17.12.2012 Aufrufe

Amtliches Bulletin der Bundesversammlung Bulletin officiel de l ...

Amtliches Bulletin der Bundesversammlung Bulletin officiel de l ...

Amtliches Bulletin der Bundesversammlung Bulletin officiel de l ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

9. Juni 1997 N 1071 Berufsbildung<br />

men können – auf einer dringlichen Motion <strong><strong>de</strong>r</strong> Geschäftsprüfungskommission<br />

<strong>de</strong>s bernischen Grossen Rates. Die Initiantin,<br />

Frau Kathrin Streit-Eggimann, ist ein einflussreiches Mitglied<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> SVP, und obwohl <strong><strong>de</strong>r</strong> Vorstoss im Bereich <strong>de</strong>s<br />

Bildungswesens aus diesem Spektrum gekommen ist, wur<strong>de</strong><br />

er vom Grossen Rat einstimmig überwiesen. Das ist für unseren<br />

Kanton zumin<strong>de</strong>st sehr ungewöhnlich. Es ist auch ungewöhnlich,<br />

dass eine kantonale Initiative beim Bund <strong><strong>de</strong>r</strong>art<br />

auf Gehör stösst, wie das jetzt <strong><strong>de</strong>r</strong> Fall ist. Soweit zum Aussergewöhnlichen;<br />

jetzt kommen wir zum Seltsamen.<br />

Obwohl offenbar alle <strong><strong>de</strong>r</strong> Meinung sind, dass die Initiative<br />

eine gute Sache sei, beantragt man jetzt, <strong><strong>de</strong>r</strong> Initiative keine<br />

Folge zu geben. Mit seltsamer Logik wird behauptet, dass<br />

sonst die Kommission han<strong>de</strong>ln müsste. Zu<strong>de</strong>m wird auch argumentiert,<br />

dass das Anliegen <strong>de</strong>s Kantons Bern obsolet sei,<br />

weil die Kommission ja nun auch von <strong>de</strong>ssen Dringlichkeit<br />

überzeugt sei und uns eigene Vorstösse vorlege.<br />

Ich fasse zusammen: Es kommt ein Kanton, verlangt einmütig<br />

etwas, das vernünftig und wichtig ist, und für einmal etwas,<br />

das nicht nur für diesen Kanton vernünftig und wichtig<br />

ist, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n offenbar für die ganze Eidgenossenschaft. Und<br />

was tut das eidgenössische Parlament? Die Kommission<br />

schlägt vor, <strong><strong>de</strong>r</strong> Initiative keine Folge zu geben. Die Kommission<br />

hat sich von <strong>de</strong>n Parlamentsdiensten offenbar zu diesem<br />

seltsamen Verhalten verleiten lassen, das einen Kanton<br />

brüskieren muss.<br />

Überlegen Sie einmal, wie Sie als Parlamentarier in <strong><strong>de</strong>r</strong>selben<br />

Situation reagieren wür<strong>de</strong>n. Herr Müller Erich von <strong>de</strong>n<br />

Freisinnigen, wie reagieren Sie, wenn Sie eine Motion einreichen,<br />

die alle phantastisch fin<strong>de</strong>n, und wenn <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srat<br />

sagt, er mache etwas in dieser Richtung, <strong><strong>de</strong>r</strong> Rat dann zum<br />

Schluss kommt, Ihre Motion müsse abgelehnt wer<strong>de</strong>n? So<br />

geht das doch nicht! Wir beschliessen doch, die Motion <strong>de</strong>s<br />

Herrn Müller zu überweisen, und wir schreiben <strong>de</strong>n Vorstoss<br />

dann allenfalls ab, wenn <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srat gehan<strong>de</strong>lt hat.<br />

Bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Stan<strong>de</strong>sinitiative Bern sagt die Kommission nun, das<br />

gehe nicht. Darf ich Sie daran erinnern, dass wir genau das<br />

im letzten März mit einer parlamentarischen Initiative unter<br />

<strong>de</strong>m Titel «Ergänzung <strong>de</strong>s Tierschutzgesetzes» zum Thema<br />

Qualzucht gemacht haben? Der Rat hat dieser Initiative einstimmig<br />

Folge gegeben und dann beschlossen, sie zu sistieren,<br />

weil <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srat versprach, er wolle in diesem Bereich<br />

aktiv wer<strong>de</strong>n (vgl. AB 1997 N 496). Mir scheint das ein gutes<br />

Vorgehen; wenn <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srat nun im Bereich Qualzucht<br />

aktiv wird, wird die Initiative dann richtigerweise abgeschrieben.<br />

Genau das müssen wir hier auch tun: die Initiative überweisen<br />

und dann sistieren. Wenn wir dann die Vorstösse überweisen<br />

und <strong><strong>de</strong>r</strong> Stän<strong><strong>de</strong>r</strong>at vielleicht auch noch zustimmt und<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srat han<strong>de</strong>lt, dann – und erst dann – können wir die<br />

Stan<strong>de</strong>sinitiative Bern abschreiben – ohne weitere Arbeit;<br />

alle wer<strong>de</strong>n glücklich sein. Sollte aber ein wichtiger Teil <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Vorstösse auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Strecke bleiben, hätten wir mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Initiative<br />

einen zweiten Pfeil im Köcher.<br />

Überlegen Sie sich einmal, was passiert, wenn das seltsame<br />

Verfahren, das die Kommission vorschlägt, nun zum Durchbruch<br />

kommen sollte. Kein Kanton könnte mehr mit Erfolg<br />

eine Initiative einreichen, <strong>de</strong>nn es gäbe nur zwei Möglichkeiten:<br />

Entwe<strong><strong>de</strong>r</strong> reicht <strong><strong>de</strong>r</strong> Kanton eine Initiative ein, die wir für<br />

falsch befin<strong>de</strong>n; dann beschliessen wir, ihr keine Folge zu geben.<br />

O<strong><strong>de</strong>r</strong> er reicht eine überaus vernünftige Initiative ein, bei<br />

welcher die Kommission fin<strong>de</strong>t, hier müsse man tatsächlich<br />

etwas machen. Damit es aber schneller geht, macht sie eigene<br />

Vorstösse und beschliesst dann, <strong><strong>de</strong>r</strong> Initiative ebenfalls<br />

keine Folge geben. Das geht doch einfach nicht!<br />

Wenn wir die Kantone respektieren und ihre Mitarbeit wünschen,<br />

dann sollten wir sie nicht düpieren, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n sie zu einem<br />

Erfolgserlebnis kommen lassen.<br />

Ich bitte Sie daher, <strong><strong>de</strong>r</strong> Initiative auch formal – nicht nur, was<br />

<strong>de</strong>n Inhalt betrifft – Folge zu geben. Ich bin durchaus einverstan<strong>de</strong>n,<br />

dann eine weitere Behandlung zu sistieren, bis das<br />

Schicksal <strong><strong>de</strong>r</strong> Vorstösse bekannt ist.<br />

Es geht hier also nicht um <strong>de</strong>n Inhalt, <strong><strong>de</strong>r</strong> meinerseits unbestritten<br />

ist, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n es geht um die richtige und korrekte<br />

Form, wie man in Wür<strong>de</strong> einen guten Vorschlag eines Kan-<br />

<strong>Amtliches</strong> <strong>Bulletin</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Bun<strong>de</strong>sversammlung</strong><br />

tons in diesem Parlament behan<strong>de</strong>lt, das immer behauptet,<br />

die Kantone seien ihm wichtig.<br />

Weber Agnes (S, AG): Der vorliegen<strong>de</strong> Bericht über die Berufsbildung<br />

<strong>de</strong>s Biga kommt nicht über eine oberflächliche,<br />

pragmatische Beschreibung kurz- und mittelfristig notwendiger<br />

Massnahmen hinaus. Er leistet keine tiefgreifen<strong>de</strong> Stärken-Schwächen-Analyse;<br />

die Einbettung in <strong>de</strong>n Stand <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Forschung fehlt weitgehend. Der Bericht setzt keine Prioritäten<br />

und macht kaum prospektive Aussagen.<br />

Die WBK schlägt Ihnen <strong>de</strong>shalb einstimmig vor, mit zukunftsweisen<strong>de</strong>n<br />

Vorstössen eine grundsätzliche Reform <strong><strong>de</strong>r</strong> Berufsbildung<br />

einzuleiten, um <strong>de</strong>n Ausbildungs- und Werkplatz<br />

Schweiz langfristig zu stärken und die <strong><strong>de</strong>r</strong>zeitige ernsthafte<br />

Krise in <strong><strong>de</strong>r</strong> Berufsbildung zu überwin<strong>de</strong>n.<br />

Ich greife einige Punkte heraus:<br />

1. Die Trennung in Biga-Berufe (Industrie, Gewerbe und<br />

Technik) und Nicht-Biga-Berufe (Gesundheitswesen, Soziales<br />

usw.) stammt aus <strong>de</strong>m letzten – bald vorletzten – Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>t.<br />

Sie hat zu einer zerrissenen Bildungslandschaft mit<br />

unterschiedlichen Regelungen geführt.<br />

Die Trennlinie zwischen Biga- und Nicht-Biga-Berufen trennt<br />

bekanntlich auch zwischen sogenannten Männer- und Frauenberufen.<br />

So richtet sich z. B. die vom Biga finanziell geför<strong><strong>de</strong>r</strong>te<br />

Weiterbildung zu 80 bis 90 Prozent an Männer. Vielleicht<br />

ist dies mit ein Grund, warum sich Frauen nur zu einem<br />

Drittel weiterbil<strong>de</strong>n, statt wie die Männer zu zwei Dritteln. Berufe<br />

aller Richtungen sollten gleich behan<strong>de</strong>lt wer<strong>de</strong>n, damit<br />

folgen<strong>de</strong> Anliegen optimal gewährleistet sind:<br />

– die rechtliche Gleichstellung;<br />

– <strong><strong>de</strong>r</strong> Zugang zu einem eidgenössischen Fähigkeitsausweis<br />

und zu Berufsmaturität und Fachhochschulen;<br />

– die Einhaltung hoher beruflicher Standards;<br />

– die Europatauglichkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Berufsbildung in <strong><strong>de</strong>r</strong> kleinräumigen<br />

Schweiz.<br />

Aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> Aussagen von Herrn Arnet, Sekretär <strong><strong>de</strong>r</strong> Erziehungsdirektorenkonferenz,<br />

an einem Hearing <strong><strong>de</strong>r</strong> WBK bin<br />

ich überzeugt, dass die Kantone zu einer vernünftigen Lösung<br />

in unserem Sinn Hand bieten wer<strong>de</strong>n.<br />

2. Zur Chancengleichheit: Die Berufswahl verläuft in <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Schweiz in einem Ausmass geschlechtsspezifisch wie in keinem<br />

an<strong><strong>de</strong>r</strong>en europäischen Land. 70 Prozent <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen<br />

konzentrieren sich auf 12 Berufe, die sich zu fast 90 Prozent<br />

im Dienstleistungssektor befin<strong>de</strong>n und oft eine geringe Zukunftsperspektive<br />

beinhalten. Der Anteil weiblicher Studieren<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

liegt z. B. bei <strong>de</strong>n Ingenieurschulen unter 5 Prozent.<br />

Die Zahl <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen im Informatik- und Wirtschaftsbereich ist<br />

seit <strong>de</strong>n achtziger Jahren wie<strong><strong>de</strong>r</strong> zurückgegangen.<br />

Die Motivationskampagne «Berufswahl für Frauen», die Teil<br />

<strong>de</strong>s Lehrstellenbeschlusses im Investitionsprogramm ist, soll<br />

Mädchen und Frauen ermuntern, die Berufswahl stärker auf<br />

ihre Neigungen und Fähigkeiten auszurichten als auf tradierte<br />

Rollenvorstellungen. Der Anspruch, die beruflichen<br />

Chancen und das Potential <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen zu för<strong><strong>de</strong>r</strong>n, muss ein<br />

dauerhaftes Reformprojekt <strong><strong>de</strong>r</strong> Berufsbildung wer<strong>de</strong>n.<br />

3. Zur modularen Weiterbildung: Eine wachsen<strong>de</strong> wirtschaftliche<br />

Dynamik verlangt von <strong>de</strong>n Menschen zur Erhaltung ihrer<br />

Arbeitsmarktfähigkeit eine permanente Weiterbildung.<br />

Der beruflichen Weiterbildung fehlen <strong><strong>de</strong>r</strong>zeit geordnete<br />

Strukturen. Es herrscht ein weitgehen<strong>de</strong>s Laisser-faire. Dies<br />

kommt gera<strong>de</strong> jetzt bei <strong>de</strong>n Kursangeboten an <strong>de</strong>n regionalen<br />

Arbeitsvermittlungszentren (RAV) zum Ausdruck. Private<br />

bieten auf <strong>de</strong>m Arbeitslosenmarkt viele Kurse an, aber es ist<br />

kaum möglich, diese Angebote zu überprüfen. Die Beurteilung<br />

muss aufgrund objektiver Kriterien und staatlicher Zertifizierung<br />

erfolgen, damit das heutige, oft teure und zu Missbräuchen<br />

einla<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Jekami im Kurswesen <strong><strong>de</strong>r</strong> RAV in vernünftige<br />

Bahnen gelenkt wer<strong>de</strong>n kann.<br />

Die For<strong><strong>de</strong>r</strong>ung nach <strong><strong>de</strong>r</strong> Modularisierung kommt diesem Anliegen<br />

entgegen und ist <strong>de</strong>mzufolge sehr praxisnah. Über die<br />

Zertifizierung wird die Qualität gesichert. Die Bildungswilligen,<br />

die sich flexibel und individuell Fähigkeiten und Fertigkeiten,<br />

die ständig erweitert und aktualisiert wer<strong>de</strong>n können,<br />

über Module aneignen, erhalten einen Leistungsnachweis für<br />

einen absolvierten Bildungsbaustein, <strong><strong>de</strong>r</strong> in einem Qualifika-

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!