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Brain Drain<br />

Emigration und Exil<br />

Im März 1938 erfolgte der Einmarsch deutscher Truppen in Österreich und nur wenige Tage später<br />

wurde der Anschluss Österreichs an das Dritte Reich 276 verkündet. Die Machtergreifung der<br />

Nazis in Deutschland und schlussendlich auch in Österreich brachte für Sozialwissenschaftler und<br />

somit auch für Soziologen eher ungünstige Forschungsbedingungen mit sich, insbesondere wenn<br />

diese, so wie Schütz, jüdischer Abstammung waren. Bereits 1933 urteilte Mises über die Lage:<br />

„Wahrscheinlich werde, wenigstens für eine Generation lang, jede intelligente Wirtschaftsforschung<br />

unmöglich werden, und die Nazis würden ihre eigenen ökonomischen Theorien entwickeln, die<br />

auf falschen Prämissen errichtet seien. 277 Diese Einschätzung ist leider sehr realistisch und<br />

zutreffend. Der (sozial-)wissenschaftliche Schaden, den das Dritte Reich in der europäischen<br />

akademischen Landschaft angerichtet hat, kann kaum eingeschätzt werden. Was hier für Europa<br />

als Schaden bezeichnet wird stellt natürlich auf der anderen Seite des Atlantiks einen Gewinn<br />

bzw. eine Bereicherung dar und wie wir in den Bedingungen zur Emigration in die USA 278<br />

ausführlich dargestellt haben, befanden sich dort für Soziologen die eine wissenschaftliche Laufbahn<br />

einschlagen wollten grundsätzlich offenere Strukturen und eine wesentlich besser ausgeprägtes<br />

Selbstverständnis für das Fach an sich. In Zahlen ausgedrückt lässt sich sagen, dass z.B. in Wien<br />

75% der soziologischen Universitätsabsolventen ins Ausland Emigrierten. In Frankfurt gar 81%,<br />

Heidelberg 70% und in Kiel und Freiburg immerhin über 50%. 279 In sehr vielen Fällen hielten sich<br />

die betreffenden Personen ohnehin bereites im Ausland auf (meist im Zuge eines amerikanischen<br />

Stipendienprogramms) und beschlossen dann spontan, auf Grund der veränderten politischen Lage,<br />

(zumindest vorerst) nicht mehr zurückzukehren.<br />

Alfred Schütz hält sich zur Zeit des deutschen Truppeneinmarsches in Österreich geschäftlich<br />

in Frankreich (Paris) auf und wohnt bei Aron Gurwitsch 280 . Dieser rät ihm auf Grund seiner<br />

jüdischen Herkunft, nicht nach Wien zurückzukehren. Schütz folgt diesem Rat und verbringt<br />

die folgenden 16 Monate in Paris. Seiner Frau Ilse und den beiden Kindern gelingt es sehr bald,<br />

Österreich zu verlassen und ebenfalls nach Paris zu kommen. In Paris lernt Schütz einige bedeutende<br />

Phänomenologen dieser Zeit kenn. Zu erwähnen sind Paul Ludwig Landsberg, Jean Wahl 281 ,<br />

Maurice Marleau-Ponty und Raymond Aron 282 . 283 Dieses erste Exil endet kurz vor Ausbruch<br />

des zweiten Weltkrieges und mündet direkt in das zweite, wesentlich länger andauernde Exil der<br />

Familie Schütz. Am 14. Juli 1939 verlässt die Familie Paris und siedelt in die USA, nach New York.<br />

Sowohl der Aufenthalt in Paris als auch die Emigration nach New York waren für Schütz nicht nur<br />

politische Erwägungen. Beiden Reisen war auch eine berufliche Notwendigkeit inhärent, was eine<br />

durchgehende finanzielle Unabhängigkeit ermöglichte und existentielle Engpässe vermied.<br />

276 http://de.wikipedia.org/wiki/Drittes_Reich<br />

277 vgl. Fleck (2007): S. 172.<br />

278 http://de.wikibooks.org/wiki/<strong>Soziologische</strong>_<strong>Klassiker</strong>/_Brain_Drain/_Hintergr%<br />

C3%BCnde_zum_Braindrain_in_der_NS_Zeit<br />

279 Fleck (2007): S. 207.<br />

280 http://de.wikipedia.org/wiki/Aron_Gurwitsch<br />

281 http://de.wikipedia.org/wiki/Jean_Wahl<br />

282 http://de.wikipedia.org/wiki/Raymond_Aron<br />

283 vgl. Endreß (2006): S.16.<br />

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