Amtliches Bulletin der Bundesversammlung Bulletin officiel de l ...
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12. Juni 1997 N 1159 Parlamentarische Initiative (sozial<strong>de</strong>mokratische Fraktion)<br />
aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Wirtschaftspolitik hat die Notenbank in allen westlichen<br />
Industrielän<strong><strong>de</strong>r</strong>n an Be<strong>de</strong>utung und Einfluss auf die<br />
Wirtschaftsentwicklung gewonnen. Auch in <strong><strong>de</strong>r</strong> Schweiz hat<br />
die Nationalbank bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Konjunktursteuerung mangels an<strong><strong>de</strong>r</strong>er<br />
wirtschaftspolitischer Instrumente zum Teil die politischen<br />
Behör<strong>de</strong>n abgelöst.<br />
Schon aus diesem Grund drängt sich eine Verpflichtung zu<br />
verstärkter Rechenschaftspflicht gegenüber <strong>de</strong>n politischen<br />
Behör<strong>de</strong>n auf.<br />
3. Zielvielfalt und Zielkonflikte vorgegeben<br />
Aufgrund <strong>de</strong>s Nationalbankgesetzes (NBG) hat die SNB die<br />
Aufgabe, «eine <strong>de</strong>n Gesamtinteressen <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s dienen<strong>de</strong><br />
Kredit- und Währungspolitik zu führen» (Art. 2 NBG). Die<br />
«Gesamtinteressen <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s» sind mit Blick auf die Kredit-<br />
und Währungspolitik in <strong>de</strong>n Wirtschaftsartikeln <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>sverfassung<br />
<strong>de</strong>finiert.<br />
In Artikel 31quinquies <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>sverfassung wird das Zielpolygon<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Wirtschaftspolitik mit folgen<strong>de</strong>n vier Zielen umschrieben:<br />
a. ausgeglichene konjunkturelle Entwicklung<br />
b. Verhütung und Bekämpfung von Arbeitslosigkeit<br />
c. Verhütung und Bekämpfung <strong><strong>de</strong>r</strong> Teuerung<br />
d. Rücksichtnahme auf die unterschiedliche wirtschaftliche<br />
Entwicklung <strong><strong>de</strong>r</strong> einzelnen Gebiete <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s.<br />
Für die Wirtschaftswissenschaft ist klar, dass zwischen diesen<br />
verfassungsmässigen Zielen in <strong><strong>de</strong>r</strong> Praxis auch Zielkonflikte<br />
entstehen und eine Optimierung zwischen <strong>de</strong>n Zielsetzungen<br />
nötig ist. Wir verweisen auf die langjährige Diskussion<br />
um <strong>de</strong>n Zielkonflikt und auf <strong>de</strong>n Zusammenhang zwischen<br />
Teuerungsrate und Arbeitslosenrate (Phillips-Kurve).<br />
Die Gewichtung und Optimierung <strong><strong>de</strong>r</strong> wirtschaftspolitischen<br />
Ziele ist streng wissenschaftlich nicht möglich, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n sie<br />
muss das Resultat eines politischen Aushandlungsprozesses<br />
sein, in welchem die verschie<strong>de</strong>nen Interessen und<br />
Sichtweisen zum Zuge kommen.<br />
In einer jüngeren Publikation sagt die Nationalbank selber,<br />
dass die breite politische Abstützung ihrer Politik grosse Be<strong>de</strong>utung<br />
hat: «Die Ziele <strong><strong>de</strong>r</strong> Notenbank müssen von <strong><strong>de</strong>r</strong> Bevölkerung,<br />
vom Parlament und vom Bun<strong>de</strong>srat als Ziele <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
staatlichen Politik mitgetragen wer<strong>de</strong>n. Sie alle wollen und<br />
brauchen gesun<strong>de</strong>s Geld. Die Notenbank ist gezwungen,<br />
sich diese Unterstützung von Bevölkerung und von Behör<strong>de</strong>n<br />
immer wie<strong><strong>de</strong>r</strong> durch eine transparente Politik zu verdienen»<br />
(Quartalsheft SNB 2/1996, S. 160).<br />
Es ist falsch und unmöglich, von einem dreiköpfigen Direktorium<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Nationalbank eine autonome Festlegung <strong><strong>de</strong>r</strong> wirtschaftspolitischen<br />
Zielhierarchie zu erwarten. Die Gefahr einer<br />
einseitigen und <strong>de</strong>mokratisch nicht legitimierten Gewichtung<br />
in <strong><strong>de</strong>r</strong> Zielhierarchie ist vom System her gegeben.<br />
4. Einseitige Doktrinbildung <strong><strong>de</strong>r</strong> SNB<br />
Das Direktorium <strong><strong>de</strong>r</strong> SNB hat seit <strong>de</strong>n achtziger Jahren das<br />
verfassungsmässig vorgegebene Zielviereck <strong><strong>de</strong>r</strong> Wirtschaftspolitik<br />
eigenmächtig und ohne gesetzlichen Auftrag<br />
einseitig auf die Bekämpfung <strong><strong>de</strong>r</strong> Teuerung ausgerichtet. Unter<br />
Zuhilfenahme <strong><strong>de</strong>r</strong> monetaristischen Sichtweise und Metho<strong>de</strong><br />
hat sie ihre ganze Wirtschaftspolitik <strong>de</strong>klariertermassen<br />
einseitig auf die Festlegung <strong><strong>de</strong>r</strong> Geldmenge beschränkt.<br />
Die an<strong><strong>de</strong>r</strong>en wirtschaftspolitischen Parameter wie Zinsziele<br />
und Wechselkursziele gerieten völlig in <strong>de</strong>n Hintergrund, und<br />
dies wohlverstan<strong>de</strong>n ohne Auftrag <strong>de</strong>s Gesetzgebers und<br />
<strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>srates. Während <strong><strong>de</strong>r</strong> relativ ausgewogenen Konjunkturentwicklung<br />
mit einem befriedigen<strong>de</strong>m Wachstum in<br />
<strong>de</strong>n achtziger Jahren wur<strong>de</strong> diese Politik wenig angefochten;<br />
doch bereits seit Anfang <strong><strong>de</strong>r</strong> neunziger Jahre geriet die einseitig<br />
monetaristische Ausrichtung <strong>de</strong>s SNB-Direktoriums in<br />
eine politische Legitimationsnot.<br />
5. Wie<strong><strong>de</strong>r</strong>holte Fehleinschätzung mit grossem Scha<strong>de</strong>n<br />
Die Fehleinschätzungen <strong><strong>de</strong>r</strong> SNB sind heute offenkundig und<br />
wer<strong>de</strong>n von allen wirtschaftspolitischen Lagern auch thematisiert.<br />
Das SNB-Direktorium hat seit 1988 mehrmals gravieren<strong>de</strong><br />
Fehleinschätzungen begangen (vgl. P. Eisenhut: Aktuelle<br />
Volkswirtschaftslehre. Ausgabe 1994/95. Chur/Zürich<br />
1994, S. 168):<br />
– 1987 entschloss sich das SNB-Direktorium zu einer expansiven<br />
Geldpolitik und versorgte die Banken nach <strong>de</strong>m Bör-<br />
<strong>Amtliches</strong> <strong>Bulletin</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Bun<strong>de</strong>sversammlung</strong><br />
sensturz mit zusätzlicher Liquidität von über einer Milliar<strong>de</strong><br />
Franken, was später die Teuerung massiv anheizte.<br />
– 1988 fiel das SNB-Direktorium einer Täuschung zum Opfer:<br />
Weil die Notenbankgeldmenge durch die Einführung <strong>de</strong>s<br />
elektronischen Zahlungsverkehrs zwischen <strong>de</strong>n Banken<br />
(SIC) drastisch zurückging, doch die Geldumlaufgeschwindigkeit<br />
massiv anstieg, übersah die SNB die folgenschwere<br />
Situation, dass die anscheinend restriktive Geldpolitik in Tat<br />
und Wahrheit expansiv war.<br />
– 1990–1992 führte die SNB eine restriktive Geldmengenpolitik<br />
mit einem Kurs <strong>de</strong>s teuren Gel<strong>de</strong>s durch (Zinshausse!).<br />
– Obschon ab 1993 die Rezessionsten<strong>de</strong>nzen <strong>de</strong>utlich sichtbar<br />
und die sinken<strong>de</strong> Teuerung offensichtlich wur<strong>de</strong>n, führte<br />
das SNB-Direktorium ihre restriktive Politik mit monetaristischem<br />
Dogmatismus weiter. Es unterschritt mehrmals das<br />
von ihr selbst gesteckte Ziel eines einprozentigen Geldmengenwachstums.<br />
– Das SNB-Direktorium ignorierte sodann die globale Frankenaufwertung,<br />
die in <strong>de</strong>n Jahren 1993–1995 real rund 15<br />
Prozent betrug und die Exportwirtschaft in grösste Schwierigkeiten<br />
brachte.<br />
– Erst En<strong>de</strong> 1995 wur<strong>de</strong> die Geldmengenpolitik gelockert;<br />
aber erst ab Mitte 1996, nach <strong>de</strong>m Weggang von Markus<br />
Lusser aus <strong>de</strong>m Direktorium, wur<strong>de</strong> ein eigentlicher Doktrinwechsel<br />
vollzogen.<br />
6. Fehler <strong><strong>de</strong>r</strong> SNB durch OECD bestätigt<br />
Die OECD wies in ihrem Bericht vom Juli 1996 über die<br />
schweizerische Wirtschaft in <strong>de</strong>n Jahren 1995/96 auf die<br />
Wachstumsschwäche hin, die aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Aufwertung <strong>de</strong>s<br />
Schweizer Frankens von 15 Prozent zwischen 1993 und<br />
1995 resultierte. Die Frankenaufwertung hatte laut OECD ein<br />
vermin<strong><strong>de</strong>r</strong>tes Wirtschaftswachstum in <strong><strong>de</strong>r</strong> Schweiz von 3 bis<br />
4 Prozent zur Folge! (OCDE: Étu<strong>de</strong>s Économiques 1995/96:<br />
Suisse. Paris 1996, S. 6)<br />
Dieser Wachstumsrückstand von 3 bis 4 Prozent entspricht<br />
kurzfristig etwa 100 000 verlorenen Arbeitsplätzen!<br />
Die schweizerische Volkswirtschaft bezahlt heute einen sehr<br />
hohen Preis für die Ignoranz <strong>de</strong>s damaligen SNB-Direktoriums<br />
gegenüber <strong>de</strong>n Wechselkursentwicklungen und damit<br />
gegenüber <strong><strong>de</strong>r</strong> Realwirtschaft (Exportindustrie). Seit <strong>de</strong>n<br />
dreissiger Jahren hat die schweizerische Wirtschaftspolitik<br />
nie mehr so grosse und folgenschwere Fehlleistungen produziert<br />
wie die Nationalbank mit ihrer Serie von Fehleinschätzungen<br />
zwischen 1988 und 1995.<br />
7. I<strong>de</strong>ologische Schutzwand aufgebaut<br />
Es war nicht so, dass die Fehlentwicklungen bezüglich<br />
Wechselkurs und Zinsfixierung nicht kritisiert wor<strong>de</strong>n wären.<br />
Nicht nur von Gewerkschaften, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch von Bankkreisen<br />
(P. Buomberger, SBG) und aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Wissenschaft (Prof.<br />
R. Erbe) wur<strong>de</strong> frühzeitig auf die Schä<strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> SNB-Politik<br />
aufmerksam gemacht. Das SNB-Direktorium baute gegenüber<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> zunehmen<strong>de</strong>n Kritik eine i<strong>de</strong>ologische Schutzwand<br />
auf, die kaum einen Diskurs über die Zieloptimierung und die<br />
volkswirtschaftlichen Wirkungen <strong><strong>de</strong>r</strong> von ihm verfügten<br />
Massnahmen zuliess. Die politische Kritik aus verschie<strong>de</strong>nen<br />
Lagern wur<strong>de</strong> recht stur und unsensibel mit <strong>de</strong>m Verweis auf<br />
die Unabhängigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Notenbank abgetan.<br />
Bereits 1992/93 wur<strong>de</strong> seitens <strong><strong>de</strong>r</strong> SPS und an<strong><strong>de</strong>r</strong>er Kritiker<br />
die For<strong><strong>de</strong>r</strong>ung aufgestellt, die SNB müsse neben Geldmengenzielen<br />
auch Wechselkurs- und zinsbezogene Ziele mit<br />
berücksichtigen. Dieses Ansinnen wur<strong>de</strong> vom SNB-Direktorium<br />
heftig zurückgewiesen. Doch spätestens seit Mitte 1996<br />
zeichnet sich ab, dass die SNB heute – ohne dies je öffentlich<br />
einzugestehen – gera<strong>de</strong> auch Wechselkurs- und Zinsziele<br />
einbezieht. Faktisch hat sich die SNB mit <strong><strong>de</strong>r</strong> neuen Politik<br />
auf einen Zinstarget festgelegt und damit die For<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen<br />
erfüllt, die während drei Jahren zuvor von Aussenstehen<strong>de</strong>n<br />
erhoben wor<strong>de</strong>n waren.<br />
8. Kritisierte Anlagepolitik <strong><strong>de</strong>r</strong> SNB<br />
Eine ähnliche Fehlbeurteilung <strong>de</strong>s SNB-Direktoriums ist mit<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Bewirtschaftung <strong><strong>de</strong>r</strong> Gold- und Devisenreserven festzustellen.<br />
Der Lausanner Professor Thomas von Ungern-Sternberg<br />
hat nachgewiesen, dass die SNB in <strong>de</strong>n letzten<br />
10 Jahren min<strong>de</strong>stens 6 Milliar<strong>de</strong>n Franken mehr hätte erwirtschaften<br />
können, wenn sie die Reserven professioneller