowie – für die französischen „Internierten“ – Art. 205<br />

des Militärstrafgesetzbuches eröffnet worden waren, endeten für die 42 angeklagten<br />

Zivilisten mit sechs Freisprüchen und 36 Gefängnisstrafen zwischen ein und zehn Mo-<br />

778 HESS, Memorandum, S. 24.<br />

779 BURCKHARDT, Kommentar BV, S. 120.<br />

780 Botschaft des Bundesrates an die hohe Bundesversammlung, betreffend die Tragung der Kosten des eidgenössischen<br />

Truppenaufgebots vom März 1871 bei Anlass des Tonhallekrawalls in Zürich (vom 4. Dezember<br />

1872), BBl. 1872 III, S. 823 – 826 (S. 825).<br />

781 HESS, Memorandum, S. 24f.<br />

782 Vier Bataillone Infanterie und zwei Batterien Artillerie unter dem Kommando von Oberst Eduard von Salis;<br />

Kommissionalbericht an den Ständerath betreffend Übernahme der durch die Tonhallevorfälle von Zürich<br />

veranlassten Interventionskosten (vom 17. Dezember 1872), BBl. 1873 I, S. 197 – 204 (S. 200).<br />

783 VOGT, Tessinerfrage, S. 37.<br />

784 BURCKHARDT, Kommentar BV, S. 120; GRUNER, Die Arbeiter, S. 720.<br />

785 GNEHM, Interventionsrecht, S. 42.

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