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Blau, Peter M.<br />

geht der Frage nach, welche Kräfte Menschen zusammen bringen oder sie auseinander treiben.<br />

Seine erste Antwort: Gegenseitige Anziehung. Menschen schließen sich zusammen, weil sie aus<br />

dieser Verbindung eine Belohnung erwarten und so ihren Gewinn erhöhen. Die Verbindung zwischen<br />

Menschen lässt sich, so Blau, als Austausch von Belohnungen betrachten.<br />

Blau sagt hier in Übereinstimmung zur Theorie von George C. Homans (1961): "Sozialer Austausch,<br />

so wie der Begriff hier verwendet wird, bezieht sich auf freiwillige Handlungen von Individuen, die<br />

durch Gegenleistungen motiviert sind, die sie erwartungsgemäß einbringen sollen und typischerweise<br />

auch einbringen." 1<br />

Blau erklärt weiters, dass sozialer Austausch einen natürlichen Trend zur Gegenseitigkeit besitzt,<br />

der nur sekundär durch eine Norm der Reziprozität verstärkt wird. An diesem Punkt steht Blau im<br />

Widerspruch zu Alvin Gouldner. Für Blau und andere Tauschtheoretiker, wie etwa den <strong>Klassiker</strong><br />

der Soziologie Georg Simmel, ist die Gegenseitigkeit der Interaktion dasjenige Element, welches<br />

dem sozialen Leben Struktur, Ordnung und Vorhersehbarkeit gibt. Reziprozität ist die eigentliche<br />

Grundlage von Interaktionen. Reziprozität lässt sich so gut wie überall beobachten:<br />

"Tauschvorgänge auf Gegenseitigkeit gibt es nicht nur in Marktbeziehungen sondern auch in der<br />

Freundschaft und in Liebesbeziehungen [...] und in allen möglichen anderen Kontakten zwischen diesen<br />

Extremen. Nachbarn tauschen kleine Hilfen, kleine Freundlichkeiten, Spielzeuge aus und hüten<br />

gegenseitig ihre Kinder; Kollegen helfen sich; Bekannte schenken sich Höflichkeit und Aufmerksamkeit;<br />

Politiker handeln mit Zugeständnissen, Diskutanten mit Ideen, Hausfrauen mit Rezepten."<br />

2<br />

Blau unterscheidet ausdrücklich zwischen dem sozialen Austausch, der viel weniger genau festgelegt<br />

ist, und dem streng ökonomischen Austausch. Er verweist auf Bronislav Malinowskis Analyse des<br />

Schenkens bei den Kula Pazifik-Inselbewohnern, bei denen das Schenken normativ geregelte Formen<br />

des Austausches sind und somit institutionalisiert ist. Auch nimmt er Bezug zu dem von Marcel<br />

Mauss erwähnten Beispiel von den Kwakiutl und anderen Indianerstämmen, die zeigen, dass man<br />

durch Schenken soviel Dominanz aufbauen kann, die der Gegenseite keine andere Wahl lässt als die<br />

Überlegenheit der schenkenden Seite anzuerkennen und sich ihrer Macht unterzuordnen.<br />

Eine weitere Kraft, die sich in Austauschverhältnissen bemerkbar macht, ist die Macht. Während<br />

sich Max Weber in seinen Ausführungen über Macht und Herrschaft auf soziales Handeln bezieht,<br />

so betont Peter M. Blau die Entstehung von Macht durch sozialen Beziehungen, Verbindungen und<br />

Organisationen. Ungleichgewichte in Verpflichtungen, die in sozialen Interaktionen eingegangen<br />

werden, produzieren Unterschiede an Macht. Wiederholte Vergünstigungen, die nicht erwidert<br />

werden, verpflichten den Empfänger, sich den Anforderungen des Versorgers zu beugen und verleihen<br />

damit dem letzteren die Macht. Menschen, sagt Blau, neigen dazu, sich in ihren Beziehungen<br />

zueinander von ihrem Wunsch nach sozialen Belohnungen verschiedenster Art leiten zu lassen und<br />

der daraus resultierende Austausch von Begünstigungen formt die Struktur sozialer Beziehungen. Für<br />

Menschen, die über ihr eigenes Schicksal entscheiden wollen, ist es frustrierend, einer überlegenen<br />

Macht unterworfen zu sein. Sie werden versuchen, sich dieser Macht zu widersetzen oder ihr zu<br />

entgehen.<br />

Welche Faktoren stabilisieren die etablierte Macht? Hier greift Blau auf Max Weber (1922/1976:<br />

122-124) zurück, der argumentierte, dass nur diejenige Macht eine stabile Grundlage haben kann,<br />

die in legitimer Autorität wurzelt. In Übereinstimmung mit Parsons (1937/1968) sieht Blau letzlich<br />

1 Blau, Peter (1964): S. 91<br />

2 Blau, Peter (1964): S. 88<br />

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