2 management - School of International Business and ...

535 Die Attraktivität von Unsicherheit
feld, die schwer vorhersehbar sind und durch politische Veränderungen hervorgerufen werden.
Nach Brouthers [1995] wird politisches Risiko durch die Unsicherheit über politische Stabilität und
in Phasen politischer Unruhen determiniert. West [1996] sieht in politischem Risiko die »Wahr-
scheinlichkeit des Auftretens eines politischen Ereignisses, das die Profitabilitätsperspektiven
eines [..] Investments verändert« [West 1996, S. 6]. Zusammenfassend wird politisches Risiko
daher in dieser Arbeit als Risiko verstanden, das aus der Unsicherheit im gesamten politischen
(nicht-marktlichen) Umfeld resultiert. Wie bei anderen Formen von Unsicherheit kann jedoch
auch politische Unsicherheit, neben Verlusten, Gewinne hervorbringen [Robock 1971, S. 7]. In
Anlehnung an den Bezugsrahmen in vorliegender Arbeit wird auf die Definition von Miller [1992]
verwiesen: »politische Unsicherheit spiegelt die Gefährdungen und Chancen wieder, die mit po-
tentiellen oder aktuellen Veränderungen im politischen System verbunden sind« [Miller 1992,
S. 313].
Politik und individuelles Macht- sowie Kontrollstreben von Entscheidungsträgern können lokale
Marktbedingungen maßgeblich beeinflussen. DIe daraus resultierende Unsicherheit kann hier-
bei sowohl einheimische als auch ausländische Unternehmen unter enormen Druck setzen. Die
Verhaftung des Yukos-Vorstandsvorsitzenden Michail Chodorkowskij und das damit verbundene
Vorgehen der russischen Entscheidungsträger ist beispielhaft für einen politisch motivierten Ein-
griff des Staates in die Unternehmenstätigkeit [Kusznir 2005, Luchterhandt 2005, Ludwig 2005,
Mommsen/Nussberger 2009]. Chodorkowskij unterstützte liberale Kräfte in Russland, verdäch-
tigte den Kreml öffentlich der Korruption und demzufolge auch den neu gewählten Präsiden-
ten Putin. 2005 wurde er wegen Steuerhinterziehung, planmäßigen Betrugs sowie Bildung einer
kriminellen Vereinigung zu acht Jahren Haft verurteilt. Hinter diesem Vorgehen der russischen
Führung wurden einerseits die Ausschaltung des politischen Gegners Chodorkowskij und an-
dererseits die Zerschlagung des Yukos-Konzerns vermutet, um »einen vom Staat kontrollierten
Superkonzern der Energiebranche zu schmieden« [Ludwig 2005, o.S.] auf dessen Ressourcen
politisch zurückgegriffen werden könne. Dieser Fall erscheint auf den ersten Blick ausschließ-
lich innenpolitisch motiviert, beziehungsweise personenbezogen. Infolgedessen legte aber z. B.
der amerikanische Ölkonzern ChevronTexaco die Investitionspläne für Russland nieder [Pleines
2005]. Der von Medwedjew vor seinem Amtsantritt beklagte ‚Rechtsnihilismus‘ in Russland [Hel-
ler 2008, Luchterhandt 2005] und die daraus resultierende politische Unsicherheit schien dem-
nach die Investitionsabsichten ausländischer Unternehmen maßgeblich zu beeinflussen.
Auch regionale Konflikte innerhalb eines Landes oder Konflikte zwischen benachbarten Ländern
können Quellen der Unsicherheit für ausländische Unternehmen darstellen. Gründe für derartige
Konflikte können beispielsweise in einer intra-nationalen Diversität hinsichtlich Ethnien und/oder
Sprachen begründet sein und in soziale Unruhen oder politische Konflikte münden. Seit mittler-
weile 25 Jahren existiert etwa der Konflikt zwischen der Türkei und Anhängern der Arbeiterpartei
Kurdistans (PKK). Auf der einen Seite zielen Separatisten auf die Bildung eines autonomen kurdi-
schen Staates ab, auf der Gegenseite gibt es Militäroperationen, um die Organisation zu zerstö-
ren. Aus Sicht von Ankara würde ein kurdischer Staat an türkischer Grenze eine separatistische