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nächst unverständlich, wird doch hier überwiegend "nur" an Wochenenden (Freitag bis<br />

Sonntag) unterrichtet wird. Nach Rücksprache mit den Betroffenen erklärte sich aber auch<br />

dieses Phänomen: Die Hauptarbeitszeit der einbezogenen Finanzdienstleister ist das Wochenende.<br />

Sämtliche Termine werden gemäß den Wünschen der Kunden vereinbart, die<br />

aber wiederum an Werktagen selbst ihrer beruflichen Tätigkeit nachgehen und eher am Wochenende<br />

Zeit finden, mit dem Finanzdienstleister ihre privaten Finanzierungs- und Anlageoptionen<br />

zu besprechen. So gesehen führt der Besuch des (eigentlich als berufsbegleitend<br />

konzipierten) Lehrganges für viele zu einer massiven Beschneidung ihrer terminlichen Möglichkeiten.<br />

Dies führt gleich zum nächsten Minuspunkt: Umsatzeinbußen und Einkommensverlust<br />

- eben als unmittelbare Folge des Arbeitszeitentganges, besonders für jene, die ihrer<br />

Tätigkeit nicht im Angestelltenverhältnis nachgehen (wie bei den Teilnehmern des firmeninternen<br />

Kurses), sondern auf selbstständiger Basis ihr Brot verdienen.<br />

Umgekehrt sind aber auch der abgesicherten Stellung als Angestellter negative Auswüchse<br />

zu entnehmen, wie etwa die begrenzte unternehmensinterne Akzeptanz und Unterstützung<br />

bei dem Kursbesuch. Beschwerden der Mitarbeiter sind leider oft der Regelfall und zeugen<br />

von einem nicht recht durchgängigen Weiterbildungsbewusstsein im Unternehmen. Dieses<br />

dürfte vor allem auf die Unternehmensspitze konzentriert sein und nicht auf die einzelnen<br />

Mitarbeiter bzw. nicht auf jene, die nicht selbst zum Zug gekommen sind und sich lediglich<br />

als Leidtragende der Weiterbildung eines anderen sehen. Die spürbare Missbilligung der<br />

Firmenkollegen wird auch von zwei spannungsgeladenen Personen negativ vermerkt - ein<br />

Faktum, das in das Bild des vermuteten Spannungsträgers "Unternehmenswahl" passt. In<br />

dieselbe Kerbe, nämlich die Identifikation der Unternehmensentscheidung als inkonsistent<br />

mit den Denkinhalten, schlägt der "Druck des Unternehmens, sowohl Umsatz- als auch Bildungserfolge<br />

zu erzielen". So heißt es etwa: "Die (Firma, Anm.) hat die gleiche Leistung verlangt<br />

wie vorher und dadurch, dass ich verantwortlich war für Mitarbeiter, bin ich natürlich<br />

darauf angesprochen worden, warum ich die Ziele nicht erreiche usw." 405 oder an anderer<br />

Stelle "..weil ja doch ein bestimmter Druck da ist, nachdem die Firma die Kosten übernimmt<br />

und man da doch einem gewissen Erfolgszwang unterliegt, ganz speziell, weil ich halt im<br />

Zentralvertrieb war, direkt unter dem Vorstand, der das organisiert hat und doch auch unter<br />

bestimmter Beobachtung gestanden bin.." 406<br />

Als kleineres Übel innerhalb des - insgesamt freilich belastenden - Komplexes "Doppelbelastung"<br />

wird hingegen die Tatsache erwähnt, dass der Beruf quasi in den Unterricht mitgenommen<br />

wurden. Nur eine Person sah sich mit diesem Problem des "Nicht-Abschaltens"<br />

konfrontiert - ein Indiz dafür, dass die Kursteilnahme tatsächlich in den meisten Fällen eine<br />

Abwechslung vom Alltag bedeutet und ermöglicht, den beruflichen Ballast zumindest für drei<br />

Tage beiseite zu schieben.<br />

Dass dennoch die Doppelbelastung immer schlimmer wurde, mussten zumindest vier Personen<br />

am eigenen Leib verspüren. Der Teufelskreis Kursteilnahme � Arbeitszeitverlust �<br />

Umsatzeinbußen mit der Diskrepanz zwischen dem Muss, mehr zu arbeiten (um<br />

Einkommensverluste abzufedern) und der Unmöglichkeit, trotz aller Anstrengung<br />

arbeitszeitliche Verknappung auszugleichen, bedingt besonders bei selbstständigen<br />

Finanzdienstleistern des offenen Kurses massive Belastungszustände. Umso<br />

bewundernswerter ist die Tatsache, dass dies nur bei zwei Teilnehmern definitiv zu einer<br />

unverhältnismäßigen Zuspitzung der Gesamtsituation geführt hat - wir erinnern uns an<br />

vorigen Abschnitt 407 , in der in 15 Fällen von einem "Einpendeln" bei der Kursbewältigung die<br />

Rede war.<br />

Das dürfte wiederum darin begründet sein, dass Stress - vor allem in zeitlicher Hinsicht -<br />

keine unbekannte Größe ist, sondern den Beruf des Finanzdienstleisters geradezu prägt.<br />

405 Ausschnitt aus dem Interview mit Code "Tschin-Tschin"<br />

406 Ausschnitt aus dem Interview mit Code "Tulln"<br />

407 Vgl. Abschnitt 7.2.3.2.1.1.1, S. 305<br />

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