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Darüber hinaus gelten aber auch andere – implizit durch das Gebot „Gegenstandsorientierung“
gegebene – Charakteristika in Forschungsablauf, -methodik und –interaktion als bezeichnend
für qualitative Forschungsideologie 128 :
Forschungsablauf
1. Mit qualitativem Denken untrennbar verbunden ist die Forderung nach „Offenheit“, insbesondere
gegenüber Forschungsfrage und –struktur. Erstere bedeutet – wie bereits angesprochen
– einen uneingeschränkten Zugang zum Themenfeld, der durch induktives
Forschungsvorgehen gesichert werden soll. A-priori-Hypothesenformulierungen, die
den Blickwinkel des Forschers von vornherein in eine bestimmte Richtung drängen, sind
demnach zu vermeiden. Dies schließt jedoch nicht aus, dass am Beginn des Forschungsprozesses
eine oder mehrere Forschungsfrage(n) und/oder implizite Theorien
aufgrund von Alltagsbeobachtungen formuliert werden. Lediglich die a-priori-Bildung von
Hypothesen im Sinne von konkreten „Wenn-Dann“-Aussagen, die im weiteren überprüft
werden, ist aus qualitativer Sicht abzulehnen. Um Raum für die Relevanzsysteme der
Untersuchungssubjekte zu lassen und Auffassungen des Forschers über die Wertigkeit
des einen oder anderen Sachverhaltes zurückzudrängen, ist somit einer Hypothesenprüfung
zugunsten einer Theorie- und Hypothesengenerierung eine Absage zu erteilen. Insgesamt
lassen sich aus diesem Vorgehen innovativere Erkenntnisse erwarten als bei
Festlegung auf bestimmte Hypothesen.
2. Offenheit der Forschungsstruktur als eines der wesentlichsten Kennzeichen qualitativer
Sozialforschung bedeutet die Aufhebung der chronologischen Abfolge von Entdeckungs-,
Begründungs- und Verwertungszusammenhang 129 . Im Gegensatz zur quantitativen Ausrichtung,
in der nicht nur strikt zwischen den einzelnen Phasen unterschieden wird, sondern
auch eine Einhaltung dieses „Dreischritts“ zwingend ist, finden sich in der qualitativen
Vorgehensweise roulierende Prozesse und Rückkoppelungsvorgänge. Alle drei
Phasen verlaufen im Forschungsprozess parallel zueinander, was wiederum der Forderung
nach „Reflexivität“ 130 qualitativer Sozialforschung entspricht. Dies ermöglicht eine
u.a. laufende Modifikation des angewandten Instrumentariums aufgrund der bereits gewonnen
Erkenntnisse und bietet überdies die Gelegenheit, aktuelle Daten in den Forschungsvorgang
einfließen zu lassen. Dadurch können während des Untersuchungsprozesses
Zusammenhänge und Sachverhalte aufgedeckt werden, die von vornherein nicht
berücksichtigt wurden, und die inhaltliche Ausrichtung des Forschungsprozesses erheblich
mitbestimmt bzw. verändert werden.
Forschungsmethodik
1. Entgegen der weit verbreiteten Auffassung bilden qualitatives und quantitatives Forschungsinstrumentarium
keinen unüberwindbaren Gegensatz, sondern ergänzen einander.
Gerade die qualitative Forschungsausrichtung erfordert eine uneingeschränkte Anwendung
all jener Instrumente, die der Erfassung des Forschungsfeldes zuträglich sind.
Demnach ist das methodische Repertoire nicht auf qualitative Werkzeuge (wie z.B. Interviewtechnik,
Beobachtung) beschränkt, sondern erlaubt auch klassische quantitative Instrumente
(z.B. statistische Auswertung eines Fragebogens), wenn sie sich für die Erkundung
des Gegenstandes als zweckmäßig erweisen. Das o. a. Prinzip der „Offenheit“
ist damit auch im Bereich der Forschungsmethodik anzutreffen und verlangt nach einem
vielfältigen Instrumentarium qualitativer und/oder quantitativer Art.
2. Qualitatives Vorgehen bedeutet nicht nur Methodenreichtum, sondern auch Methodenflexibilität.
Diese Forderung verzichtet auf den Einsatz starrer Instrumente und erlaubt
128
Vgl. Greimel, B. (1998), S. 75 ff. sowie Atteslander, P. (2000), S. 78 f.
129
Vgl. Abschnitt 5.3, S. 61 ff.
130
Atteslander, P. (2000), S. 78
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