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Amtliches Bulletin der Bundesversammlung Bulletin officiel de l ...

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16. Juni 1997 N 1225 Asylgesetz und Anag. Än<strong><strong>de</strong>r</strong>ung<br />

kannt, dass <strong><strong>de</strong>r</strong> Europäische Gerichtshof für Menschenrechte<br />

entschie<strong>de</strong>n und klargestellt hat, dass wir unsere Gesetzesbestimmungen<br />

an<strong><strong>de</strong>r</strong>s gestalten müssen, um EMRKkonform<br />

zu sein. Sonst wären wir vielleicht um ein Haar «neben<br />

<strong>de</strong>n Schuhen» gestan<strong>de</strong>n, um es ein wenig salopp zu<br />

sagen. Es wäre schlimmer gewesen, wenn wir etwas verabschie<strong>de</strong>t<br />

hätten, das nicht EMRK-konform gewesen wäre.<br />

Die Diskussion wur<strong>de</strong> nicht nur darüber geführt, ob <strong><strong>de</strong>r</strong> erzwungene<br />

Aufenthalt im Flughafen Freiheitsentzug be<strong>de</strong>utet<br />

– er be<strong>de</strong>utet Freiheitsentzug –, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch, wie<br />

lange und unter welchen Bedingungen dieser Freiheitsentzug<br />

zumutbar ist. Wir haben versucht, das Beste daraus zu<br />

machen. Wir hatten in <strong><strong>de</strong>r</strong> Kommission keine Gelegenheit,<br />

unsere Überlegungen mit <strong>de</strong>m neuen, von Herrn David bereits<br />

erwähnten, Bun<strong>de</strong>sgerichtsentscheid zu vergleichen.<br />

Ich nehme an, dass die stän<strong><strong>de</strong>r</strong>ätliche Kommission und <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Stän<strong><strong>de</strong>r</strong>at dies nachfolgend tun wer<strong>de</strong>n. Ich kann nicht versichern,<br />

dass die Bestimmungen, wie wir sie jetzt gemäss<br />

Mehrheit aufgenommen haben, <strong>de</strong>m Entscheid <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>sgerichtes<br />

entsprechen, we<strong><strong>de</strong>r</strong> in bezug auf die Regelung<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> gerichtlichen Überprüfung, die notwendig ist, wenn<br />

wir einen Freiheitsentzug beschliessen, noch in bezug auf<br />

die Dauer. Ich weiss nicht, ob sich das Bun<strong>de</strong>sgericht über<br />

die Dauer ausgesprochen hat.<br />

Zum Antrag <strong><strong>de</strong>r</strong> Min<strong><strong>de</strong>r</strong>heit Fehr Hans zu Artikel 22: Es<br />

wur<strong>de</strong> schon einiges betreffend <strong>de</strong>n Ermessensspielraum<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Behör<strong>de</strong> gesagt. Vor allem muss man auf je<strong>de</strong>n Fall verhin<strong><strong>de</strong>r</strong>n,<br />

dass sich ein Pingpong-Effekt entwickelt. Wenn die<br />

Einreise einmal nicht bewilligt ist und <strong><strong>de</strong>r</strong> o<strong><strong>de</strong>r</strong> die Schutzsuchen<strong>de</strong><br />

o<strong><strong>de</strong>r</strong> Asylsuchen<strong>de</strong> am Flughafen wartet, muss man<br />

noch abklären, ob die Rückkehr in einen Drittstaat o<strong><strong>de</strong>r</strong> in das<br />

Heimatland zumutbar ist. Vor allem ist es wichtig zu wissen,<br />

in welchen Drittstaat man eine Person überhaupt zurückschicken<br />

kann, bevor man sie wegschickt. Dauerte <strong><strong>de</strong>r</strong> Aufenthalt<br />

im anvisierten Drittland lange genug? Es wur<strong>de</strong> in <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Kommission gesagt, es gehe ganz klar nicht nur um einige<br />

Stun<strong>de</strong>n. Die Person muss <strong>de</strong>n Flughafen <strong>de</strong>s Drittstaates<br />

verlassen haben, die Person muss sich einige Zeit im Drittstaat<br />

aufgehalten haben. Es muss nachweisbar sein, dass<br />

sich diese Person dort aufgehalten hat. Es muss sichergestellt<br />

wer<strong>de</strong>n, dass dieser Drittstaat Mitglied und Unterzeichner<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Flüchtlingskonvention ist und dass dieser Drittstaat<br />

das «Non-refoulement-Prinzip» anerkennt. Sonst halten wir<br />

uns nicht an die völkerrechtlichen Regelungen.<br />

Deshalb bitte ich Sie im Namen <strong><strong>de</strong>r</strong> Mehrheit <strong><strong>de</strong>r</strong> Kommission,<br />

<strong>de</strong>n Antrag <strong><strong>de</strong>r</strong> Min<strong><strong>de</strong>r</strong>heit Fehr Hans abzulehnen.<br />

Zum Antrag <strong><strong>de</strong>r</strong> Min<strong><strong>de</strong>r</strong>heit Steinemann zu Absatz 5: Die<br />

Vertreter <strong><strong>de</strong>r</strong> Verwaltung, die in <strong><strong>de</strong>r</strong> Kommission anwesend<br />

waren, haben klargestellt, dass man diese Regelung so im<br />

Gesetz nicht brauche, <strong>de</strong>nn das sei zum Teil bereits Praxis;<br />

diese Bestimmung sei ein Teil internationaler Abkommen<br />

(Chicago-Abkommen), und die gesetzliche Bestimmung<br />

habe eher <strong>de</strong>klamatorischen Charakter – die Umsetzung sei<br />

nicht tel quel zu vollziehen.<br />

Ich bitte Sie im Namen <strong><strong>de</strong>r</strong> Mehrheit <strong><strong>de</strong>r</strong> Kommission, <strong>de</strong>n<br />

Antrag <strong><strong>de</strong>r</strong> Min<strong><strong>de</strong>r</strong>heit Steinemann abzulehnen.<br />

Der Herr Vizepräsi<strong>de</strong>nt wird Ihnen sehr wahrscheinlich sagen,<br />

wie sich das Ganze beim Abstimmungsverfahren gestaltet,<br />

<strong>de</strong>nn bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Annahme <strong>de</strong>s einen o<strong><strong>de</strong>r</strong> an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Konzeptes<br />

entfallen weitere Abstimmungen zu verschie<strong>de</strong>nen<br />

Artikeln, die ich jetzt nicht aufzählen will. Sie haben sicher<br />

selber bemerkt, dass diese Artikel Teil eines Ganzen sind<br />

und zusammengehören; sie können nicht getrennt diskutiert<br />

und verabschie<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n.<br />

Koller Arnold, Bun<strong>de</strong>spräsi<strong>de</strong>nt: Gemäss <strong>de</strong>m Entscheid<br />

Amuur <strong>de</strong>s Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte,<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> nach <strong><strong>de</strong>r</strong> Publikation unserer Botschaft am<br />

25. Juni 1996 ergangen ist, ist klar, dass es sich beim Festhalten<br />

einer Person am Flughafen um eine Freiheitsbeschränkung<br />

im Sinne <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK han<strong>de</strong>lt, dass dafür eine gesetzlich<br />

Grundlage nötig ist und dass gestützt auf Artikel 5<br />

EMRK raschestmöglich eine richterliche Überprüfung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Rechtmässigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Festhaltung möglich sein muss.<br />

<strong>Amtliches</strong> <strong>Bulletin</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Bun<strong>de</strong>sversammlung</strong><br />

Mit <strong><strong>de</strong>r</strong> vorgesehenen Anfechtbarkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Einreiseverweigerung<br />

und <strong>de</strong>s gleichzeitigen Entschei<strong>de</strong>s <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>samtes<br />

über die Zuweisung <strong>de</strong>s Flughafens als Aufenthaltsort wird<br />

diesen Vorgaben <strong><strong>de</strong>r</strong> Europäischen Menschenrechtskonvention<br />

entsprochen, wie sie durch <strong>de</strong>n Entscheid Amuur konkretisiert<br />

und wie sie jetzt übrigens auch in einem neuesten<br />

Entscheid <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>sgerichtes vom 27. Mai 1997 bestätigt<br />

wor<strong>de</strong>n sind.<br />

Da muss ich gegenüber Herrn Gross Andreas doch klar festhalten,<br />

dass diese Lösung, die in <strong><strong>de</strong>r</strong> Kommission zusammen<br />

mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Verwaltung erarbeitet wor<strong>de</strong>n ist, auch nach <strong>de</strong>n Aussagen<br />

<strong>de</strong>s Experten, Professor Trechsel, ganz klar <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

EMRK entspricht. Es kann keine Re<strong>de</strong> davon sein, dass wir<br />

mit dieser Lösung, die Ihnen die Mehrheit <strong><strong>de</strong>r</strong> Kommission<br />

vorschlägt, die Anfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Europäischen Menschenrechtskonvention<br />

nicht erfüllen wür<strong>de</strong>n. Zugleich wer<strong>de</strong>n <strong>de</strong>n<br />

asylsuchen<strong>de</strong>n Personen im Rahmen <strong>de</strong>s Flughafenverfahrens<br />

übrigens verschie<strong>de</strong>ne zusätzliche rechtsstaatliche Garantien<br />

eingeräumt. So sind die Gewährung <strong>de</strong>s rechtlichen<br />

Gehörs und die Möglichkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Verbeiständung ausdrücklich<br />

in <strong><strong>de</strong>r</strong> neuen Regelung enthalten.<br />

Ein zweifellos wichtiger Punkt <strong><strong>de</strong>r</strong> Neufassung <strong>de</strong>s Flughafenverfahrens<br />

besteht in <strong><strong>de</strong>r</strong> Beschränkung <strong><strong>de</strong>r</strong> Maximaldauer<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Festhaltung am Flughafen. Neu ist eine Frist von<br />

15 Kalen<strong><strong>de</strong>r</strong>tagen vorgesehen; ich verweise auf Artikel 22<br />

Absatz 4 (neu). Diese Dauer ist notwendig, um das Flughafenverfahren<br />

seriös durchführen zu können. Es muss nämlich<br />

bedacht wer<strong>de</strong>n, dass neben <strong><strong>de</strong>r</strong> Befragung durch die<br />

Flughafenpolizei jeweils auch noch Zeit für weitere Abklärungen<br />

und die Entscheidredaktion durch das Bun<strong>de</strong>samt nötig<br />

ist.<br />

In Fällen, in <strong>de</strong>nen zu<strong>de</strong>m noch das UNHCR beigezogen<br />

wer<strong>de</strong>n muss, um Abklärungen betreffend die Rückführbarkeit<br />

in <strong>de</strong>n Heimatstaat vorzunehmen, sind für diese Abklärungen<br />

in <strong>de</strong>n Herkunftsstaaten wie<strong><strong>de</strong>r</strong>um zwei o<strong><strong>de</strong>r</strong> noch<br />

mehr Tage notwendig. Überdies sind auch organisatorische<br />

Hin<strong><strong>de</strong>r</strong>nisse wie etwa die Erreichbarkeit von Dolmetschern<br />

usw. mit zuberücksichtigen.<br />

Zu<strong>de</strong>m ist natürlich auch zu beachten, dass es die entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n<br />

Behör<strong>de</strong>n oft auch mit Asylsuchen<strong>de</strong>n zu tun haben,<br />

die Aussagen verweigern, zum Teil auch ihre I<strong>de</strong>ntität o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

<strong>de</strong>n Reiseweg verschleiern.<br />

All dies verlangt nach <strong><strong>de</strong>r</strong> Möglichkeit, diese Personen für einige<br />

Zeit im Flughafen festzuhalten, wenn tatsächlich ein seriöses<br />

Flughafenverfahren durchgeführt wer<strong>de</strong>n soll. Ist einmal<br />

ein Entscheid getroffen und hat die asylsuchen<strong>de</strong> Person<br />

<strong>de</strong>n Flughafen Richtung Heimat-, Herkunfts- o<strong><strong>de</strong>r</strong> Drittstaat<br />

wie<strong><strong>de</strong>r</strong> zu verlassen, so hat dies unverzüglich und mit <strong>de</strong>m<br />

nächstmöglichen Flug zu geschehen. Der Wegweisungsvollzug<br />

kann sich allerdings auch hier wie<strong><strong>de</strong>r</strong>um aus rein technischen<br />

Grün<strong>de</strong>n verzögern, weil lange nicht je<strong>de</strong> Herkunfts<strong>de</strong>stination<br />

von Zürich o<strong><strong>de</strong>r</strong> Genf aus angeflogen wird.<br />

Das ist <strong><strong>de</strong>r</strong> Grund, weshalb <strong>de</strong>n Behör<strong>de</strong>n eine gesetzliche<br />

Frist von maximal sieben Tagen eingeräumt wird, innert welcher<br />

die Wegweisung vollzogen wer<strong>de</strong>n muss.<br />

Die von <strong><strong>de</strong>r</strong> Min<strong><strong>de</strong>r</strong>heit <strong>de</strong> Dar<strong>de</strong>l vorgeschlagene Regelung<br />

geht dagegen einen allzu einfachen Weg, wenn sie die Behör<strong>de</strong>n<br />

verpflichten möchte, entwe<strong><strong>de</strong>r</strong> innert 72 Stun<strong>de</strong>n<br />

über einen oft komplexen Sachverhalt zu entschei<strong>de</strong>n o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

sonst die Einreise zu gestatten. Eine solche Regelung hätte<br />

unseres Erachtens zur Folge, dass am Flughafen in <strong>de</strong>n wenigsten<br />

Fällen ein Asyl- o<strong><strong>de</strong>r</strong> Wegweisungsentscheid getroffen<br />

wer<strong>de</strong>n könnte und daher <strong>de</strong>n meisten Asylsuchen<strong>de</strong>n<br />

die Einreise gestattet wer<strong>de</strong>n müsste.<br />

Wenn hier Vergleiche mit Deutschland gemacht wer<strong>de</strong>n, wo<br />

eine ähnlich kurze Frist für die Asylbehör<strong>de</strong>n gilt, zeigen gera<strong>de</strong><br />

die dortigen Erfahrungen, dass man diesen Weg nicht<br />

gehen darf. Die Praxis in Deutschland zeigt, dass bei einer<br />

solchen Regelung über 80 Prozent all jener, die ihr Gesuch<br />

am Flughafen stellen, einreisen können. Mit einer Bestimmung<br />

gemäss Konzept <strong><strong>de</strong>r</strong> Min<strong><strong>de</strong>r</strong>heit <strong>de</strong> Dar<strong>de</strong>l könnten die<br />

schweizerischen Behör<strong>de</strong>n daher die Einreise über die Flughäfen<br />

kaum mehr wirkungsvoll kontrollieren. Hier ein<br />

Schlupfloch zu öffnen, kann nicht <strong><strong>de</strong>r</strong> Sinn dieser Asylgesetzrevision<br />

sein.

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