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Innere Sicherheit Schweiz - Stromversorgungsrecht

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188 Von der Verfassungsrevision bis zum Ersten Weltkrieg (1874 – 1920)<br />

Aussersihl-Krawall (1896) war eine massive Eskalation vorausgesehen worden. Ein Teil<br />

der Bevölkerung lebte gewissermassen unter einer dauerhaften Anspannung, welche sich<br />

schon bei geringem Anlass in der Form von Gewalt äussern konnte (zum Beispiel eben<br />

dem Tod eines elsässischen Scherenschleifers vor dem Aussersihl-Krawall). Eine unbewaffnete<br />

Bundesintervention wäre von Anfang an zum Scheitern verurteilt gewesen.<br />

Sogar die bewaffnete Intervention stiess an ihre Grenzen, weil sich die Entscheidwege<br />

als zu schwerfällig erwiesen. Gleiches galt für den Beizug kantonaler Truppen, welche<br />

zuerst hätten mobilisiert werden müssen. Die fallweise Unterstützung der kantonalen<br />

Polizeikräfte durch zufällig anwesende Truppen in Bundesdienst stiess an rechtliche<br />

Hindernisse und war als solche unzulässig. – Verfassungs- oder Gesetzesrevisionen<br />

blieben jedoch aus.<br />

Die fehlende Möglichkeit einer umfassenden Lagebeurteilung durch den Bundesrat bei<br />

Gefährdungen der inneren <strong>Sicherheit</strong> (Bern, Göschenen, Zürich), respektive der fehlende<br />

Wille zur Einsicht gegenüber äusseren Gefährdungen (Bourbaki-Armee) erwiesen<br />

sich zunehmend als schweres Manko. Die Hinweise auf die Tätigkeiten von Anarchisten<br />

in der <strong>Schweiz</strong>, welche nicht nur über die Kantonsgrenzen, sondern gar über die Landesgrenzen<br />

hinweg operierten, stellten den Bund dann vor enorme Herausforderungen.<br />

Die – falschen – Hinweise auf eine Sprengung des Bundeshauses rüttelten den Bundesrat<br />

wach und führten ihm vor Augen, dass er gegenüber den neuen Herausforderungen<br />

blind war. Der Anarchistenbericht bildete nicht nur die erste Untersuchung über den<br />

Zustand der inneren <strong>Sicherheit</strong> durch eine Bundesbehörde, er belegte auch das Zurückbleiben<br />

mancher Kantone. Nicht nur ein präventiver Staatsschutz des Bundes fehlte, die<br />

kantonalen Behörden erwiesen sich mancherorts als erst recht überfordert 1321 . Anarchistisch<br />

motivierte Verbrechen stellten dogmatisch mehr dar als „gemeine Verbrechen“ mit<br />

einem zusätzlich tangierten Rechtsgut, welches in der öffentlichen <strong>Sicherheit</strong> oder der<br />

Störung einer Amtshandlung des Bundes lag. Die Theorie der Anarchisten beim Wort<br />

nehmend, sahen sich die Gemeinwesen als solche bedroht. Dass die Anarchisten in der<br />

<strong>Schweiz</strong> zwar mit harten Worten – jedoch so gut wie gar nicht mit schrecklichen Taten<br />

kämpften, interessierte wenig; die Bedrohung wurde als abstrakte (und daher als besonders<br />

gravierend) wahrgenommen.<br />

Der ausserordentliche Bundesanwalt Eduard Müller erhellte zwar die Situation in der<br />

<strong>Schweiz</strong>, so gut er dies konnte und traf die nötigen Unterscheidungen und Abgrenzungen<br />

zur Eingrenzung der anarchistischen Bedrohung. Der Bund beschränkte sich darauf, besonders<br />

auffällige Ausländer des Landes zu verweisen, verfiel aber ansonsten wieder in<br />

die übliche Lethargie.<br />

Damit hinkte die <strong>Schweiz</strong> der Entwicklung, vor allem im Vergleich mit Deutschland,<br />

dermassen hinterher, dass das Kaiserreich Agenten in der <strong>Schweiz</strong> tätig werden liess.<br />

Auch dies blieb dem Bund vorerst verborgen. So lastete die Verantwortung für den<br />

Umgang mit agents provocateurs und Spitzeln beispielsweise auf dem Bezirksamtmann<br />

von Rheinfelden (immerhin als Vertreter der kantonalen Autorität) oder den kantonalen<br />

1321 Der Generalanwalt berichtete bekanntlich, dass ihm einige Kantone bei seinen Untersuchungen überhaupt<br />

nicht, andere unvollständig antworteten; in einigen Kantonen wurde der Anarchismus nicht von anderen –<br />

politischen – Strömungen abgegrenzt.

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