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Innere Sicherheit Schweiz - Stromversorgungsrecht

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428 Die Gegenwart (1990 – 2009)<br />

ralklausel sowohl zeitlich als auch von der Sache her 2847 unerwartet erfolgen kann, zeigte<br />

sich im Herbst 2008: Der Bundesrat stützte sich in einer gemeinsamen Aktion mit der<br />

<strong>Schweiz</strong>erischen Nationalbank zur „Rettung der UBS AG“ (der 2008 grössten <strong>Schweiz</strong>er<br />

Bank) ausdrücklich auf die Art. 184 Abs. 3 (Wahrung der Landesinteressen gegenüber<br />

dem Ausland) sowie 185 Abs. 3 BV 2848 . Ohne die genauen Beweggründe, welche die bundesrätlichen<br />

Massnahmen veranlassten, im Detail zu kennen (starker Druck aus dem Ausland?<br />

Angst vor Massenunruhen? Konsequenzen aus dem Zusammenbruch einer „Systembank“?),<br />

wirft dieses Vorgehen – mehr oder weniger an der Bundesversammlung vorbei<br />

2849 – doch verfassungsrechtliche Fragen auf, welche zu gegebener Zeit aufgearbeitet<br />

werden sollten 2850 .<br />

Gestützt auf Art. 185 Abs. 3 steht dem Bundesrat die ausnahmsweise Befugnis zu, ohne<br />

jede formell-gesetzliche Grundlage bestimmte Massnahmen – Notverordnungen oder<br />

Notverfügungen – zu beschliessen. Dabei verlangt die Lehre, teilweise mit gewissen<br />

Nuancen, das Vorliegen von vier strengen Voraussetzungen 2851 :<br />

− Sachlich das Betroffensein von Polizeigütern;<br />

− eine eingetretene oder unmittelbar drohende schwere Gefährdung dieser Polizeigüter (vgl.<br />

auch Art. 36 BV 1999 2852 );<br />

− zeitliche Dringlichkeit – welche auch wieder wegfallen kann (womit dieses Kriterium zu<br />

einem späteren Zeitpunkt als nicht mehr erfüllt gelten würde);<br />

− sowie das Fehlen anderer, geeigneter Massnahmen.<br />

2847 So nennt SÄGESSER, in: Ders. (Hrsg.), Bundesbehörden, Art. 185, Rz. 985 als Beispiele noch „Naturkatastrophen;<br />

soziale Notstände; Epidemien; militärische Bedrohungslagen; schwere Unruhen“. Auch die Beispiele bei SAXER, in:<br />

St. Galler Kommentar, Art. 185, Rz. 47ff. liessen nicht erahnen, dass der Bundesrat dereinst einer Bank würde<br />

helfen müssen, welche sich im U.S.-amerikanischen „Hypothekenmarkt“ verspekuliert hat.<br />

2848 Verordnung über die Rekapitalisierung der UBS AG (vom 15. Oktober 2008), SR 611.055 / AS 2008,<br />

S. 4741f.<br />

2849 Eine nachträgliche Genehmigung der Massnahmen durch die Bundesversammlung mag vorgelagerte Verfahrensfehler<br />

jedenfalls nicht zu rechtfertigen.<br />

M.E. wäre es (wie in den U.S.A.) durchaus möglich gewesen, das Parlament in den Entscheidprozess über die<br />

massive Refinanzierung der UBS mit einzubeziehen. Seit dem 21. September 2008 wusste der Bundesrat um<br />

die drängenden Probleme der Bank; die Ausarbeitung von Notfallszenarien geht sogar ins Jahr 2005 zurück.<br />

Das Parlament hätte spätestens am Wochenende des 11. oder 18. Oktober kurzfristig zu einer ausserordentlichen<br />

Session zusammentreten und den Bundesrat nach einer Grundsatzdebatte wenigstens zum gewählten<br />

Vorgehen ermächtigen können.<br />

Zum Ablauf der Entscheide siehe die NZZ aSo vom 19. Oktober 2008, S. 12 („Die Operation UBS“).<br />

2850 Dabei stellen sich insbesondere Fragen nach möglichen Alternativen zum gewählten Vorgehen sowie zur<br />

staatlichen Intervention überhaupt. Warum – beispielsweise – war es nicht möglich, dass eine (ausländische)<br />

Konkurrentin die UBS – oder zumindest deren <strong>Schweiz</strong>er Geschäftsteil – übernommen hätte, wie es etwa in<br />

den U.S.A. „Fells Fargo“ mit der noch in viel schlechterem Zustand als die UBS befindlichen „Wachovia“ tat?<br />

Vgl. die NZZ vom 9. Oktober 2008, S. 30 („Angeschlagene Wachovia ist begehrt“). Siehe ausserdem die<br />

NZZ vom 3. Januar 2009, S. 21 („Bankübernahmen in den USA besiegelt“) zusätzlich zur Übernahme von<br />

„Merrill Lynch“ und „Countrywide Financial“ durch die „Bank of America“.<br />

2851 Vgl. TSCHANNEN, Staatsrecht, § 46, Rz. 25; BIAGGINI, BV-Kommentar, Art. 185, Rz. 10; HÄFE-<br />

LIN/HALLER/KELLER, Bundesstaatsrecht, Rz. 312; SCHEFER, Beeinträchtigung von Grundrechten, S. 63f.;<br />

SCHELBERT, Bewältigung ausserordentlicher Lagen, S. 198ff.; MARKUS MÜLLER/CHIRSTOPH JENNI, Die polizeiliche<br />

Generalklausel, <strong>Sicherheit</strong> & Recht 1/2008, S. 5 – 33 (S. 13). Aus der Rspr. des BGer etwa BGE 122<br />

IV 258 (E.2a S. 261f.).<br />

2852 Siehe dazu insbesondere SCHEFER, Beeinträchtigung von Grundrechten, S. 61 – 63 (m.w.H. auf Lehre und<br />

Rspr.).

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