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Amtliches Bulletin der Bundesversammlung Bulletin officiel de l ...

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Loi sur l’asile et LSEE. Modification 1038 N 5 juin 1997<br />

Zur Behandlung steht nun mit Artikel 4 <strong><strong>de</strong>r</strong> praktisch wichtigste<br />

Artikel <strong>de</strong>s Gesetzes. Er betrifft <strong>de</strong>n neu einzuführen<strong>de</strong>n<br />

Grundsatz <strong>de</strong>s vorübergehen<strong>de</strong>n Schutzes. Dieser ist zwar<br />

nicht bestritten. Zur Diskussion stehen aber Ergänzungsanträge.<br />

Vorgesehen ist nun, dass die Diskussion über die Einführung<br />

dieses neuen Grundsatzes am Donnerstag, um<br />

12.05 Uhr, an die Hand genommen wer<strong>de</strong>n soll, dies in<br />

gründlicher Art und Weise, wie man es gewohnt ist!<br />

Für <strong>de</strong>n Moment schliesse ich meine Ausführungen. Zum<br />

Wort kommen sollen nun die Antragstellerinnen und Antragsteller<br />

sowie die Fraktionssprecherinnen und Fraktionssprecher.<br />

Ich hoffe, dass es uns trotz <strong><strong>de</strong>r</strong> Hektik, unter <strong><strong>de</strong>r</strong> die Behandlung<br />

<strong>de</strong>s Geschäftes steht, gelingt, die Entschei<strong>de</strong> immer<br />

zum Wohl <strong><strong>de</strong>r</strong> Asylsuchen<strong>de</strong>n zu treffen.<br />

Fritschi Oscar (R, ZH), Sprecher <strong><strong>de</strong>r</strong> Min<strong><strong>de</strong>r</strong>heit: Frau Fankhauser<br />

hat Ihnen soeben gesagt, Zweck von Artikel 4 sei, ein<br />

zusätzliches Instrument ins Gesetz einzuführen. Die Artikel 2<br />

und 3 legen die Pflicht unseres Staates fest, einer international<br />

klar <strong>de</strong>finierten Personengruppe – <strong>de</strong>n Flüchtlingen –<br />

Asyl zu gewähren.<br />

Artikel 4 umschreibt <strong>de</strong>mgegenüber, was unter «vorübergehen<strong>de</strong>m<br />

Schutz» zu verstehen ist – dies im Sinne eines<br />

neuen Kriteriums, einer Erweiterung <strong>de</strong>s Gesetzes. Es geht<br />

dabei nicht um eine Pflicht, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n um ein Recht, jeman<strong>de</strong>n<br />

aufzunehmen. Es geht um einen humanitären Ermessensentscheid;<br />

entschei<strong>de</strong>nd ist die Kann-Formulierung. Der vorübergehen<strong>de</strong><br />

Schutz geht über das hinaus, was wir an völkerrechtlichen<br />

Verpflichtungen zu erfüllen haben. Niemand<br />

hat auf diesen Schutz einen Rechtsanspruch. Das ist die<br />

Rechtslage.<br />

Als logische Konsequenz schreibt <strong>de</strong>shalb <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srat in<br />

seiner Botschaft, eine Begriffs<strong>de</strong>finition im Sinne einer Umschreibung,<br />

was zur Aufnahme als «vorübergehen<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Schutzbedürftiger» führe, solle nicht vorgenommen wer<strong>de</strong>n.<br />

Das ist ohne weiteres einleuchtend. Denn erstens wäre eine<br />

solche Definition im Anwendungsfall wohl immer zu eng. Und<br />

zweitens – das scheint mir noch entschei<strong>de</strong>n<strong><strong>de</strong>r</strong> – wür<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

falsche Eindruck suggeriert, es bestehe eben doch ein<br />

Rechtsanspruch und es gehe nicht um ein Ermessen.<br />

Der Unterschied zwischen Mehrheits- und Min<strong><strong>de</strong>r</strong>heitsantrag<br />

ist <strong>de</strong>shalb mehr als blosse Semantik. Der Bun<strong>de</strong>srat formuliert<br />

ebenso straff wie allgemein, Kriterium sei eine «schwere<br />

allgemeine Gefährdung», und gibt dann, mit «insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e»<br />

eingeführt – also als nicht abschliessend gekennzeichnet –,<br />

die naheliegendsten Beispiele «Krieg» und «Bürgerkrieg»;<br />

und damit basta!<br />

Mit seiner knappen Formulierung stellt <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srat klar,<br />

dass es sich immer um einen politischen Entscheid han<strong>de</strong>ln<br />

wird, <strong>de</strong>n er zu verantworten hat. Er wird in <strong><strong>de</strong>r</strong> Tat auswählen<br />

und Entschei<strong>de</strong> treffen müssen; wir können nicht<br />

25 Millionen von Gewalt bedrohte Rwan<strong><strong>de</strong>r</strong> o<strong><strong>de</strong>r</strong> 10 Millionen<br />

Nigerianer aufnehmen.<br />

Je<strong>de</strong>s zusätzliche Kriterium, das in die Umschreibung hineinkommt<br />

– und seien es noch so positive Begriffe wie die Menschenrechte<br />

o<strong><strong>de</strong>r</strong> die Frauen im neu beantragten Absatz 2 –,<br />

engt letztlich die Anwendung dieses Artikels ein. Diese Zusätze<br />

möchten sicherstellen, dass <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srat in einem<br />

künftigen, unbekannten Zeitpunkt in einer heute noch unbekannten<br />

Situation mit noch unbekannten Rahmenbedingungen<br />

genau das tut, was wir uns heute vorstellen.<br />

Das ist in<strong>de</strong>ssen eine Illusion. Wer per Kann-Formel akzeptiert,<br />

dass die Aufnahme von Gewaltflüchtlingen in die Kompetenz,<br />

ins Ermessen, <strong><strong>de</strong>r</strong> Lan<strong>de</strong>sregierung gehört – und<br />

dazu ist kein Gegenantrag gestellt wor<strong>de</strong>n –, sollte konsequent<br />

sein. «Konsequent sein» be<strong>de</strong>utet dann, <strong><strong>de</strong>r</strong> schlanken<br />

Formulierung <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>srates zuzustimmen, die klar<br />

markiert, dass <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srat nicht mit Detail-Leitplanken ans<br />

Gängelband genommen wird, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n dass er das volle Ermessen,<br />

aber auch die volle Verantwortung hat. Nur das ist<br />

sinnvoll, und nur das ist praktikabel.<br />

Ich bitte Sie <strong>de</strong>shalb, und ich spreche da auch für die FDP-<br />

Fraktion, bei Artikel 4 <strong><strong>de</strong>r</strong> Min<strong><strong>de</strong>r</strong>heit zuzustimmen und <strong>de</strong>n<br />

neu beantragten Absatz 2 abzulehnen.<br />

von Felten Margrith (S, BS), Sprecherin <strong><strong>de</strong>r</strong> Min<strong><strong>de</strong>r</strong>heit: «Bei<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Beurteilung <strong><strong>de</strong>r</strong> Schutzbedürftigkeit ist <strong>de</strong>n spezifischen<br />

Formen von Gewalt gegen Frauen Rechnung zu tragen.» Mit<br />

diesem Antrag verlangt die Min<strong><strong>de</strong>r</strong>heit eine Erweiterung <strong>de</strong>s<br />

Begriffs <strong><strong>de</strong>r</strong> Schutzbedürftigkeit. Wenn Männer nicht mehr<br />

schutzbedürftig sind, heisst das noch lange nicht, dass dies<br />

auch für Frauen gilt. Auch wenn <strong><strong>de</strong>r</strong> Krieg o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Bürgerkrieg<br />

offiziell been<strong>de</strong>t ist und nicht mehr gekämpft wird –<br />

wenn nicht mehr militärisch gekämpft wird –, gibt es immer<br />

noch Situationen schwerer allgemeiner Gefährdung.<br />

Darum geht es bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Umschreibung <strong><strong>de</strong>r</strong> Schutzbedürftigkeit<br />

auch für Frauen. Ein aktuelles Beispiel: Ein En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Bürgerkrieges<br />

in Afghanistan garantiert nicht, dass die spezifisch<br />

gegen Frauen gerichteten Gewaltmassnahmen, die von <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Taliban-Miliz eingeführt wor<strong>de</strong>n sind, sofort aufgehoben wer<strong>de</strong>n,<br />

vielmehr muss befürchtet wer<strong>de</strong>n, dass das En<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Schutzbedürftigkeit bereits dann ausgesprochen wird, wenn<br />

sich Männer im Lan<strong>de</strong> sicher fühlen können. Wenn für Männer<br />

Frie<strong>de</strong> herrscht, könnten nach wie vor Berufs- und Ausgehverbote,<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Ausschluss aus <strong>de</strong>n Schulen, die rigorose<br />

Durchsetzung von Klei<strong><strong>de</strong>r</strong>vorschriften und an<strong><strong>de</strong>r</strong>e Massnahmen<br />

Alltagsrealität für Frauen bleiben. Diese beschränkte<br />

Wahrnehmung von Gewalt muss korrigiert wer<strong>de</strong>n.<br />

Frauen stehen bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Rückkehr in ihre Herkunftslän<strong><strong>de</strong>r</strong> in<br />

<strong>de</strong>n allermeisten Fällen vor ganz an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Problemen als<br />

Männer. Für Frauen ist es noch schwieriger als für Männer,<br />

ein Einkommen zu erzielen, Frauen sind stärker als Männer<br />

gefähr<strong>de</strong>t, schamlos ausgebeutet zu wer<strong>de</strong>n. Zum Überleben<br />

sind sie oft gezwungen, ins Sexgewerbe einzusteigen<br />

o<strong><strong>de</strong>r</strong> eine Risikoehe einzugehen. Gleichzeitig sind sie verantwortlich<br />

für die Überlebensarbeit, für die Versorgung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kin<strong><strong>de</strong>r</strong>,<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Betagten, <strong><strong>de</strong>r</strong> Verwun<strong>de</strong>ten und <strong><strong>de</strong>r</strong> Kranken.<br />

Ohne stabile Strukturen sind sie vor allem schutzlos allen<br />

Formen sexueller Gewalt ausgesetzt, die von <strong>de</strong>n Behör<strong>de</strong>n<br />

erfahrungsgemäss toleriert wer<strong>de</strong>n. Ein Riesenproblem ist<br />

insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e die Gewalt gegenüber Frauen und Kin<strong><strong>de</strong>r</strong>n, die<br />

von Männern ausgeht, die jahrelang als Soldaten gelebt haben,<br />

für die Gewalthandlungen zur Normalität gewor<strong>de</strong>n<br />

sind.<br />

Ich bitte Sie, <strong>de</strong>m Min<strong><strong>de</strong>r</strong>heitsantrag zuzustimmen. Erst<br />

wenn die Schutzbedürftigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen anerkannt wird,<br />

kann <strong><strong>de</strong>r</strong> Status <strong><strong>de</strong>r</strong> Schutzbedürftigen die Funktion erfüllen,<br />

für die er geschaffen wur<strong>de</strong>, in<strong>de</strong>m er <strong>de</strong>n Schutz <strong><strong>de</strong>r</strong> gesamten<br />

Bevölkerung eines ehemaligen Kriegsgebietes gewährleistet.<br />

Die Pflicht, frauenspezifische Schutzbedürfnisse zu berücksichtigen,<br />

hat zur Folge, dass die Situation in <strong>de</strong>n Herkunftslän<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />

aller Schutzbedürftigen genauer geprüft wer<strong>de</strong>n<br />

muss. Davon profitieren nicht nur Frauen, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n die ganze<br />

Bevölkerung, vor allem die Kin<strong><strong>de</strong>r</strong>, die Betagten, die Kranken<br />

und die Verwun<strong>de</strong>ten eines ehemaligen Kriegs- o<strong><strong>de</strong>r</strong> Katastrophengebietes.<br />

Es muss vor allem sichergestellt wer<strong>de</strong>n –<br />

hier ganz konkret im Verfahren –, dass sich <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srat<br />

beim Entscheid über die Schutzgewährung gemäss Artikel<br />

63 dieses Gesetzes von Frauenorganisationen und von<br />

Hilfswerken beraten lässt, die über die konkrete Situation <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Frauen Bescheid wissen.<br />

Ich bitte Sie, <strong>de</strong>m Min<strong><strong>de</strong>r</strong>heitsantrag zuzustimmen.<br />

David Eugen (C, SG): Ich bitte Sie, <strong><strong>de</strong>r</strong> Mehrheit zu folgen<br />

und Absatz 2 abzulehnen.<br />

Herr Fritschi hat die Grün<strong>de</strong> ausgeführt, weshalb die Min<strong><strong>de</strong>r</strong>heit<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Meinung ist, man dürfe in die Aufzählung von<br />

Artikel 4 die «Situationen allgemeiner Gewalt o<strong><strong>de</strong>r</strong> systematischer<br />

schwerer Verletzung <strong><strong>de</strong>r</strong> Menschenrechte» nicht aufnehmen.<br />

Diese Grün<strong>de</strong> sind nicht überzeugend.<br />

Es ist so, dass diese bei<strong>de</strong>n Fälle, die wir in einem beispielhaften<br />

Katalog <strong>de</strong>s Gesetzes erwähnen, eigentlich immer<br />

mehr – das erleben Sie ja selbst – die klassischen Bedrohungsfälle<br />

sind. Der Krieg und <strong><strong>de</strong>r</strong> Bürgerkrieg hingegen verlieren<br />

als Bedrohungsfälle eher an Be<strong>de</strong>utung.<br />

Die heutigen Gewaltsituationen betreffen insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e<br />

schwere Verletzungen von Menschenrechten. Ich kann<br />

schwer verstehen, weshalb man dieses Wort nicht im Gesetz<br />

haben will. Es geht auch um die Frage, wie wir unser Flücht-<br />

<strong>Bulletin</strong> <strong>officiel</strong> <strong>de</strong> l’Assemblée fédérale

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