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Marcuse, Herbert<br />

Unterdrückung und der damit verbundenen Herrschaftsformen zur Ausprägung einer befreiten<br />

Gesellschaft führen könnte. Dank der freigewordenen zeitlichen Ressourcen und der gesteigerten<br />

Möglichkeiten freier Wahl könnte Arbeit den Charakter des Spiels annehmen. Antizipiert sieht<br />

Marcuse diese Entwicklungsmöglichkeiten in der ästhetischen Aneignung der Wirklichkeit, in der<br />

Kunst. Diese Kunst entspringt der Phantasie, welche die einzige Form des Denkens ist, die sich<br />

von der Herrschaft des Realitätsprinzips freigehalten hat. In der Kunst sieht Marcuse eine Form<br />

menschlicher Arbeit verwirklicht, weitgehend ohne Triebunterdrückung vor sich gehend und ein<br />

hohes Maß an libidinöser Befriedigung bietend, und das ohne destruktiv zu sein. Im Kunstschaffen<br />

und in der Kunstrezeption kommt es zu einer wenigstens zeitweisen Befreiung des Eros. So kann die<br />

ästhetische Erfahrung als Modell einer von repressiven Strukturen befreiten Welterfahrung dienen.<br />

Laut Marcuse könnte das Lustprinzip in einer befreiten Gesellschaft als Realitätsprinzip eingesetzt<br />

werden, und zwar ohne die Kultur zu zerstören.<br />

* Der eindimensionale Mensch<br />

In dem Werk „Der eindimensionale Mensch“, erschienen 1964 in den USA, untersucht Marcuse die<br />

Ideologie der fortgeschrittenen Industriegesellschaft (Untertitel). Er konstatiert ein eindimensionales<br />

und positives bzw. positivistisches Denken, sowohl in der Wissenschaft als auch im öffentlichen<br />

Diskurs. Die Wissenschaft flüchte sich aus Furcht vor Werturteilen oder politischer Einmischung in<br />

quantitatives Denken und in Empirie. Anstatt die Ungleichheit im Kapitalismus und die nukleare<br />

Bedrohung anzugreifen oder zu kritisieren, würden diese Probleme nur verwaltet und somit immer<br />

neu reproduziert.<br />

Hier setzt Marcuse die Negation entgegen: einerseits die Verneinung durch Kritik, andererseits<br />

die Weigerung, das Spiel mitzuspielen und die Suche nach dem qualitativ Anderen. Marcuse war<br />

bezüglich der Änderung der Verhältnisse sehr pessimistisch eingestellt und betonte die stabilisierende,<br />

"affirmative" Kraft des eindimensionalen Denkens.<br />

Auf den letzten Seiten dieses Werks taucht das Schlagwort der Großen Verweigerung als Ausweg<br />

auf. Viele Gruppen der 68er-Bewegung und der alternativen Szenen bezogen sich auf dieses Motiv<br />

und auch auf andere Werke und propagierten weiters ein Aussteigen aus dem kapitalistischem<br />

System. Eine Utopie liegt darin, dass Marcuse eine befreite Gesellschaft vernunfttheoretisch und<br />

triebtheoretisch begründen wollte.<br />

Dieser Ansatz wird 1967 in einem vor Studenten der freien Universität Berlin gehaltenen Vortrag<br />

näher ausgeführt (Am Ende der Utopie). In Gesellschaften mit hochentwickelten Produktivkräften<br />

besteht demnach die Möglichkeit zu einer Umwälzung. Ziel ist es, Armut, Elend und entfremdete<br />

Arbeit abzuschaffen. Anders als Marx beschrieben hatte, kann das Reich der Freiheit im Reich<br />

der Notwendigkeit erscheinen. Für Marcuse ist die Negation der bestehenden Gesellschaft die<br />

Voraussetzung zur Transformation menschlicher Bedürfnisse. Es bedarf einer neuen Moral, einer<br />

Moral jenseits der judäo-christlichen Moral stehenden, die die vitalen Bedürfnisse nach Freude und<br />

nach dem Glück erfüllt und weiters die ästhetisch-erotischen Dimensionen umfasst. Er befürwortet<br />

ein Experiment der Konvergenz von Technik und Kunst sowie von Arbeit und Spiel. Interessant auch,<br />

dass Fourier die Differenz zwischen einer freien und einer unfreien Gesellschaft erstmals deutlich<br />

gemacht hat, indem er eine Gesellschaft in Aussicht stellte, in der selbst gesellschaftlich notwendige<br />

Arbeit im Einklang mit den befreiten, eigenen Bedürfnissen der Menschen organisiert werden kann.<br />

Hier wird von Marcuse der Begriff vom möglichen Ende der Geschichte geprägt.<br />

* Repressive Toleranz<br />

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