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Scheren-, sondern Ausgleichsfunktion ist der unumstößliche Verdienst des Erwachsenenlernens,<br />

der uns auch hier bestätigt wird. Wissen, das zu lernen in der Grundausbildung versäumt<br />

wurde, kann durch das Ergreifen von Bildungsoffensiven als Erwachsener erworben<br />

werden, um schlussendlich dasselbe Wissensniveau zu erreichen, als hätte man den Ausbildungsweg<br />

von vorneweg anders - länger und intensiver - gestaltet.<br />

Recht treffend beschreibt ein Teilnehmer seine Aufholjagd mittels "Weiterbildung" und die<br />

Möglichkeit, seinen Kindern als lebendes Beispiel dafür zu dienen, dass er den mühsameren<br />

Weg zum Wissenserwerb beschritten hat: "Ich kann mit den Kindern ganz anders reden, ich<br />

kann sagen, gut, schaut's her, es gibt die Möglichkeit, entweder ihr lernt's jetzt oder die Ausbildung<br />

zieht sich durch das ganze Leben. Das, was sowieso der Fall ist. Aber trotzdem, für<br />

bestimmte Abschnitte ist es besser, wenn man das in der Jugend fertig macht." 340<br />

Weiterbildung versteht sich in den Augen der Studierenden somit als Mittel, Versäumtes<br />

nachzuholen und Fehler der Vergangenheit (nämlich dem Lernen frühzeitig den Rücken zugekehrt<br />

zu haben) auszugleichen. Und dennoch sind diese und andere rationale Überlegungen<br />

(vgl. nächster Abschnitt) nicht der einzige Grund für die Weiterbildungsmaßnahme. Abgesehen<br />

von Chance, im Wissensstand an jene Personen anzuschließen, die als Jugendlicher<br />

eine höhere Ausbildung, z.B. ein Studium, hinter sich gebracht haben, ermöglicht die<br />

Kompensation von Aus- durch Weiterbildung aber noch die Befriedigung eines anderen,<br />

ganz persönlichen Faktors: des gekränkten Stolzes oder - wenn man so will - des verletzten<br />

Egos. Oftmals wurde in den Interviews die "verpasste Chance" angesprochen, die Ausbildung<br />

so weit zu beenden, wie es - rein intellektuell - möglich gewesen wäre, was durch die<br />

eigene Ablehnung gegenüber Lernen und Schulzeit allgemein aber verhindert wurde. Weniger<br />

das nicht vorhandene Wissen, sondern die unbefriedigte Persönlichkeit bildet in diesem<br />

Fall die Triebfeder für eine Bildungsoffensive. Wenn man bedenkt, dass über die Hälfte der<br />

interviewten Teilnehmer der Aussage zustimmen, Weiterbildung wäre eine Kompensation für<br />

nicht absolvierte Schul- oder Studienjahre, dann wohl für viele auch aus dem Grund, dass<br />

diesem unterlassenen Bildungsweg aus persönlichen Motiven nachgetrauert wird, nach dem<br />

Motto "Es ärgert mich sicher, dass ich mein Studium verschlafen hab. Das ist es. Also aus<br />

dem Grund heraus.. das ist sicher eine Triebfeder von mir, überhaupt das Ding (den Lehrgang,<br />

Anm.) zu machen." 341<br />

Zu dem persönlichen Ärgernis, den "verpatzen" Bildungsweg selbst verschuldet zu haben,<br />

gesellt sich außerdem noch die Erkenntnis, dass andere Personen in derselben Zeitspanne,<br />

jedoch versehen mit entsprechender Grundausbildung, die Karriereleiter schon weiter erklommen<br />

haben - auch wenn deren tatsächliche Qualifikation der eigenen vielleicht nachsteht.<br />

Dazu ein Zitat: "Und mit der Zeit hab ich dann natürlich auch erkannt, dass da zusätzliche<br />

Ausbildungen einfach notwendig sind, weil doch hinten nach jene Magister kommen, die<br />

mir mit ihrer Ausbildung (...) dann doch oft über einen d'rüber gesetzt worden sind. Und obwohl<br />

sie oft weit weniger Fachwissen hatten als ich selbst." 342 Ebenso berichtet ein anderer<br />

Studierender, dass er mit 23 Jahren eine Sponsionseinladung eines ehemaligen (nicht besonders<br />

begabten) Klassenkollegen bekommen hat. Seinen Unmut drückt der durch folgende<br />

Worte aus "Damals hab ich gedacht 'Diese Pfeife bringt es zum Magister, und was bin<br />

ich?!' Ich war eigentlich immer ein guter Schüler und hab eigentlich weniger erreicht als so<br />

manche Versager". Dieses Erlebnis wurde zu einer Art "Schlüsselerlebnis"; seit damals versucht<br />

dieser Herr, sich fortwährend weiterzubilden. 343<br />

Bemerkenswert ist nicht nur, wie sehr dieses Ärgernis in den Köpfen mancher Teilnehmer<br />

präsent ist, sondern auch, dass es sich en im Laufe der Zeit eher zu verstärken denn aufzulösen<br />

scheint:<br />

340 Ausschnitt aus dem Interview mit dem Code "Pezi"<br />

341 Ausschnitt aus dem Interview mit Code "Null"<br />

342 Ausschnitt aus dem Interview mit Code "Tulln"<br />

343 Ausschnitt aus dem Interview mit Code "Harley"<br />

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