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schlägigen 495 beruflichen Qualifikation" definiert wird. In diesem Falle ist lediglich sichergestellt,<br />

dass der Teilnehmer bereits über umfangreiche Berufserfahrung verfügt und enormes<br />

Praxiswissen verfügt (wobei es hier auch einen Unterschied macht, ob jemand der Banken-<br />

oder Versicherungsbranche entstammt; beides wird aber für ein und denselben Lehrgang<br />

anerkannt). Über seine Bildungsbiographie und damit zusammenhängende Kenntnisse ist in<br />

diesem Fall nichts bekannt.<br />

Es ist also durchaus möglich, dass in einem Lehrgang "Finanzdienstleistungen" beschäftigungslose<br />

Akademiker geisteswissenschaftlicher Studienrichtungen neben langjährigen Außendienstmitarbeitern<br />

einer Versicherung zu finden sind, die ihre Karriere mit einer Verkäuferlehre<br />

begonnen haben. Aus- und Weiterbildungskandidaten, Praktiker und Theoretiker,<br />

junge und ältere Teilnehmer (es gibt keine Altersvoraussetzung bzw. ist diese nur implizit<br />

gegeben, durch Studium- oder Berufsvoraussetzung!) sitzen im gleichen Boot. Gemeinsam<br />

ist ihnen nur, dass sie ihr Wissen im Bereich "Finanzdienstleistungen" erweitern wollen.<br />

Wenn man so will, kann man dieses Kriterium als einzig wirkliche "Leitdifferenz" definieren.<br />

Ist damit jegliche vorausschauende Zielgruppenarbeit als Voraussetzung für eine optimale<br />

Wissensvermittlung gescheitet? Fast bin ich geneigt, diese Frage mit "ja" zu beantworten,<br />

denn die Zielgruppe stellt in der Praxis tatsächlich ein unüberwindbares Problem dar. Viele<br />

Folgeprobleme werden dadurch initiiert, wie z.B. die Klagen so manchen Teilnehmers, dass<br />

seine Kenntnisse im Lehrgang nur unzureichend vermehrt wurden (nicht umsonst gab nur<br />

jede 3. Interviewperson an, durch den Lehrgangsbesuch wäre ihr Wissen erweitert worden!).<br />

Dennoch sollen uns diese Befunde nicht veranlassen, ein pessimistisches Bild der vorausschauenden<br />

Bildungsarbeit zu zeichnen. Wir wissen zwar, dass eine Definition der Zielgruppe<br />

auch in Zukunft kaum gelingen kann. Was aber zunächst wie ein tiefschürfendes Manko<br />

wirkt, wird bei näherer Betrachtung eine Bereicherung, die auch von den Studierenden als<br />

solche gewürdigt wird: Gerade die Vielfalt der Lehrgangsteilnehmer und die Unterschiedlichkeit<br />

ihrer Ansichten sind es, was noch lange nach dem Lehrgangsbesuch präsent sind (nämlich<br />

auch dann, wenn das erlernte abrufbare Wissen längst in Vergessenheit geraten ist).<br />

Man spricht in diesem Zusammenhang auch von einem "sleeper-Effekt" 496 . Ich möchte nur<br />

an die Aussage jener Interviewpartnerin erinnern, in der sie sich eingesteht, erst durch die<br />

Konfrontation mit Kollegen anderer Unternehmungen ihr eigenes kritisch hinterfragen konnte.<br />

Ebenso könnte man argumentieren, dass geringere Zunahme an Fachwissen, die der Teilnehmerheterogenität<br />

anzulasten ist, durch jene an fachübergreifendem Wissen kompensiert<br />

wird. Und dass letzteres post hoc ebenso hoch bewertet wird wie inhaltliche Kenntnisse<br />

selbst, beweisen die Interviewbefunde (z.B. wurde von 9 der 23 Probanden das Entwickeln<br />

eines Zeitmanagements positiv hervorgehoben).<br />

9.1.2.2 Teilnehmerorientierung<br />

Die Schwierigkeit einer Teilnehmerorientierung resultiert in direkter Folge aus jener der Zielgruppenarbeit.<br />

Die Teilnehmervoraussetzungen sind vom Referenten grundsätzlich schwer<br />

zu antizipieren, die erforderliche Partizipation scheitert wiederum oft an zeitlichen Engpässen.<br />

Als Konsequenz ergibt sich des öfteren ein Zustand von Über- und Unterforderung des<br />

einen oder anderen Teilnehmers. Ein Anschlusslernen, d.h. Lernen, das an vorhandene Erfahrungen<br />

anknüpft und den Behalteeffekt steigert, wird zwar oft versucht, ist aber aufgrund<br />

der verschiedenen Eingangsvoraussetzungen in heterogenen Gruppen äußerst schwierig zu<br />

verwirklichen (denn wo soll man anschließen, wenn 30 verschiedene Anknüpfungspunkte<br />

gegeben sind?).<br />

495<br />

"Einschlägig" bedeutet, dass die Berufserfahrung in einem Bereich erworben werden muss, der<br />

betreffenden Lehrgang nahe steht.<br />

496<br />

Siebert, H. (1996), S. 113<br />

406

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