Amtliches Bulletin der Bundesversammlung Bulletin officiel de l ...
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Gestion du Conseil fédéral 1030 N 5 juin 1997<br />
Sozialversicherungen und <strong><strong>de</strong>r</strong> Sozialfürsorge hin. Wenn wir<br />
mit <strong>de</strong>m heutigen System unverän<strong><strong>de</strong>r</strong>t weiterfahren wür<strong>de</strong>n,<br />
müssten wir im Vergleich zu <strong>de</strong>n heutigen rund 32 Lohnprozenten<br />
dannzumal im schlechtesten Fall gegen 50 Lohnprozente<br />
erheben.<br />
Mit anhalten<strong>de</strong>m Strukturanpassungsdruck, mit zunehmen<strong>de</strong>m<br />
Druck auf die Löhne wegen internationalem Wettbewerb,<br />
mit Auslagerungen sowie mit immer mehr Rentnerinnen<br />
und Rentnern und Erwerbslosen auf <strong><strong>de</strong>r</strong> einen und immer<br />
weniger Erwerbstätigen auf <strong><strong>de</strong>r</strong> an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Seite fallen wir<br />
immer tiefer in die Krise. «Hilfe, <strong><strong>de</strong>r</strong> Mensch rentiert nicht<br />
mehr!» – so umschrieb es Stän<strong><strong>de</strong>r</strong>at Andreas Iten einmal in<br />
einer Kolumne in <strong><strong>de</strong>r</strong> «Neuen Luzerner Zeitung».<br />
Die Finanzierung aus Lohnprozenten sollte <strong>de</strong>shalb eher abgebaut<br />
wer<strong>de</strong>n, und es sollte diesbezüglich nach alternativen<br />
Einnahmen gesucht wer<strong>de</strong>n. Getreu <strong>de</strong>m Subsidiaritätsprinzip<br />
sollte man die Leistungsseite überprüfen und <strong>de</strong>n Druck<br />
auf Missbräuche verstärken. Ohne das Prinzip <strong><strong>de</strong>r</strong> Opfersymmetrie,<br />
die Leistungsseite und die Einnahmeseite unter<br />
die Lupe zu nehmen, wird das System nicht ins Lot zu bringen<br />
sein.<br />
Bun<strong>de</strong>srat und Parlament sind gefor<strong><strong>de</strong>r</strong>t, die Versäumnisse<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> vergangenen Jahre zur Verhin<strong><strong>de</strong>r</strong>ung einer unerwünschten<br />
Entwicklung rasch und ohne Verzug nachzuholen. Die<br />
Politik aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Zeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Schönwetterlage ist zu verlassen. Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Exekutive und <strong>de</strong>s Parlamentes dürfen ihre Politik<br />
nicht bloss auf das Ziel, wie<strong><strong>de</strong>r</strong>gewählt zu wer<strong>de</strong>n, ausrichten.<br />
Die Verwaltung darf sich nicht weiter an wohlerworbene<br />
Pfrün<strong>de</strong>n klammern. Sie muss ihre Hilfe zur Überbrückung<br />
dieser schwierigen Zeit anbieten und verstärken.<br />
Offenheit für neue Wege, Risikobereitschaft, innovative Vorschläge<br />
und Reformen sind bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Lösung dieser Probleme<br />
gefragt. Ansonsten drohen uns in diesem Land soziale Spannungen<br />
und ein Chaos. Das will niemand von uns.<br />
In einer Zeit, in <strong><strong>de</strong>r</strong> heftige Umverteilungskämpfe ausgetragen<br />
wer<strong>de</strong>n, sind Korrekturen vorzunehmen, welche vom gesamten<br />
Volk mitgetragen wer<strong>de</strong>n. Ein solcher Prozess<br />
braucht genügend Zeit, und es besteht Erklärungsbedarf, damit<br />
sich unser Volk mit <strong><strong>de</strong>r</strong> neuen Situation auseinan<strong><strong>de</strong>r</strong>setzen<br />
kann, damit es dafür motiviert wird und damit diese Korrekturen<br />
letztlich auch basisverträglich umgesetzt wer<strong>de</strong>n<br />
können.<br />
Auch Kantone, die sich in «Schieflage» befin<strong>de</strong>n, zeigen Mut<br />
und haben gewaltige Reformprojekte angepackt; ich <strong>de</strong>nke<br />
z. B. an <strong>de</strong>n Kanton Luzern, <strong><strong>de</strong>r</strong> zur Effizienzsteigerung mit<br />
seiner Gemein<strong>de</strong>- und Verwaltungsreform die Hälfte <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemein<strong>de</strong>n<br />
zusammenlegen will.<br />
Trotz Risiken und Rückschlägen wünschte ich mir in diesem<br />
Parlament etwas mehr Mut zu Gemeinsamkeiten und zu Verän<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen.<br />
Es bleibt uns lei<strong><strong>de</strong>r</strong> nicht mehr viel Zeit zu han<strong>de</strong>ln.<br />
Hasler Ernst (V, AG): Die SVP-Fraktion nimmt vom Geschäftsbericht<br />
in zustimmen<strong>de</strong>m Sinne Kenntnis. Die neue<br />
Form <strong><strong>de</strong>r</strong> Berichterstattung ist gegenüber früher, mit <strong>de</strong>n<br />
zweihun<strong><strong>de</strong>r</strong>t- bis dreihun<strong><strong>de</strong>r</strong>tseitigen Berichten, wesentlich<br />
gestrafft und somit lesbarer. Der Überblick wird verbessert.<br />
Die Setzung von Schwerpunkten und <strong><strong>de</strong>r</strong> Vergleich mit <strong>de</strong>n<br />
Zielsetzungen erlauben eine bessere Soll-Ist-Analyse. Damit<br />
kommen Mängel in <strong><strong>de</strong>r</strong> Zielerreichung und Koordinationsprobleme<br />
besser zum Vorschein.<br />
Gleichzeitig stellen wir aber fest, dass auf Seite 61 <strong>de</strong>s «roten»<br />
Berichtes einiges zu Diskussionen Anlass gibt. Fast alles<br />
scheint realisiert zu sein. Der Bun<strong>de</strong>srat wur<strong>de</strong> in diesem<br />
Zusammenhang aufgefor<strong><strong>de</strong>r</strong>t, zu dieser Analyse von seiner<br />
Seite Stellung zu nehmen. Es ist nach unserer Auffassung<br />
eine zu grosszügige Beurteilung. Wenn bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Mutterschaftsversicherung<br />
«teilweise realisiert» steht, so ergeben<br />
sich für uns Fragen zur Kontrolle und Oberaufsicht.<br />
Die SVP-Fraktion will mithelfen, die Wirksamkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Oberaufsicht<br />
zu verbessern. Dazu gehört auch eine bessere Koordination<br />
zwischen <strong><strong>de</strong>r</strong> GPK und <strong><strong>de</strong>r</strong> Finanzkommission und<br />
zwischen Stän<strong><strong>de</strong>r</strong>at und Nationalrat. Wenn Sie so wollen, haben<br />
wir bisher mehr eine «Schönwetteraufsicht» gehabt. Bei<br />
knapper wer<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Ressourcen braucht es effizientere, angepasstere<br />
Instrumente. Dies wird auch im Rahmen <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>sverfassungsreform<br />
ein Thema sein. Gemeinsame Ziele<br />
zwischen Bun<strong>de</strong>srat und Parlament, aber auch <strong><strong>de</strong>r</strong> Verwaltung<br />
müssen eine optimale Aufgabenerfüllung bei raschen<br />
Verän<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen erbringen. Gutgemeinte Feststellungen im<br />
Rückblick sind heute oftmals bereits bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Berichterstattung<br />
überholt.<br />
Im finanziellen Bereich – da wird in dieser Session die Staatsrechnung<br />
1996 behan<strong>de</strong>lt – wer<strong>de</strong>n wir wie<strong><strong>de</strong>r</strong> verschie<strong>de</strong>ne<br />
Klagelie<strong><strong>de</strong>r</strong> hören; verän<strong><strong>de</strong>r</strong>n können wir aber nichts mehr.<br />
Heute wür<strong>de</strong> es eine laufen<strong>de</strong>, vorausschauen<strong>de</strong>, enge Finanzplanung<br />
bedingen. Sofern <strong><strong>de</strong>r</strong> Wille aufgebracht wer<strong>de</strong>n<br />
könnte, müssten sich min<strong>de</strong>stens die Regierungsparteien<br />
laufend auf verän<strong><strong>de</strong>r</strong>te Prioritäten festlegen, angepasst an<br />
die sich verän<strong><strong>de</strong>r</strong>n<strong>de</strong>n Einnahmen – also eine vorausschauen<strong>de</strong><br />
Kontrolle.<br />
Weil das wohl Wunsch<strong>de</strong>nken bleibt, soll offenbar die Schul<strong>de</strong>nbremse<br />
diese Probleme lösen. Das ganze Unbehagen<br />
über die Wirkung unserer Arbeit kam auch bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Diskussion<br />
mit <strong>de</strong>n Bun<strong>de</strong>sräten zum Ausdruck. Wie es bereits <strong><strong>de</strong>r</strong> Präsi<strong>de</strong>nt<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Kommission feststellte, war für uns die Einheitlichkeit<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Aussagen <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>sräte über die Regierungstätigkeit<br />
überraschend. Unser Regierungssystem wur<strong>de</strong> als gut<br />
bezeichnet, auch im Vergleich mit an<strong><strong>de</strong>r</strong>en. Bei <strong>de</strong>n Bun<strong>de</strong>sräten<br />
kam eine starke Überbelastung durch Kleinkram, durch<br />
öffentliche Verpflichtungen usw. zum Ausdruck.<br />
Eine Aussage scheint wohl zutreffend zu sein: In <strong><strong>de</strong>r</strong> heutigen,<br />
pluralistischen Gesellschaft mit unserer Konkordanz<strong>de</strong>mokratie<br />
und einem sich verschlechtern<strong>de</strong>n Finanzhaushalt<br />
wird das Regieren immer schwieriger, fast unmöglich. Diese<br />
Aussage <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>sräte und das, was wir selber in <strong><strong>de</strong>r</strong> Politik<br />
erleben, <strong>de</strong>cken sich. Es ist eine gewisse Ohnmacht festzustellen.<br />
In diesem Sinne nimmt die SVP-Fraktion Kenntnis vom Bericht<br />
und dankt <strong>de</strong>m Bun<strong>de</strong>srat und <strong><strong>de</strong>r</strong> Verwaltung. Wir stellen<br />
fest, dass auch im vergangenen Jahr sehr viel gemacht<br />
wur<strong>de</strong>.<br />
Zum Abschluss möchten wir aber noch eine Feststellung anfügen:<br />
Wenn man die Bilanz En<strong>de</strong> 1996 im Geschäftsbericht<br />
über die Aufgabenerfüllung anschaut, so ergibt sich, wie bereits<br />
gesagt, ein überaus optimistisches Bild. Fast alles<br />
scheint realisiert zu sein. Vor allem aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Binnenwirtschaft<br />
wissen wir aber, dass sich <strong><strong>de</strong>r</strong> verän<strong><strong>de</strong>r</strong>te Markt immer stärker<br />
auswirkt: Gewerbe, Landwirtschaft und an<strong><strong>de</strong>r</strong>e Bereiche<br />
kommen immer stärker unter Druck. Da helfen uns natürlich<br />
die saloppen Aussagen von Herrn Gysin über Milliar<strong>de</strong>ngewinne<br />
nicht weiter, im Gegenteil: Wir müssen feststellen,<br />
dass die Belastungen durch die Sozialversicherungen, durch<br />
weitere Abgaben und Auflagen laufend zunehmen.<br />
Zur Lösung <strong>de</strong>s Problems <strong>de</strong>s Auseinan<strong><strong>de</strong>r</strong>driftens von Privatwirtschaft,<br />
vor allem <strong><strong>de</strong>r</strong> Binnenwirtschaft, und staatlichen<br />
Bereichen gibt <strong><strong>de</strong>r</strong> Geschäftsbericht wenig her. Diese Entwicklung<br />
aber müssen wir verstärkt beachten und in unsere<br />
Arbeit einbin<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>nn wir müssen zur Kenntnis nehmen,<br />
dass die Frustration in unseren mittelständischen Strukturen<br />
zunimmt. Unsere hektische politische Arbeit mit Beschlüssen,<br />
wie wir sie gestern im Zusammenhang mit <strong>de</strong>m Energiegesetz<br />
gefasst haben, för<strong><strong>de</strong>r</strong>n das Vertrauen auf keinen Fall.<br />
Es ist uns ein grosses Anliegen, dass bei <strong>de</strong>n politischen Entschei<strong>de</strong>n<br />
vermehrt auf unsere kleinstrukturierte Wirtschaft<br />
Rücksicht genommen wird.<br />
Gross Andreas (S, ZH): Ich möchte dieser Diskussion über<br />
die Beurteilung <strong><strong>de</strong>r</strong> Regierungstätigkeit zwei Überlegungen<br />
voranstellen.<br />
1. Ein Zitat <strong><strong>de</strong>r</strong> Lieblingsschriftstellerin von Max Frisch, Ingeborg<br />
Bachmann, besagt, dass es heute viel schwieriger, aber<br />
auch viel wichtiger sei, <strong>de</strong>n Mut vor <strong>de</strong>n Freun<strong>de</strong>n aufzubringen<br />
als <strong>de</strong>n Mut vor <strong>de</strong>n sogenannten Fein<strong>de</strong>n. Je<strong><strong>de</strong>r</strong> einzelne<br />
Bun<strong>de</strong>srat hat ja viele Freun<strong>de</strong> hier – zusammen haben<br />
sie wohl viele –, aber je<strong><strong>de</strong>r</strong> einzelne auf je<strong>de</strong>n Fall. Das an<strong><strong>de</strong>r</strong>e,<br />
was dazu gehört, ist folgen<strong>de</strong>s: Wer wirklich etwas gern<br />
hat, <strong><strong>de</strong>r</strong> hält mit seiner Kritik nicht hinter <strong>de</strong>m Berg. Kritik ist<br />
<strong>Bulletin</strong> <strong>officiel</strong> <strong>de</strong> l’Assemblée fédérale