Amtliches Bulletin der Bundesversammlung Bulletin officiel de l ...
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9. Juni 1997 N 1075 Berufsbildung<br />
3. Die Mitsprache und Mitgestaltung aller Berufsbildungsbereiche:<br />
Es kann nicht sein, dass in erster Linie nur gera<strong>de</strong> die<br />
sogenannten Biga-Berufe gehegt und gepflegt wer<strong>de</strong>n. Eine<br />
Koordination ist dringend nötig.<br />
4. Es darf keinesfalls Sache <strong><strong>de</strong>r</strong> Politik o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Behör<strong>de</strong><br />
sein, in eigener Kompetenz die neuen Berufsfel<strong><strong>de</strong>r</strong> nach ihrem<br />
Gutdünken zu bestimmen. Das ist Sache <strong><strong>de</strong>r</strong> Wirtschaft<br />
und <strong><strong>de</strong>r</strong> betroffenen Branchen.<br />
Bei <strong>de</strong>n Kommissionsmotionen und -postulaten ist die Stellungnahme<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Fraktion <strong><strong>de</strong>r</strong> Freiheits-Partei nicht an<strong><strong>de</strong>r</strong>s als<br />
in <strong><strong>de</strong>r</strong> Kommission.<br />
Zur Motion 97.3245: Diese lehnen wir klar ab und unterstützen<br />
die Min<strong><strong>de</strong>r</strong>heit, gleichzeitig aber auch die Argumente und<br />
Erläuterungen von Kollege Bortoluzzi. Vor allem <strong>de</strong>n zweiten<br />
Teil dieser Motion sehen wir nicht ein: Warum sollen wir uns<br />
jetzt schon mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Frage eines neuen Bun<strong>de</strong>samtes beschäftigen,<br />
nur weil sich einige Bun<strong>de</strong>sbeamte seit Jahren im<br />
«Rückenschwumm» bewegen?<br />
Zur Motion 97.3248: Hier ist nicht einzusehen, warum wir nun<br />
plötzlich, d. h. bis 1998, ein Baukastenprinzip in <strong><strong>de</strong>r</strong> beruflichen<br />
Weiterbildung finanzieren und realisieren sollen. So<br />
wird doch alles unter Hochdruck geän<strong><strong>de</strong>r</strong>t; damit ist schon<br />
vorprogrammiert, dass ähnliche Fehler wie in <strong><strong>de</strong>r</strong> Vergangenheit<br />
passieren wer<strong>de</strong>n. Geben Sie einer seriösen Sache<br />
etwas mehr Zeit!<br />
Zum Postulat 97.3250: Dieses lehnen wir ab, weil wir Steuererleichterungen<br />
als <strong>de</strong>nkbare Lenkungsmassnahme zur<br />
Lehrstellenför<strong><strong>de</strong>r</strong>ung, ein Bonus-Malus-System nach <strong>de</strong>m<br />
sogenannten Genfer Mo<strong>de</strong>ll, überprüfen sollten. Es macht<br />
keinen Sinn, einem solchen Mo<strong>de</strong>ll nachzueifern, zumal es –<br />
das ist eine ganz spezielle Sache – in diesem Kanton offenbar<br />
gut ist; aber schauen Sie sich auch die Finanzlage dieses<br />
Kantons an!<br />
Man braucht doch nicht das, was sich offenbar in einem Kanton<br />
bewährt, in an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Kantonen mit gesun<strong><strong>de</strong>r</strong> Marktwirtschaft<br />
ebenfalls zu machen! Hier strecken einige Politiker<br />
meines Erachtens <strong>de</strong>n Kopf wie<strong><strong>de</strong>r</strong> or<strong>de</strong>ntlich zum Fenster<br />
hinaus. Diese Frage muss von Verbän<strong>de</strong>n und Betrieben angegangen<br />
wer<strong>de</strong>n. Nicht Politiker schaffen Arbeitsplätze und<br />
neue Lehrstellen! Es sind freie Unternehmer, die noch Mut<br />
und Glauben in die Zukunft haben – und nicht frustrierte und<br />
reglementieren<strong>de</strong> Planwirtschafter!<br />
Den an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Kommissionspostulaten und -motionen stimmen<br />
wir zu.<br />
Ich bitte Sie abschliessend, nicht zu vergessen, dass wir<br />
letztlich – unabhängig von <strong><strong>de</strong>r</strong> Art <strong><strong>de</strong>r</strong> Berufs- und Weiterbildung<br />
– Berufsleute brauchen, die Facharbeiten verrichten<br />
und nicht nur einfach Managementaufgaben erfüllen. Wir<br />
brauchen nicht nur Häuptlinge, wir brauchen auch Indianer!<br />
Zwygart Otto (U, BE): Zuerst eine Vorbemerkung: Der Kommission<br />
für Bildung und Wissenschaft ist für ihre Arbeit zu<br />
gratulieren. Es ist nicht selbstverständlich, dass eine Kommission<br />
so substantielle Arbeit leistet. Es ist dann zwar auch<br />
Zufall, dass es genau im richtigen Zeitpunkt geschieht respektive<br />
in einem Zeitpunkt, in <strong>de</strong>m <strong><strong>de</strong>r</strong> Markt offen ist.<br />
Wir haben ja schon in <strong><strong>de</strong>r</strong> letzten Session erfahren, dass die<br />
Vorschläge <strong><strong>de</strong>r</strong> WBK auf fruchtbaren Bo<strong>de</strong>n gefallen sind.<br />
Demgegenüber ist die Vorlage <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>srates zur Berufsbildung<br />
eine gute Fleissarbeit, aber mehr nicht. Das Visionäre<br />
fehlt ihr, trotz <strong><strong>de</strong>r</strong> 37 Vorschläge. Es ist <strong><strong>de</strong>r</strong> Gerechtigkeit<br />
halber zu sagen, dass es auch an <strong><strong>de</strong>r</strong> Sache liegt. Die<br />
Bun<strong>de</strong>saufgabe in diesem Bereich ist beschränkt. Trotz<strong>de</strong>m<br />
sollte eine Bun<strong>de</strong>sbehör<strong>de</strong> fähig sein respektive <strong>de</strong>n Mut aufbringen,<br />
einmal etwas «unter <strong>de</strong>m Zaun durch zu grasen»<br />
und ein wenig visionär zu sein.<br />
Die Kommission hat nun <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeit zur Berufsbildung mit <strong>de</strong>n<br />
Motionen und Postulaten Konturen verliehen. Unsere Fraktion<br />
stimmt <strong>de</strong>n Anträgen <strong><strong>de</strong>r</strong> Kommission bzw. <strong><strong>de</strong>r</strong> Mehrheit<br />
im Grundsatz zu.<br />
Die LdU/EVP-Fraktion ist dankbar, dass wir die Möglichkeit<br />
haben, zur Berufsbildung Stellung zu beziehen, <strong>de</strong>nn es geht<br />
um ein vordringliches Problem. Ausbildung und Weiterbildung<br />
sind und bleiben Grundlage <strong><strong>de</strong>r</strong> sozialen Wohlfahrt und<br />
<strong>Amtliches</strong> <strong>Bulletin</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Bun<strong>de</strong>sversammlung</strong><br />
bil<strong>de</strong>n die Basis für ein friedliches Zusammenleben <strong><strong>de</strong>r</strong> Generationen<br />
und <strong><strong>de</strong>r</strong> verschie<strong>de</strong>nen Lan<strong>de</strong>sgegen<strong>de</strong>n.<br />
Die Berufslehre ist einem be<strong>de</strong>uten<strong>de</strong>n Wan<strong>de</strong>l unterworfen.<br />
Die weitere Ausbildung nach Abschluss <strong><strong>de</strong>r</strong> obligatorischen<br />
Schulzeit ist heute zum Normalfall gewor<strong>de</strong>n. Dass es Ungelernte<br />
gab, war früher normal; sie bil<strong>de</strong>ten einen grossen Teil<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Bevölkerung. Heute ist aber ein Ungelernter zu einem<br />
Randständigen gewor<strong>de</strong>n, ja er wird zum Versager abgestempelt,<br />
und das ist gefährlich. Wir müssen versuchen, da<br />
so gut wie möglich Gegensteuer zu geben.<br />
Die Allgemeinbildung und die Berufsbildung sind heute viel<br />
mehr verzahnt, als das früher <strong><strong>de</strong>r</strong> Fall war. Die Berufsbildung<br />
hat nämlich eine allgemeinbil<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Funktion erhalten<br />
und ist nicht mehr nur Berufsbildung. Es gibt also keinen Gegensatz<br />
– o<strong><strong>de</strong>r</strong> gab wahrscheinlich im Grun<strong>de</strong> genommen<br />
nie einen Gegensatz – zwischen Allgemeinbildung und Berufsbildung.<br />
Der erfolgreiche Handwerker war auch <strong><strong>de</strong>r</strong>jenige,<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> in <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft im Dorf zum Beispiel im Gemein<strong><strong>de</strong>r</strong>at<br />
willkommen war und sachdienliche Arbeit geleistet<br />
hat.<br />
Die pädagogischen Rekrutenprüfungen haben gezeigt, dass<br />
bezüglich <strong><strong>de</strong>r</strong> grundlegen<strong>de</strong>n Allgemeinbildung einerseits<br />
eine grosse Kluft zwischen <strong>de</strong>n Absolventen von Mittelschulen<br />
– <strong>de</strong>n Gymnasiasten – und <strong>de</strong>n Lehrlingen besteht, an<strong><strong>de</strong>r</strong>erseits<br />
aber vor allem zwischen <strong>de</strong>n Lehrlingen und <strong>de</strong>n Ungelernten.<br />
Bisher galt die Devise, dass die Berufsbildung vor allem im<br />
Interesse <strong><strong>de</strong>r</strong> Wirtschaft liege, die qualifizierte Fachkräfte<br />
brauche. Sie liegt aber als eine <strong><strong>de</strong>r</strong> möglichen, notwendigen<br />
Ergänzungen zur obligatorischen Schulpflicht immer mehr<br />
auch im Interesse <strong><strong>de</strong>r</strong> Öffentlichkeit. Das duale System ist in<br />
diesem Sinne sinnvoll, aber reformbedürftig.<br />
Zu bedauern ist, dass wir heute nicht wissen, wo die grossen<br />
Ansammlungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Jugendlichen ohne Berufslehre sind. Wir<br />
vermuten sie bei Auslän<strong><strong>de</strong>r</strong>n. Liegen sie aber nicht bei <strong>de</strong>n<br />
Neueingereisten, bei <strong>de</strong>n Schutzbedürftigen o<strong><strong>de</strong>r</strong> vor allem<br />
bei <strong><strong>de</strong>r</strong> zweiten Generation, <strong><strong>de</strong>r</strong> wir sprachlich nichts anmerken?<br />
Das sind offene Fragen, und solange wir diese nicht beantworten<br />
können, tappen wir immer wie<strong><strong>de</strong>r</strong> im finstern. Wir<br />
brauchen Grundlagen. Die müssen erarbeitet wer<strong>de</strong>n.<br />
Im weiteren stellen wir fest, dass ein Kompetenzwirrwarr besteht.<br />
Nach <strong><strong>de</strong>r</strong> obligatorischen Schulpflicht herrscht grösster<br />
Wirrwarr zwischen Privaten, Kantonen und Bund. Einerseits<br />
gibt es Gymnasien, Seminare usw., die kantonal geregelt<br />
sind, an<strong><strong>de</strong>r</strong>erseits erwarten wir aber später, dass z. B. ein<br />
Lehrerpatent kantonsübergreifend Gültigkeit haben soll.<br />
Hochschulen, Fachhochschulen, teils eidgenössisch, teils<br />
kantonal, haben einen grossen Bun<strong>de</strong>seinfluss und trotz<strong>de</strong>m<br />
kantonale Momente. Dann gibt es die Biga-Lehren, bei <strong>de</strong>nen<br />
die Einwirkungen von Bund und Kantonen auch in verschie<strong>de</strong>ner<br />
Art und Weise verzahnt sind. Es ist von entschei<strong>de</strong>n<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Be<strong>de</strong>utung, dass gehan<strong>de</strong>lt wird. Eine qualitativ<br />
hochstehen<strong>de</strong>, ganzheitliche Berufsbildung ist anzustreben.<br />
Der heutige «Flickenteppich» von Biga-Berufen und Berufen<br />
im Landwirtschafts-, Gesundheits- und Sozialwesen muss<br />
<strong>de</strong>n Anfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen und Strukturen angepasst wer<strong>de</strong>n.<br />
Der Bund einerseits hat seine Führungsrolle in <strong><strong>de</strong>r</strong> Berufsbildung<br />
wahrzunehmen und <strong>de</strong>mentsprechend Rahmenbedingungen<br />
zu fixieren. An<strong><strong>de</strong>r</strong>erseits muss die Wirtschaft auch<br />
die Möglichkeit haben voranzugehen. Die Flexibilität ist<br />
ebenso notwendig. Das eidgenössische Berufsbildungsgesetz<br />
ist dringend anzupassen; die gefor<strong><strong>de</strong>r</strong>te Neuorientierung<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> beruflichen Grundausbildung nach Berufsfel<strong><strong>de</strong>r</strong>n und die<br />
Schaffung eines modularen Aufbaus in allen Sparten sind<br />
umgehend an die Hand zu nehmen. Vor allem aber sind neben<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Grundausbildung auch die Fort- und Weiterbildung<br />
im Sinne <strong>de</strong>s lebenslangen Lernens klar zu ordnen.<br />
Zum Schluss noch ein Wort zum Anreiz für ein Lehrstellenangebot:<br />
Lei<strong><strong>de</strong>r</strong> ist das Angebot für Lehrstellen nach wie vor ungenügend.<br />
Die Politik, aber ebenso Industrie, Han<strong>de</strong>l und<br />
Gewerbe sind gefor<strong><strong>de</strong>r</strong>t, aus sozialen, aber auch aus kulturellen<br />
Grün<strong>de</strong>n grosse Anstrengungen für die Aus- und Weiterbildung<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> jungen Generation zu unternehmen, klare Signale<br />
auszusen<strong>de</strong>n und Massnahmen zu ergreifen. Erste<br />
Schritte sind zum Glück in die Wege geleitet. Wenn nicht