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Theorien<br />

sich in den pragmatischen Zusammenhängen des Alltags generiert. Daher gilt auch, dass die<br />

Grundstrukturen der menschlichen Erfahrung und der Interaktion sich nicht am besten in der Sphäre<br />

der Wissenschaft rekonstruieren lassen, denn sie ist hierfür eine viel zu späte und zu spezifische<br />

Kulturerscheinung.<br />

Schütz ist zu einer Generation zu zählen, die sowohl den 1. als auch den 2. Weltkrieg miterleben<br />

musste. Als er 1918 aus dem Kriegsdienst zurückkehrt, findet er Wien als von radikalen Umbrüchen,<br />

Wohnungsnot, Arbeitslosigkeit, Inflation u. dgl. geplagte Hauptstadt eines an Größe drastisch<br />

geschrumpften Österreichs vor. Eine Umbruchsituation die sich in zahlreichen kulturellen und<br />

wissenschaftlichen Bereichen, durch einen Bruch mit traditionellen Stiel- und Denklinien äußert.<br />

Z.B. in der Ökonomie 249 durch die Grenznutzenschule 250 , in der Philosophie 251 durch den<br />

Neopositivismus 252 des Wiener Kreises 253 oder durch Sigmund Freuds’ 254 Psychoanalyse 255 .<br />

256 An dieser Stelle könnte die Vermutung geäußert werden, dass ein gewisser Verlust an<br />

Erwartungssicherheit auch seine fruchtbaren Auswirkungen mit sich bringt. Jedenfalls sehen wir,<br />

dass Schütz bereits in jungen Jahren, durch äußere Umstände hervorgerufen, erleben musste,<br />

wie seine persönliche Konstruktion der Wirklichkeit drastische Veränderungen erfuhr, sowohl<br />

auf gesamtgesellschaftlicher als auch auf individueller Ebene und demnach umgestaltet werden<br />

musste. Im späteren Lebensverlauf wird diese Erfahrung durch eine zweifache Emigration, erst<br />

nach Frankreich und später in die USA, noch verstärkt. Wir können somit annehmen, dass<br />

seine Abhandlungen „ Der Fremde 257 “ (1944) und „Der Heimkehrer“ (1945) diese Erlebnisse unmittelbar<br />

verarbeiten. Aber auch sein Gesamtwerk kann im Lichte dieser Eindrücke gesehen werden.<br />

1921 beendet Schütz sein rechts- und sozialwissenschaftliches Studium an der Universität Wien und<br />

erlangt den Grad eines Doktors der Jurisprudenz. Noch im selben Jahr beginnt er eine berufliche<br />

Tätigkeit als Sekretär der Bankvereinigung in Wien. Von nun an bleibt seine wissenschaftliche<br />

Betätigung beinahe Zeit seines Lebens, also auch im Exil, auf die übrige Zeit neben der beruflichen<br />

Pflichterfüllung beschränkt. Das wissenschaftliche Schaffen und Publizieren muss von chronischem<br />

Zeitmangel geprägt gewesen sein. Dies äußert sich in der Tatsache, dass Schütz neben zahlreichen,<br />

verstreut erschienen Aufsätzen lediglich ein Buch selbst zur Veröffentlichung bringt: „Der Sinnhafte<br />

Aufbau der sozialen Welt“. Neben diesen Arbeiten bilden zwei posthum veröffentlichte Manuskripte<br />

über „Das Problem der Personalität in der Sozialwelt“ und zum „Problem der Relvanz“ die Grundlage<br />

für seine Analyse der Lebenswelt. 258 Über die Frage, warum Schütz keine Habilitation 259 und<br />

somit keine akademische Karriere angestrebt hat, kann eigentlich nur gemutmaßt werden. Dennoch<br />

ist anzunehmen, dass bereits vor der Machtübernahme der Nazis in Österreich eine gewisse<br />

antisemitische Selektion bei der Verleihung der Professorenwürde betrieben wurde. Dies führt dann<br />

249 http://de.wikipedia.org/wiki/%C3%96konomie<br />

250 http://de.wikipedia.org/wiki/Grenznutzenschule<br />

251 http://de.wikipedia.org/wiki/Philosophie<br />

252 http://de.wikipedia.org/wiki/Neopositivismus<br />

253 http://de.wikipedia.org/wiki/Wiener_Kreis<br />

254 http://de.wikipedia.org/wiki/Sigmund_Freud<br />

255 http://de.wikipedia.org/wiki/Psychoanalyse<br />

256 vgl. Welz (1996): S. 118ff.<br />

257 http://de.wikibooks.org/wiki/<strong>Soziologische</strong>_<strong>Klassiker</strong>/_Migrationssoziologie/<br />

_Sch%C3%BCtz<br />

258 vgl. Endreß in Kaesler (2006): S.340f.<br />

259 http://de.wikipedia.org/wiki/Habilitation<br />

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