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Brain Drain<br />

Der wohl interessanteste Aspekt an der Entstehung und Wanderung dieses theoretischen Ansatzes<br />

ist die Verflochtenheit der Lebensumstände der relevanten Akteure mit ihrer Auffassung von den<br />

sozialen Strukturen der Wirklichkeit und wie eine Theorie, die diese zwar manifesten aber veränderlichen<br />

Strukturen beschreibt, ausgerichtet sein müsse. Die wichtigsten Vertreter wie Schütz,<br />

Berger, Luckmann haben alle bereits in ihrer Herkunftsnation, fundamentale Umgestaltungen der<br />

gesellschaftlichen Strukturen durch politische und militärische Umwälzungen erfahren müssen.<br />

Ihre Emigration nach Amerika bestätigt diese Erfahrungen und zeigt den Akteuren erneut auf, wie<br />

das gesellschaftliche Gefüge aus veränderlichen Faktoren der Reziprozität von Perspektiven und<br />

Relevanzen, der Erwartungssicherheit und aus aufgeschichteten Wissens- und Erfahrungssphären in<br />

unterschiedlichen Gegebenheiten von Zeitlichkeit und Räumlichkeit besteht. Das Leben in einer „stabilen“<br />

oder vielleicht „konservativen“ Gesellschaft, in der Institutionen manifest und unabänderlich<br />

sind, in der tradiertes Wissen etabliert und wenig Bewegung im Sinne von strukturellen Veränderungen<br />

(Erneuerungen) gegeben ist, ein derartiges Umfeld würde die Sicht auf eine soziale Konstruktion<br />

der Wiklichkeit hinter der vermeintlichen Stabilität und (Erwartungs-)Sicherheit verbergen.<br />

Das Verhältnis zu anderen soziologischen Theorien ist im Falle der sozialen Konstruktion der Wirklichkeit<br />

ein durchaus verbindendes. Bereits der Briefwechsel zwischen Schütz und Parsons zeigt,<br />

dass Schütz nicht der Auffassung war sich in einem Widerspruch zum Strukturfunktionalismus zu<br />

befinden. Leider haben die beiden Autoren es nicht vollbracht, einen wissenschaftlichen Konsens<br />

zu erarbeiten. Luckmann gelingt es schließlich ein Konzept vorzustellen, das unter Bewahrung<br />

der Weber’schen sinnverstehenden Tradition (ausgehend vom Individuum), den Versuch eines Brückenschlages<br />

unternimmt, von einer Handlungstheorie hin zu einer Gesellschaftstheorie. Es sind<br />

Individuen, die handeln, und Handlungen, welche die Wirklichkeit konstruieren. Ihren objektiven<br />

Charakter erhält die Wirklichkeit erst indem sie von mehreren geteilt wird, also intersubjektiv ist. So<br />

lassen sich neben der individuellen Handlungsmotivation auch Normen bzw. soziale Tatsachen in<br />

das Konzept einbinden. 1965 remigriert Luckmann nach Deutschland und folgt einem Ruf an die<br />

Universität Frankfurt, wo er sich nun Seite an Seite mit der ebenfalls remigrierten Kritischen Theorie<br />

wieder findet. Die Kritische Theorie (Frankfurter Schule) vertritt eine ganz andere Auffassung von<br />

der Aufgabe der Soziologie als Wissenschaft als Luckmann dies tat. Ihr geht es um das „falsche<br />

Bewusstsein“, um den Kampf wahrer gegen falsche Lebensform und so ist es kein Wunder, dass<br />

Luckmann relativ bald seinen Wirkungsort verlagerte.<br />

Die Wirkungsweise der Begriffe ‘Braindrain’ und ‘Braingain’ zeigt sich in im Ansatz zur sozialen<br />

Konstruktion der Wirklichkeit in beinahe mustergültig ausgeprägter Form, ebenso kommt die Zeitverschiebung<br />

im Zugänglich-werden wissenschaftlichen Wissens, durch v.a. sprachliche Barrieren,<br />

bestens zum Ausdruck. Schütz publiziert sein Erstwerk 1932 in deutscher Sprache, erst 1967 wird es<br />

in Englisch aufgelegt. 1971 und 1972 gelangen Schütz’ „collected papers“ auf den deutschsprachigen<br />

Buchmarkt, das heißt, dass im deutschsprachigen Raum erst in den 70er Jahren eine spracheinheitliche<br />

Gesamtschau auf sein Werk möglich war. Der US-Soziologie war dabei ein mehrjähriger<br />

Vorsprung vergönnt. Dennoch sollte man davon Abstand nehmen, von Vorteilen oder Nachteilen für<br />

den einen oder anderen Sprachraum zu sprechen. Gerade im Falle dieser Theorie liegt der Schluss<br />

nahe, dass gerade der Umstand der Emigration das Fundament für den theoretischen Zugang bildet.<br />

Und der Gewinn teilt sich letztlich auf alle Sprachräume und auf die Soziologie "an sich" auf.<br />

2.6. Literaturverzeichnis<br />

• Coser, A. Lewis (1965):<br />

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