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Individualitätsbegriff: Im Mittelpunkt steht die individuelle Entwicklung des einzelnen. Erwachsen<br />

ist jener, der den individuellen Reifeprozess abgeschlossen hat und „in der Lage<br />

ist, für sich selbst und diejenigen, die ihm anvertraut sind, zu sorgen und Verantwortlichkeit<br />

zu tragen“. 8 Die gesellschaftlichen Erwartungen ergeben sich ausschließlich als Konsequenz<br />

dieses Reifekonzeptes: Die persönliche Entwicklung drängt das Individuum zur Erfüllung<br />

gesellschaftlicher Aufgaben und zur Wahrnehmung einer Reproduktionsleistung. Ein Kritikpunkt,<br />

der der Definition von „erwachsen“ als „Entwicklungsschritt“ zugrunde liegt, ist die<br />

implizite Annahme, das Erwachsenwerden sei ausschließlich von Weiterentwicklung und<br />

Entfaltung zusätzlicher Fähigkeiten und bzw. der Gewinnung höherer Erkenntnisse geprägt.<br />

Diese Äußerung stimmt jedoch nur bedingt. Speziell in der Erwachsenenbildung wird deutlich,<br />

dass mit der zunehmenden Entfernung vom Kindheits- und Jugendalter auch der Verlust<br />

der Lernbereitschaft und/oder -fähigkeit zu beklagen ist 9 . Des weiteren lässt sich aufgrund<br />

der vorliegenden Definition keine generelle Aussage zum Zeitpunkt des Erwachsenwerdens<br />

machen; jener wäre bei jedem Menschen durch seine persönlichen, individuell verschiedenen<br />

Entwicklungsschübe bestimmt.<br />

Kombinierter Funktionalitäts- und Individualitätsbegriff: Beide vorgestellten Begriffe<br />

werden zueinander in Beziehung gesetzt. Der Anspruch nach individueller Entwicklung und<br />

Befriedigung gesellschaftlicher Bedürfnissen sollen gleichermaßen verwirklicht und die Interessen<br />

von Gesellschaft und einzelnem in einem harmonischen Verhältnis zueinander stehen.<br />

In der Realität bergen aber gerade diese zwei Blickrichtungen einen unüberwindbaren<br />

Gegensatz: Die Ausrichtung des Individuums auf gesellschaftliche Zwecke widerspricht seiner<br />

persönlichen Entfaltung und führt zur Einengung seiner Persönlichkeit.<br />

Zur entwicklungspsychologischen Abgrenzung hat u.a. ERIKSON einen herausragenden<br />

Beitrag geleistet. Er unterteilt den menschlichen Lebenslauf in acht Phasen, die sich jeweils<br />

auf fünf Ebenen (Psychosoziale Krise, Umkreis der Beziehungspersonen, Elemente der Sozialordnung,<br />

psychosoziale Modalitäten, psychosexuelle Phasen) voneinander unterscheiden.<br />

Ein Eintauchen in die nächste Phase ist nur dann möglich, wenn die Fähigkeiten auf der<br />

vorangegangenen Stufe gefestigt sind. Das Erwachsenenleben besteht insgesamt aus drei<br />

Abschnitten, die durch die zentralen Begriffe „Intimität“, „Generativität“ und „Integrität“ charakterisiert<br />

werden können 10 :<br />

1. Frühes Erwachsenenalter: Dieses zeichnet sich durch eine gelungene Suche nach der<br />

eigenen Identität aus, die eine Voraussetzung für die Intimität, d.h. den Aufbau tiefer Beziehungen<br />

(Ehe, Freundschaften) darstellt. Andernfalls droht eine Isolierung.<br />

2. Erwachsenenalter: Schöpferische Leistungen (Erzeugung/Erziehung der nächsten Generation,<br />

Kreativität, Produktivität), subsumiert unter dem Begriff „Generativität“, kennzeichnen<br />

diese Phase. Ohne eine solche Bereicherung kann das Gefühl von Stillstand und<br />

zwischenmenschlicher Verarmung entstehen.<br />

3. Reifes Erwachsenenalter: Der Mensch hat seinen eigenen, einzigen Lebenszyklus akzeptiert,<br />

fühlt sich zufrieden mit diesem und hat keine Gefühle der Verzweiflung oder Todesfurcht.<br />

Ihn zeichnet eine Integrität (Vollständigkeit) der eigenen Persönlichkeit aus.<br />

So trivial der Ausdruck "erwachsen" daher in unserem Denken ist, so unklar (weil eigentlich<br />

unmöglich) ist eine entsprechende Abgrenzung offensichtlich in der Wissenschaft. Die Komplexität<br />

des Begriffes "Erwachsenenbildung" ist vor diesem Hintergrund nur allzu augenscheinlich.<br />

Wie erwähnt, wird jedoch gerade diese Fragestellung in der Literatur sehr vernachlässigt;<br />

folglich bestehen hierbei auch weit weniger Unstimmigkeiten als bei der Klärung<br />

des Bildungsbegriffes. Denkbar wäre auch, dass der "Erwachsene" in das Selbstverständnis<br />

der Individuen soweit vorgedrungen ist, dass er keiner weiteren Erläuterung bedarf.<br />

8 Lenz, W. (1979), S. 75<br />

9 Vgl. Schulenberg, W. in Ritters, C. (1968), S. 170<br />

10 Vgl. Erikson, E. (1966) in Resl, E. (1990), S. 52 ff. und in Herkner, W. (1992), S. 337 f.<br />

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