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Simmel, Georg<br />

ideelle Mittel – wie z.B. Beziehungen, Verwandtschaften, bestimmte Umgangsformen und Sitten –<br />

so dass er nur als Händler die Möglichkeit hat, seine und die Existenz seiner Familie zu sichern.<br />

Fremde wirken zwar durch ihre exotische, geheimnisvolle und unbekannte Art anziehend für Liebesbeziehungen,<br />

trotzdem sind sie keine Bodenbesitzer. (vgl. Loycke, 1993, S.11) Die exotische<br />

Erscheinung des Fremden, sein ungewohntes Verhalten, seine unverständliche Sprache und seine<br />

unbekannte Herkunft können es unmöglich machen, ihn mit den Kategorien der eigenen Kultur<br />

als vertraute Person einzuschätzen. Dass vom Unbekannten, das der Fremde repräsentiert, eine<br />

Faszination ausgeht, die ihm gegenüber ein Verhalten bewirken kann, das gleichzeitig Abwehr und<br />

Verlangen auslöst, erkannte auch schon Simmel. Er nannte dieses Phänomen die „psychologische<br />

Antonomie“ und war für ihn die Grundlage jeglicher soziologischer Gestaltung. „Es meldet sich<br />

hier die für alle soziologische Gestaltung unendlich wichtige psychologische Antonomie: dass wir<br />

einerseits durch das uns Gleiche, andererseits durch das Entgegengesetzte angezogen werden.“<br />

(Zitat Simmel, 1908, aus Loycke, 1993, S.104) Jene Ambivalenz, die sich zum einem aus der Furcht<br />

vor dem Fremden und gleichzeitig von der Faszination vor ihm ergibt, zeichnet die Theorie der<br />

Moderne und Simmels moderne Soziologie aus. (vgl. Loycke, 1993, S.106)<br />

Durch seine relative Ungebundenheit und der damit verbundenen Objektivität - sowohl praktisch<br />

als auch theoretisch - ist der Fremde aber ohne Zweifel freier als der Einheimische. Er ist noch<br />

eher in der Lage, Dinge vorurteils- und wertfrei zu sehen und sie an den allgemeineren Idealmaßen<br />

zu messen. Er ist auch bei seinen Handlungen weder an äußere Gegebenheiten noch an frühere<br />

Lebensumstände gebunden. Diese Objektivität des Fremden kann als Distanz gesehen auch eine<br />

soziale Distanz sein. Deshalb zahlt der Fremde einen hohen Preis für seinen nüchternen Blick,<br />

denn er ist stets das beste Angriffsziel für seine umgebende Gesellschaft.(vgl. Loycke, 1993, S.11)<br />

Für Simmel ist der Fremde zwar ein Mitglied in der sozialen Gruppe, und das ungeachtet seiner<br />

„unorganischen Angefügtheit“, er nimmt aber gleichzeitig innerhalb von ihr eine Sonderstellung<br />

ein. Diese Stellung lässt sich nur insoweit beschreiben, als die Einheit von Ferne und Nähe – die<br />

für jede soziale Beziehung wesentlich ist – in der Relation zum Fremden durch eine „gegenseitige<br />

Spannung“ gekennzeichnet ist. (vgl. Merz-Benz, 2002, S.53)<br />

130.5.5. Tragödie der Kultur<br />

Durch Geld verlieren Beziehungen des Menschen immer mehr an Geltung. Sie werden rationalisiert<br />

und versachlicht. Dies geht bis hin zur Entfremdung. Nahm Simmel in seiner Philosophie des<br />

Geldes noch einen deutlich neutraleren Standpunkt zur Entwicklungstendenz der Gesellschaft ein,<br />

änderte sich dies in seinen späteren Veröffentlichungen schlagartig.<br />

Der Prozess der Entfremdung limitiere die objektiven Chancen des Menschen zusehends. Bisherige<br />

Zustände des Zusammenlebens verlieren an Bedeutung. Klassische Leistungen der Geschichte<br />

werden zu Ballast und Bedrückung. Es bleibt dem genialen Künstler (Simmel befasst sich gegen<br />

Ende seines Lebens unter anderem mit Goethe 19 und Rembrandt 20 ) vorbehalten, tatsächlichen<br />

Schöpfergeist und persönliches Dasein zu vermitteln.<br />

19 http://de.wikipedia.org/wiki/Goethe<br />

20 http://de.wikipedia.org/wiki/Rembrandt<br />

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