Amtliches Bulletin der Bundesversammlung Bulletin officiel de l ...
Amtliches Bulletin der Bundesversammlung Bulletin officiel de l ...
Amtliches Bulletin der Bundesversammlung Bulletin officiel de l ...
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
18. Juni 1997 N 1307 Öffentlicher Verkehr. Neat<br />
Bin<strong><strong>de</strong>r</strong> Max (V, ZH): Herr Hämmerle hat nun als Kandidat für<br />
das SP-Präsidium einige polemische «Zungenschlagsübungen»<br />
gegen die SVP-Fraktion ausprobiert. Das ist ihm in diesem<br />
Sinn nicht zu verargen und nicht übelzunehmen, aber<br />
ebensowenig ist es ernst zu nehmen.<br />
Herr Hämmerle, Sie haben uns vorgeworfen, wir wollten<br />
keine LSVA. Wir haben das nie gesagt. Es gibt die leistungso<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
verbrauchsabhängige Schwerverkehrsabgabe, und es<br />
gibt sie im Sologang o<strong><strong>de</strong>r</strong> im Kontext mit Europa. Wir haben<br />
einen solchen Antrag in <strong><strong>de</strong>r</strong> Kommission gestellt, er wur<strong>de</strong><br />
abgelehnt. Wir haben ihn hier wie<strong><strong>de</strong>r</strong> eingebracht. Insofern<br />
haben Sie die Unterlagen nicht richtig studiert.<br />
Aber nun zum Thema, zum Alpentransitbeschluss: Nichts<br />
Neues unter <strong><strong>de</strong>r</strong> Sonne, könnte man sagen und so diese Debatte<br />
kurz zusammenfassen. Schon zu Beginn <strong><strong>de</strong>r</strong> Bauzeit<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Schweizer Bahnen spielten genau dieselben Diskussionen<br />
eine Rolle. Was wir aber von unseren Vorfahren lernen<br />
können, wäre nun, das Machbare, das Nötige, das Bedürfnisgerechte<br />
zu realisieren. Die Neat ist ein internationales Projekt.<br />
Wie <strong><strong>de</strong>r</strong> Name sagt, geht es um die Alpentransversale.<br />
Es gilt also, die Alpen zu durchqueren. Bei einem solchen<br />
Projekt hat man sich auf <strong>de</strong>n wesentlichen Auftrag zu beschränken.<br />
Damit ist auch gesagt, dass regionale o<strong><strong>de</strong>r</strong> sogar<br />
lokale Wünsche zurückzustehen und schlichtweg keinen<br />
Platz haben. Wir Politiker müssen <strong>de</strong>n Mut haben, uns auf<br />
das Wesentliche zu beschränken.<br />
Nun liegen uns die verschie<strong>de</strong>nsten Varianten vor. In dieser<br />
Auswahlsendung ist fast alles zu haben, von <strong><strong>de</strong>r</strong> Netzvariante<br />
<strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>srates über die noch teurere I<strong>de</strong>e <strong>de</strong>s Stän<strong><strong>de</strong>r</strong>ates<br />
bis hin zu abgespeckten Vorschlägen. Dass heute<br />
emotionelle Voten nicht ausbleiben, ist mir absolut klar.<br />
Ebenso klar ist aber auch, dass wir aufgerufen sind, im Sinne<br />
<strong>de</strong>s Auftrages zu han<strong>de</strong>ln und <strong>de</strong>mentsprechend eigene Interessen<br />
zu vergessen.<br />
Wir haben einen Entscheid zu fällen, <strong><strong>de</strong>r</strong> auch vom Volk gutgeheissen<br />
wer<strong>de</strong>n kann. Einen solchen Entscheid gilt es seriös<br />
vorzubereiten. Aus diesem Grund wäre eine Rückweisung<br />
an und für sich zu begrüssen. Wenn ich allenfalls einer<br />
Rückweisung zustimme, dann aus <strong>de</strong>m Grund, dass ich befürchte,<br />
es wer<strong>de</strong> heute eine Vorlage verabschie<strong>de</strong>t, die vom<br />
Volk nicht gutgeheissen wird und wir dann, mit <strong>de</strong>n entsprechen<strong>de</strong>n<br />
Zeitverzögerungen, vor einem Scherbenhaufen stehen.<br />
Für mich stellt sich nicht die Frage nach neuen Erkenntnissen;<br />
wir haben genügend Studien und Gutachten, die pro<br />
und kontra zu <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nen Varianten Stellung nehmen.<br />
Das wird sich auch bei neuen Gutachten kaum än<strong><strong>de</strong>r</strong>n.<br />
Am Schluss wer<strong>de</strong>n beim Entscheid immer Emotionen und<br />
politische Überlegungen ausschlaggebend sein. Wollen wir<br />
zukunftsweisend bauen, müssen wir eine Flachbahn bauen.<br />
Eine solche ist schnell, energiesparend und <strong>de</strong>shalb attraktiv.<br />
Der Gotthardbasistunnel allein wird diesen Anfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen<br />
gerecht. Zu<strong>de</strong>m bringt er auch mehr Kapazitäten für die Zukunft,<br />
d. h., auf lange Zeit hinaus wird kein zweiter Alpentunnel<br />
nötig sein. Die Zahlen <strong>de</strong>s Transportes im Personen- und<br />
Güterverkehr sprechen eine <strong>de</strong>utliche Sprache zugunsten<br />
<strong>de</strong>s Gotthards.<br />
Natürlich stellt die Geologie am Gotthard, an<strong><strong>de</strong>r</strong>s gesagt <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
«Pioraschreck», ein gewisses Hin<strong><strong>de</strong>r</strong>nis dar. Selbstverständlich<br />
müssen die geologischen Abklärungen zeigen, dass ein<br />
Bau möglich ist, bevor wir damit beginnen. Da wir aber mit<br />
<strong>de</strong>m Ausbau <strong><strong>de</strong>r</strong> Lötschbergscheitelstrecke <strong><strong>de</strong>r</strong> EU ein Angebot<br />
machen können, das die momentanen, aber auch die in<br />
nächster Zukunft nötigen Bedürfnisse ab<strong>de</strong>ckt, stehen wir<br />
nicht unter Zeitdruck. Sollte ein Gotthardbasistunnel tatsächlich<br />
unrealisierbar sein, müsste das gesamte Transitverkehrsproblem<br />
neu überdacht wer<strong>de</strong>n. Wer nämlich von <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Annahme einer Realisierung <strong><strong>de</strong>r</strong> Netzvariante ausgeht, geht<br />
auch davon aus, dass <strong><strong>de</strong>r</strong> Gotthard gebaut wer<strong>de</strong>n kann.<br />
Wird <strong><strong>de</strong>r</strong> Lötschberg prioritär gebaut und könnte <strong><strong>de</strong>r</strong> Gotthard<br />
tatsächlich nicht gebaut wer<strong>de</strong>n, dann hätten wir meiner Meinung<br />
nach am Lötschberg fehlinvestiert. Für mich ist <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Lötschberg an und für sich so o<strong><strong>de</strong>r</strong> so eine Fehlinvestition.<br />
Bei einem 30-Milliar<strong>de</strong>n-Projekt soll und darf man sich nicht<br />
unter Druck setzen lassen, dies ebenfalls nicht von <strong><strong>de</strong>r</strong> EU,<br />
<strong>Amtliches</strong> <strong>Bulletin</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Bun<strong>de</strong>sversammlung</strong><br />
vor allem auch nicht, weil seitens <strong><strong>de</strong>r</strong> EU die gelten<strong>de</strong>n Abkommen<br />
nicht mit tierischem Ernst eingehalten wer<strong>de</strong>n.<br />
Das Fazit: Der Bau einer zukunftsweisen<strong>de</strong>n Neat soll eine<br />
mo<strong><strong>de</strong>r</strong>ne, energiesparen<strong>de</strong>, schnelle Flachbahn bringen. Lokale<br />
und regionale Wünsche o<strong><strong>de</strong>r</strong> I<strong>de</strong>en von Bahnromantikern<br />
haben in diesem Projekt keinen Platz. Der Gotthard<br />
muss, um Fehlinvestitionen insgesamt zu vermei<strong>de</strong>n, in erster<br />
Priorität gebaut wer<strong>de</strong>n. Sollte dies aus geologischen<br />
Grün<strong>de</strong>n nicht möglich sein, muss die Frage <strong>de</strong>s Transitverkehrs<br />
in <strong><strong>de</strong>r</strong> Schweiz neu beurteilt wer<strong>de</strong>n. 30 Milliar<strong>de</strong>n<br />
Franken dürfen nicht leichtfertig beschlossen wer<strong>de</strong>n, beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s<br />
nicht vor <strong>de</strong>m Hintergrund einer Staatsschuld von<br />
88 Milliar<strong>de</strong>n Franken.<br />
Hegetschweiler Rolf (R, ZH): So, wie wir <strong>de</strong>n Bau und die Finanzierung<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Infrastruktur <strong>de</strong>s öffentlichen Verkehrs hier in<br />
Angriff nehmen, sind wir auf <strong>de</strong>m besten Weg, ohne Bedarf<br />
zu planen, ohne Geld zu bauen und uns ohne Rücksicht auf<br />
die gegenwärtigen Schwierigkeiten auf eine Alles-o<strong><strong>de</strong>r</strong>-<br />
Nichts-Kraftprobe mit <strong>de</strong>m Volk einzulassen. «Alles» heisst<br />
Netzvariante, ohne klare Etappierung und Bedarfsnachweis;<br />
«Nichts» heisst ein Volksnein, das wir mit diesem Vorgehen<br />
gera<strong>de</strong>zu provozieren.<br />
Das Debakel <strong><strong>de</strong>r</strong> ersten Neat-Vorlage sollte uns eine Lehre<br />
sein. 10 Milliar<strong>de</strong>n Franken waren damals beantragt, etwa<br />
30 Milliar<strong>de</strong>n Franken sollen <strong>de</strong>m Volk mit <strong><strong>de</strong>r</strong> neuen Vorlage<br />
zugemutet wer<strong>de</strong>n. Das Resultat <strong><strong>de</strong>r</strong> Beratungen im Stän<strong><strong>de</strong>r</strong>at<br />
und die Mehrheitsentschei<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> nationalrätlichen Kommission<br />
lassen nicht darauf schliessen, dass <strong>de</strong>n seit 1992<br />
geän<strong><strong>de</strong>r</strong>ten Umstän<strong>de</strong>n Rechnung getragen wur<strong>de</strong>; im Gegenteil.<br />
Beginnen wir beim Bedarf: Das Schweizer Schienennetz ist<br />
bei weitem nicht voll ausgelastet. Für die nächsten zwei Jahrzehnte<br />
könnte ohne weitere grössere Investitionen ein<br />
Grossteil <strong>de</strong>s Lastwagenumfahrungsverkehrs durch Frankreich<br />
und Österreich bei uns aufgenommen wer<strong>de</strong>n. Die Vorarbeiten<br />
dazu sind am Lötschberg schon seit Jahren im Gang<br />
und haben bald eine Milliar<strong>de</strong> verschlungen, ohne bisher<br />
grossen Nutzen gestiftet zu haben. Mit zusätzlichen gut<br />
100 Millionen Franken könnte bis etwa im Jahr 2000 eine<br />
Verla<strong>de</strong>kapazität von einigen hun<strong><strong>de</strong>r</strong>ttausend Lastwagen pro<br />
Jahr für <strong>de</strong>n sogenannten Huckepackverkehr geschaffen<br />
wer<strong>de</strong>n. Diese unökonomische Transportart wird von Fachleuten<br />
ohnehin als Auslaufmo<strong>de</strong>ll bezeichnet. Warum also<br />
dafür noch mehr Geld investieren? Die Entwicklung <strong><strong>de</strong>r</strong> Güter-<br />
und insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e <strong><strong>de</strong>r</strong> Personenverkehrsnachfrage hätte<br />
eigentlich zwingend dazu führen müssen, nach Inbetriebnahme<br />
<strong>de</strong>s Vier-Meter-Korridors am Lötschberg mit Volldampf<br />
<strong>de</strong>n Gotthardbasistunnel in Angriff zu nehmen. Denn<br />
nur die Gotthardbasislinie ist eine echte Flachbahn mit einer<br />
Scheitelhöhe auf 550 Metern, nicht auf 820 Metern wie am<br />
Lötschberg. Nur die Gotthardachse verbin<strong>de</strong>t die be<strong>de</strong>uten<strong>de</strong>n<br />
Ballungszentren im Nor<strong>de</strong>n und im Sü<strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> Zentralalpen<br />
auf kürzestem Weg und vermin<strong><strong>de</strong>r</strong>t massgeblich <strong>de</strong>n<br />
Gütertransport auf <strong>de</strong>n parallel laufen<strong>de</strong>n Autobahnen A 2<br />
am Gotthard und A 13 am San Bernardino. Nur auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Gotthardachse<br />
kann im weiteren eine Neat durchgehend von<br />
Grenze zu Grenze auf Schweizer Hoheitsgebiet realisiert<br />
wer<strong>de</strong>n, und ein direkterer Anschluss <strong><strong>de</strong>r</strong> Ostschweiz und<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Region Bo<strong>de</strong>nsee an die Gotthardlinie ist möglich.<br />
Aber dank «Europa» und «Piora» ist alles an<strong><strong>de</strong>r</strong>s gekommen.<br />
Die Mehrheit <strong><strong>de</strong>r</strong> Kommission für Verkehr und Fernmel<strong>de</strong>wesen<br />
ist wie <strong><strong>de</strong>r</strong> Stän<strong><strong>de</strong>r</strong>at <strong><strong>de</strong>r</strong> Versuchung erlegen, ein<br />
regionalpolitisch motiviertes Paket zu schnüren, so etwa unter<br />
<strong>de</strong>m Motto: Wer vieles bringt, kann je<strong>de</strong>m etwas bringen.<br />
Planungs- und baubewilligungsmässig ist <strong><strong>de</strong>r</strong> Gotthardbasistunnel<br />
am weitesten voran. Nach Ansicht <strong><strong>de</strong>r</strong> SBB ist er<br />
schneller realisierbar als <strong><strong>de</strong>r</strong> Ceneri- und <strong><strong>de</strong>r</strong> Zimmerbergtunnel.<br />
Der Verwaltungsrat <strong><strong>de</strong>r</strong> SBB hält nichts vom Vorschlag<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> KVF-NR zur Etappierung. Der Bau <strong>de</strong>s Gotthardbasistunnels<br />
könnte nach Abschluss <strong><strong>de</strong>r</strong> nötigen geologischen Abklärungen<br />
über die Unsicherheiten im Pioragebiet Mitte 1999<br />
ohne weitere Verzögerungen in Angriff genommen wer<strong>de</strong>n;<br />
beim Ceneri- und beim Zimmerbergtunnel sei ein Baubeginn<br />
jedoch nicht vor <strong>de</strong>m Jahre 2000 o<strong><strong>de</strong>r</strong> 2001 möglich. Der Nut-