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Innere Sicherheit Schweiz - Stromversorgungsrecht

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198 Von der Verfassungsrevision bis zum Ersten Weltkrieg (1874 – 1920)<br />

die <strong>Schweiz</strong> früher oder später in den Krieg verwickelt würde. Der Angriff auf das neutrale<br />

Belgien (6. August 1914) hatte die These bestätigt, dass die <strong>Schweiz</strong> sowohl von<br />

Frankreich präventiv besetzt als auch von Deutschland als Durchmarschgebiet hätte<br />

missbraucht werden können. In einem solchen Fall wäre die Bundesversammlung möglicherweise<br />

nicht mehr in der Lage gewesen, sich zu versammeln oder gültig zu beschliessen.<br />

Bloss: Keiner dieser Fälle ist schliesslich eingetreten. Das Parlament blieb<br />

zwischen 1914 und 1918 jederzeit beschlussfähig 1379 . Die Durchführung von Volksabstimmungen<br />

mit dem dazugehörenden, im Vorfeld stattfindenden Willensbildungsprozess<br />

war zwar durch den Neutralitätsschutz erschwert. Ein Zustand absoluter zeitlicher<br />

Dringlichkeit herrschte aber nie wirklich vor 1380 .<br />

Im Nachhinein kann sowohl die – wohl unzulässige – Kompetenzdelegation als solche<br />

wie auch der Umfang der vom Parlament an den Bundesrat abgetretenen Kompetenzen<br />

kritisch hinterfragt werden. Die Bundesversammlung hebelte (mit Anerkennung des<br />

Bundesgerichts) die Bundesverfassung aus, indem es dem Bundesrat eine sachlich beinahe<br />

umfassende Kompetenz zum Erlass von Rechtsverordnungen zukommen liess.<br />

Ob eine Gesetzesdelegation an den Bundesrat durch das Parlament, auf seine eigenen und<br />

auf Kosten der Bundesverfassung überhaupt zulässig war, blieb umstritten 1381 . Rechtsstaatliche<br />

Bedenken sprachen jedenfalls gegen eine generelle Verschiebbarkeit.<br />

Davon ausgenommen waren in erster Linie die eidgenössischen Institutionen, also das<br />

Bestehen des Parlaments und des Bundesgerichts – sowie die Suprematie des Parlaments.<br />

Im Verhältnis zwischen Bund und Kantonen derogierten sämtliche bundesrätlichen<br />

Notverordnungen sämtliches kantonales Recht.<br />

Die ungenügende Kontrolle der Landesregierung durch das Parlament war gewiss ein<br />

Fehler. Verfassungsänderungen hätten – trotz aktivem Neutralitätsschutz – so schnell<br />

wie möglich legitimiert, die Vollmachten so schonend wie möglich ausgeübt, sich so<br />

stark wie möglich an der Bundesverfassung orientieren müssen. All dies wurde nicht<br />

berücksichtigt und führte schliesslich zu intensiven innenpolitischen Auseinandersetzungen,<br />

als klar wurde, dass die <strong>Schweiz</strong> in erster Linie wirtschaftliches Opfer des Krieges<br />

geworden war. Es zeigte sich, dass ein Operieren ausserhalb des verfassungsmässigen<br />

Raumes vom Souverän nicht über längere Zeit geduldet wurde.<br />

Bezüglich der inneren <strong>Sicherheit</strong> hätte sich eine Kompetenz des Bundes(rates) zu einem<br />

Eingreifen bereits nach Art. 16 Abs. 2 BV 1874 eröffnet. Zudem hätten ihn die ausserordentlichen<br />

Vollmachten auch zu einer Ausdehnung seiner Notverordnungskompetenz,<br />

und damit zur Legiferierung an der Verfassungsordnung vorbei, auf diesen Sachbereich<br />

ermöglicht. Die föderalistische <strong>Sicherheit</strong>sordnung, und damit auch die primäre<br />

Zuständigkeit der Kantone, blieb trotz allem weitgehend erhalten. Das hiess aber ebenfalls,<br />

dass die Kantone an die Bundesverfassung sowie ihr eigenes Verfassungs- und<br />

Gesetzesrecht gebunden blieben: Die ausserordentlichen Vollmachten des Bundesrates<br />

1379 Beispielsweise im Kanton Zürich pflegte der Kantonsrat (Legislative) in akuten Krisenzeiten in Permanenz zu<br />

tagen.<br />

1380 Die Gefährdung des Landes dürfte 1856 grösser gewesen sein (Kriegsdrohungen und –Vorbereitungen<br />

Preussens wegen des Neuenburger-Konflikts).<br />

1381 Ablehnend GIACOMETTI, Verfassungsrecht und Verfassungspraxis (FG Fleiner [70]), S. 45 – 84 (S. 72 – 76).

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