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Psychiatrie und Strafjustiz

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6.1 Die allgemeine Entwicklung der Begutachtungen<br />

Zwischen 1885 <strong>und</strong> 1920 erstellten die Psychiater der drei Berner Irrenanstalten insgesamt 817 Gutachten<br />

in Straffällen. 136 davon betrafen Frauen (16,7%). 713 Grafik 1 zeigt die Verteilung dieser Gutachten auf<br />

die einzelnen Jahre.<br />

Grafik 1: Strafrechtliche Gutachten der Berner Irrenanstalten 1885–1920<br />

Gutachten<br />

70<br />

60<br />

50<br />

40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

0<br />

1885<br />

1887<br />

1889<br />

1891<br />

1893<br />

1895<br />

1897<br />

1899<br />

1901<br />

1903<br />

1905<br />

1907<br />

1909<br />

1911<br />

1913<br />

1915<br />

1917<br />

1919<br />

Jahre<br />

Waldau Münsingen Bellelay<br />

Auffallend sind zunächst die jährlichen Schwankungen. So weisen die Jahre 1904, 1905, 1908 <strong>und</strong> 1919<br />

augenfällige Spitzenwerte auf. Dennoch lässt sich über den ganzen Untersuchungszeitraum hinweg ein<br />

schubweise verlaufender Anstieg der Gutachtenzahlen feststellen. Bis 1892 blieb die jährliche Zahl der<br />

Gutachten durchwegs unter 15. Nach 1902 fiel sie nicht mehr unter 20. Nach 1917 wurde die jährliche<br />

Anzahl von 40 Gutachten deutlich überschritten. Zu Beginn des Untersuchungszeitraums (1886–1890)<br />

erstellten die Ärzte die Waldau jährlich acht strafrechtliche Gutachten. In den folgenden beiden Fünfjah-<br />

resperioden (1891–1895 <strong>und</strong> 1896–1900) gaben die Berner Psychiater im Schnitt r<strong>und</strong> 14 Gutachten pro<br />

Jahr ab. In den nächsten drei Fünfjahresperioden (1901–1915) lag dieser Durchschnitt konstant bei 26<br />

Gutachten pro Jahr. In der letzten Fünfjahresperiode (1916–1920) erhöhte sich die Zahl der jährlichen<br />

Gutachten auf knapp 47. Damit erreichte die Gutachtertätigkeit der Berner Psychiater weitgehend das<br />

Niveau der folgenden Zwischenkriegszeit. 714 Anhand dieser Zahlen lassen sich drei expansive Schübe der<br />

forensisch-psychiatrischen Praxis ausmachen. Ein erster solcher erfolgte in der ersten Hälfte der 1890er<br />

Jahren, ein zweiter in den ersten fünf Jahren nach der Jahrh<strong>und</strong>ertwende <strong>und</strong> ein dritter schliesslich in den<br />

beiden letzten Kriegs- <strong>und</strong> den ersten Nachkriegsjahren. Nach 1900 nahmen vor allem die Gutachten der<br />

1895 eröffneten Anstalt Münsingen deutlich zu. Die Gutachtertätigkeit der Psychiater aus Münsingen<br />

übertraf in den beiden folgenden Jahrzehnten meist diejenige ihrer Kollegen aus der Waldau. Das Beispiel<br />

Münsingens verdeutlicht somit, wie die allgemeine Zunahme der forensisch-psychiatrischen Praxis mit<br />

dem Ausbau der psychiatrischen Infrastruktur im Kanton Bern einherging. Die Anstalt Bellelay spielte<br />

713 Der effektive Frauenanteil dürfte geringfügig höher sein, da Münsingen die Gutachten für das Jahr 1917 nicht nach Geschlecht<br />

aufgeschlüsselt hat.<br />

714 1921–1925: 42 Gutachten/Jahr; 1926–1930: 51 Gutachten/Jahr; 1931–1934: 56 Gutachten/Jahr.<br />

157

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