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Plessner, Helmuth<br />

116.2. Historischer Kontext<br />

Plessner selbst charakterisierte das geisteswissenschaftliche Denken als "personengebundenes" und<br />

"unvertretbares" Denken.<br />

Einige wichtige Eckdaten seiner Biographie, welche seine Schriften beeinflusst haben:<br />

Helmuth Plessner war 1892 als ein Kind des Kaiserreiches geboren. Er erlebte zwei Weltkriege,<br />

die Weimarer Republik und das Naziregime. Als zwanzigjähriger Student der Zoologie an der<br />

Universität Heidelberg schrieb er 1913 die übermütige und im Nachhinein kuriose Jugendschrift<br />

"Die wissenschaftliche Idee", mit der sich nur nebenher mit Philosophie beschäftigt hatte, erweckte<br />

die Aufmerksamkeit des Philosophen Wilhelm Windelband.<br />

Plessner führte in dieser Zeit ein Doppelleben. Während er am Tag an seiner zoologischen Dissertation<br />

über den Lichtsinn der Seesterne arbeitete, schrieb er in der Nacht an seinen philosophischen<br />

Werken. 1914 entschloss sich Plessner schließlich nach Göttingen zu gehen und sich auf Philosophie<br />

zu konzentrieren. 1916 verfasste er schließlich seine Dissertation "Vom Anfang als Prinzip transzendentaler<br />

Wahrheit" bzw. "Krisis der transzendentalen Wahrheit im Anfang" die über eine Kritik der<br />

Phänomenologie handelte.<br />

1920 habilitierte er in Köln, wo er bis 1932 lehrte. Die dreizehn Jahre an der Universität Köln<br />

bedeuten in Plessners Werdegang eine äußerst produktive und zugleich entscheidende Phase seines<br />

Schaffens. Zu den bekanntesten seiner Werke in dieser Zeit zählt "Die Einheit der Sinne", welches<br />

1923 erschien und als direkter Vorläufer seiner Grundlegung der philosophischen Anthropologie<br />

angesehen werden kann, die 1928 mit seinem Hauptwerk, den "Stufen des Organischen und der<br />

Menschen. Einleitung in die philosophische Anthropologie", seine Weiterführung fand.<br />

Auf Grund der jüdischen Herkunft seines Vaters verlor Plessner 1933 nicht nur die Lehrerlaubnis<br />

in Deutschland, er musste auch noch für einige Jahre untertauchen. Zuerst in Istanbul und dann,<br />

mit Hilfe des Anthropologen F.J.J. Buytendijk, in den Niederlanden. 1939 übernahm er dann an der<br />

Universität in Groningen einen Lehrstuhl für Soziologie an, den er 1943 auf Verlangen der deutschen<br />

Besatzungsbehörden wieder verlassen musste. Erst 1946 wurde er wieder Ordinarius in Groningen,<br />

bis er 1951 wieder zurück nach Deutschland ging, um einen Lehrstuhl an dem neugegründeten<br />

Institut für Sozialforschung in Göttingen zu übernehmen. Plessner betrieb den institutionellen<br />

Aufbau der Soziologie in Göttingen und lehrte gleichzeitig Philosophie. Weiters war er auf Bitten<br />

von Horkheimer und Adorno eine Weile als führender Mitarbeiter am Institut für Sozialforschung<br />

in Frankfurt beteiligt und setzte in Göttingen neben Impulsen zur Sportsoziologie, umfangreiche<br />

empirische Untersuchungen zur Hochschule sowie zur Gemeinde- und Bildungssoziologie in Gang.<br />

Auch wenn durch seiner Emigration sein Einfluss in der Lehre in Deutschland abgebrochen war<br />

und das Naziregime der Rezeption seiner Schriften in Deutschland im Weg stand, verfolgte er aus<br />

Distanz die Entwicklung in Deutschland und reagierte nach seiner Rückkehr auf seine Weise auf die<br />

Nachkriegsprobleme. So arbeitete er an der politischen Erwachsenenbildung, welche die Menschen<br />

kritisch und aufgeschlossen machen sollte für die aktuellen Entwicklungen. Weiters führte ihn seine<br />

Lehrtätigkeiten noch in die USA (Emeritus an der New School of Social Research) wie auch in die<br />

Schweiz (Lehrauftrag für Philosophie).<br />

Plessners Zeit war geprägt von politischen und gesellschaftlichen Umbrüchen sowie von einer<br />

rasanten wissenschaftlichen und technischen Entwicklung. Seine Arbeiten reflektierten diese Entwicklungen,<br />

suchen einen kritischen Bezug zur jeweiligen Situation, jedoch keine fatalistische<br />

Weltuntergangsstimmung, die seit den zwanziger Jahren in Deutschland sehr verbreitet war. Vielmehr<br />

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