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4.2 Das Konzept der kritischen Lebensereignisse<br />

4.2.1 Entwicklung<br />

Im normalen Sprachgebrauch deutet der Begriff „kritisch“ auf etwas Unerwünschtes, Belastendes<br />

hin. Ein „kritisches Lebensereignis“ würde ein psychologischer Laie aber intuitiv nicht<br />

nur negativ besetzen, sondern auch mit etwas Einschneidendem, das Leben tief Beeinflussendem,<br />

verbinden. In der Psychologie ist keines der beiden Deutungsmuster notwendig, um<br />

ein Vorkommnis als „kritisches Lebensereignis“ zu identifizieren. Ganz allgemein könnte man<br />

dieses als Geschehnis bezeichnen, das „..inkonsistent ist mit einem Teil des „Weltbilds“ der<br />

betroffenen Person.“ 40 Daraus folgt, dass einerseits auch solche Ereignisse als „kritisch“ zu<br />

definieren sind, bei denen die entstehende Inkonsistenz nur einen unbedeutenden, nebensächlichen<br />

Teil des Weltbildes betrifft (z.B. schlechte Arbeitsbedingungen, tägliche kleine<br />

Ärgernisse). 41 Andererseits wird deutlich, dass sowohl positive als auch negative Inhalte in<br />

diesem Sinne „kritisch“ sein können (z.B. eine unerwartete Beförderung, Weiterbildung).<br />

HOLMES 42 u.a. fanden heraus, dass eine berufliche, durchaus als vorteilhaft zu verstehende,<br />

Veränderung („Business readjustment“) – sehr wohl als kritisches Lebensereignis gesehen<br />

und von den Betroffenen auf einer Skala sämtlicher kritischer Ereignisse mit dem relativen<br />

Wert von 39 versehen wurde (der höchste Wert – Tod eines Ehepartners – lag bei 100).<br />

Aber auch der Verlust eines Arbeitsplatzes rangierte fast ebenso hoch in der subjektiven<br />

Betroffenheit (47) wie die eigene Heirat (50). Dieser hohe Stellenwert beruflicher Verlustängste<br />

ist für das in der Folge untersuchte Themengebiet insofern auch bedeutsam, als er<br />

z.T. die Motivation zur Weiterbildungsteilnahme zu erklären vermag.<br />

Das Wort „Krise“ (als Substantivum zu „kritisch“) stammt ursprünglich aus dem Griechischen<br />

und bedeutet „Unterscheidung“ bzw. „Entscheidung“. Auch diesen Begriffen kann nicht eindeutig<br />

ein positiver oder negativer Sinngehalt entnommen werden. Prinzipiell ist ihnen ein<br />

neutraler Aussagewert zuzuschreiben, der sowohl in der einen als auch in der anderen Verwendung<br />

gebraucht werden kann. Besonders deutlich wird dies auch in der chinesischen<br />

Übersetzung, indem bei „Krise“ gleichsam von „Gefahr“ als auch von „Gelegenheit“ die Rede<br />

ist. Der Ausdruck „kritisches Lebensereignis“ impliziert offensichtlich eine gewisse Lebensdialektik<br />

in sich und kontrastiert positive und negative Erlebnisse. 43<br />

Die Einsatzmöglichkeiten des Konzepts der kritischen Lebensereignisse sind mittlerweile<br />

recht vielfältig; dies zeigt sich schon anhand der reichhaltigen Veröffentlichungen zu diesem<br />

Thema. Historiker, Soziologen, Psychologen, Politologen und viele andere beschäftigen sich<br />

mittlerweile mit Entstehung bzw. Wirkung von Lebensereignissen und tragen damit zur<br />

Verbreitung dieses Theorems bei. Ausgangsbasis dieses Konzeptes 44 bildetet zunächst aber<br />

der medizinische Bereich, indem man herausfand, dass stressreiche Lebensereignisse Veränderungen<br />

des Gesundheitszustandes bzw. die Krankheitsempfänglichkeit steigern („victimization<br />

hpypothesis“) 45 . Methodisch erwies sich die Entwicklung des „Life Chart“ als bahnbrechendes<br />

Hilfsmittel zur Beschreibung kritischer Einflüsse von Krankheiten auf psychische<br />

und physische menschliche Mechanismen im Lebensverlauf. Übertragen wurde diese Aufzeichnung<br />

der Reaktionsweisen von Personen in Krisensituationen später u.a. auf interne<br />

Änderungsprozesse sozialer und biologischer Art (Ehe, Geburt des Kindes, Krise der Lebensmitte),<br />

äußere Beeinträchtigungen (Kriege, Erdbeben), und vermehrt auf kritische Situationen<br />

in wirtschaftlichen Zusammenhängen.<br />

40 Rosch Inglehart, M. (1988), S. 15<br />

41 Vgl. Rosch Inglehart, M. (1988), S. 14 f.<br />

42 Vgl. Holmes, T.; David, E. (1989), S. 37<br />

43 Vgl. Meueler, E. (1987) in Resl, E. (1990), S. 24<br />

44 Vgl. Holmes, T. und David, E. (1989), S. 3 ff.<br />

45 Dohrenwend, B. (1981) in Dittmann, K. (1991), S. 51<br />

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