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Amtliches Bulletin der Bundesversammlung Bulletin officiel de l ...

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9. Juni 1997 N 1085 Berufsbildung<br />

rufsbildung zu kantonalisieren –, dass es eine Tatsache ist:<br />

Wir haben in <strong><strong>de</strong>r</strong> Schweiz einen Arbeitsmarkt, und da es einen<br />

Arbeitsmarkt gibt, muss es auch eine Berufsbildung geben.<br />

Soweit, so gut. Wir müssen uns aber auch kritische Fragen<br />

gefallen lassen, z. B. kann ein Lehrling o<strong><strong>de</strong>r</strong> eine Lehrtochter<br />

berechtigterweise fragen: Was bringt mir all diese Theorie,<br />

was bringen mir all die schönen Sprüche, die hochtraben<strong>de</strong>n<br />

Postulate, die bestenfalls erst nach vielen Jahren zum Tragen<br />

kommen? Was soll z. B. eine Lehrtochter o<strong><strong>de</strong>r</strong> ein Lehrling<br />

mit <strong>de</strong>m Satz anfangen – ich zitiere aus einer Motion –:<br />

«Das Konzept soll eine integrale, innovative und eurokompatible<br />

Bildung sicherstellen, die wirtschaftliche, soziale und<br />

ökologische Aspekte berücksichtigt»? Ich bin nicht gegen<br />

diese Aussage, aber wir müssen einfach zur Kenntnis nehmen,<br />

dass sie im Moment effektiv nichts Konkretes bringt.<br />

Was hilft – auch diese kritische Frage sei gestattet – die<br />

Schaffung eines Bun<strong>de</strong>samtes für Berufsbildung? Vielleicht<br />

ist ein solcher Schritt richtig; aber damit ist noch nichts erreicht.<br />

Ich möchte daher im zweiten Teil meines Votums das<br />

Schwergewicht auf folgen<strong>de</strong> Frage legen: Was können wir<br />

jetzt, heute, morgen im Rahmen <strong><strong>de</strong>r</strong> bestehen<strong>de</strong>n Gesetze<br />

tun, was können wir verän<strong><strong>de</strong>r</strong>n, um die Berufsbildung rasch<br />

zu verbessern? Ich stelle ganz klar eine Priorität in <strong>de</strong>n Vor<strong><strong>de</strong>r</strong>grund:<br />

Meines Erachtens besteht das Hauptproblem<br />

heute darin, dass <strong><strong>de</strong>r</strong> Erneuerungsrhythmus <strong><strong>de</strong>r</strong> Berufe absolut<br />

ungenügend ist. Wir treiben dabei <strong>de</strong>n Konsens nicht<br />

nur auf die Spitze, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n sogar bis zur Perfektion. Die<br />

Folge ist, dass Jahre vergehen, bis ein Lehrreglement revidiert<br />

ist. Es vergehen noch mehr Jahre, bis ein neuer Beruf in<br />

einem Ausbildungsreglement erfasst ist. Das ist ein Luxus<br />

<strong>de</strong>n wir uns heute schlicht und einfach nicht mehr leisten können.<br />

Hier ist Handlungsbedarf gegeben, und zwar subito.<br />

Denn eine Berufsbildung, die – diese Gefahr ist akut – <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

wirtschaftlichen und technologischen Entwicklung hinterherhinkt,<br />

kann abdanken.<br />

Es gibt noch einen zweiten Bereich, wo Än<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen rasch<br />

herbeigeführt wer<strong>de</strong>n können und eine sehr wichtige Verbesserung<br />

erreicht wer<strong>de</strong>n kann. Das ist die Verringerung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Zahl <strong><strong>de</strong>r</strong> Lehrberufe. Das ist ein altes Postulat, <strong>de</strong>m ich schon<br />

nachzuleben versucht habe, als ich noch im Biga tätig war.<br />

Meine Nachfolger haben das auch versucht. Aber hier ist es<br />

ebenfalls eine Frage <strong><strong>de</strong>r</strong> Zeit. Wir müssen rasch vorwärtskommen,<br />

wir müssen die Zahl <strong><strong>de</strong>r</strong> Lehrberufe verringern und<br />

damit gleichzeitig – das ist die logische Folge – die Berufsfel<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

erweitern.<br />

Damit tragen wir einer bereits genannten For<strong><strong>de</strong>r</strong>ung Rechnung,<br />

nämlich <strong>de</strong>m Erneuerungsrhythmus. Es ist ganz klar:<br />

Bei <strong><strong>de</strong>r</strong> rasanten Beschleunigung <strong><strong>de</strong>r</strong> Umstrukturierung in<br />

Technologie, Wirtschaft und Berufen kann man diese Entwicklung<br />

nur dann auffangen, wenn man die Berufsfel<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

breiter anlegt. Hier ist auch akuter Handlungsbedarf gegeben,<br />

und das ist, wie gesagt, ohne grosse gesetzliche Än<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen<br />

möglich.<br />

Ein Punkt, bei <strong>de</strong>m ich gestehe, dass ich etwas skeptisch<br />

bin – ich bin aber nicht dagegen –, ist <strong><strong>de</strong>r</strong> gefor<strong><strong>de</strong>r</strong>te modulare<br />

Aufbau. Diese bildungspolitischen Zusammensetz- und<br />

Dominospiele sind auf <strong>de</strong>m Papier wun<strong><strong>de</strong>r</strong>bar zu verkaufen.<br />

Ich möchte dann aber sehen – hier mel<strong>de</strong> ich als Praktiker<br />

etwas Zweifel an –, wie sich das in <strong><strong>de</strong>r</strong> Praxis bewährt. Ich<br />

bin nicht dagegen, dass man diese Versuche, die sich gera<strong>de</strong><br />

in <strong><strong>de</strong>r</strong> Weiterbildung aufdrängen und zum Teil heute<br />

schon praktiziert wer<strong>de</strong>n, vorantreibt, aber für mich sollten<br />

sie provisorischen Charakter haben. Ich möchte, dass man<br />

irgendwann einmal die Lehren – nicht nur aus <strong>de</strong>n Erfolgen,<br />

son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch aus <strong>de</strong>n Misserfolgen – aus diesen modular<br />

zusammengesetzten Lehrausbildungen zieht.<br />

Mit <strong>de</strong>m letzten Punkt schliesse ich mein Votum. Ich habe<br />

jetzt immer von Reform gesprochen. Reform auf diesem Gebiet<br />

ist gut und nötig, aber wir wollen nicht das Kind mit <strong>de</strong>m<br />

Ba<strong>de</strong> ausschütten. Denken wir daran, dass das duale System,<br />

das System <strong><strong>de</strong>r</strong> Berufslehre bei uns – zusammen mit<br />

Deutschland und Österreich, die ähnliche Systeme haben –<br />

bis jetzt eine relativ tiefe Jugendarbeitslosigkeitsrate bewirkt<br />

<strong>Amtliches</strong> <strong>Bulletin</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Bun<strong>de</strong>sversammlung</strong><br />

hat. Hier wollen wir nicht <strong>de</strong>n Fehler begehen, dass wir Bewährtes<br />

in Frage stellen.<br />

Die Beratung dieses Geschäftes wird unterbrochen<br />

Le débat sur cet objet est interrompu<br />

Schluss <strong><strong>de</strong>r</strong> Sitzung um 19.55 Uhr<br />

La séance est levée à 19 h 55

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