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Rezeption und Wirkung<br />

Pathetisch setzt Giddens auf neues politisches Engagement, auf eine Form der „dialogischen Demokratie“<br />

und die „Demokratie des Gefühls“, die sowohl im Alltagshandeln wie in der globalen<br />

Ordnung als Chancen der Moderne gesehen werden.<br />

56.6. Rezeption und Wirkung<br />

Eine erste Bedeutung Giddens liegt sicher darin, zentrale Ideen der soziologischen Theorie, wie<br />

von Karl Marx, Max Weber oder Émile Durkheim, herausgearbeitet und deren Bewährung an<br />

konkreten gesellschaftlichen Zuständen gezeigt zu haben.<br />

Mit seiner Theorie der Strukturierung lieferte Giddens einen wichtigen Ansatz zur Analyse der<br />

Fortführung und Transformation von Strukturen. Die Synthese von Subjektivismus und Objektivismus<br />

(„Dualität der Struktur“) kann zwar nicht als revolutionäres Gedankengut, aber als Neuformulierung<br />

traditioneller Bestrebungen, diese Dualität zu überwinden (s. Theoriegeschichtlicher Kontext),<br />

verbucht werden.<br />

Als Analytiker der Spätmoderne hat Anthony Giddens die soziologische Diskussion über Modernisierung<br />

und Globalisierung nachhaltig beeinflusst und eine überaus populäre Modernisierungsbzw.<br />

Globalisierungstheorie vorgelegt. Erklärtes Ziel ist die kritische Reflexion von Entwicklungstendenzen<br />

wie Bewusstseinsbildung. Konkrete Dynamiken der Modernisierung bzw. konkrete Probleme<br />

der Globalisierung werden jedoch ausgespart, der Grad starker Abstraktheit wird nicht verlassen. Zu<br />

bemerken ist überdies, dass andere Modernisierungstheoretiker, wie Peter Wagner, dessen historischer<br />

Soziologie der Moderne das Giddenssche Denken zugrunde liegt, oder Scott Lash und Ulrich<br />

Beck, die mit Giddens das Theorem der "reflexiven Modernisierung" behandeln, in vielen Punkten<br />

weit skeptischer sind, was die Chancen bewusster kollektiver Zukunftsgestaltung betrifft.<br />

Giddens‘ „dritter Weg“ liefert Perspektiven für den Umbau des Wohlfahrtsstaates, die derzeitige<br />

Situation Tony Blairs mag u.U. teilweisen Aufschluss über den Erfolg dieses Programms geben,<br />

wobei der tatsächliche Einfluss auf die Politik v.a. sozialdemokratischer Regierungen (von der Clinton-<br />

Administration über Deutschland bis nach Neuseeland) durch Giddens natürlich schwer zu ermessen<br />

ist. Zu erwähnen sei an dieser Stelle, dass auch Gerhard Schröder Giddens als wichtigen Ideengeber<br />

für sein am englischen Regierungsvorbild orientierten Projekt der "Neuen Mitte" bezeichnete und<br />

ihn zu Beratungen der SPD über ihr neues Grundsatzprogramm einlud (1999).<br />

Hier zeigt sich die Gefahr für den "öffentlichen Intellektuellen" Giddens (Bryant/Jary 2001, S. 172),<br />

als politische Legitimationsquelle missbraucht zu werden: Seine Rhetorik des "Dritten Weges" wird<br />

gerne übernommen, die Umsetzung verläuft dann aber höchst selektiv. Jörn Lamla schreibt der<br />

Giddensschen Strategie, den politischen Kurs grundsätzlich zu verteidigen (öffentliche Zustimmung<br />

der Politik Blairs und Schröders) und Nachbesserungen für eine zweite Phase des "Dritten Weges"<br />

einfordern, höchst ungewisse Erfolgschancen zu. Zu beobachten ist eine einseitige Verlagerung der<br />

geforderten Schwerpunkte (Demokratisierung, bürgerliche Autonomie, Ausbau transnationaler Regierungsinstitutionen,<br />

Ausstieg aus den Zwängen des Produktivismus, verstärktes Ökologiedenken...)<br />

Richtung arbeitsmarktpolitisch motivierter Flexibilisierung des Sozialstaates mit dem Primärziel der<br />

Entlastung des Staatsbudgets.<br />

Giddens „Utopischer Realismus“ und die Hoffnung auf eine postmoderne Ordnung in Frieden<br />

und Seeligkeit herbeigeführt durch die neuen sozialen Bewegungen kann nicht als wissenschaftlich<br />

tragfähige Analyse bezeichnet werden. Irgendeiner konkreten sozialen Bewegung die Lösung der<br />

globalen Probleme von Gegenwart und Zukunft zuzutrauen, hat mit Realismus wohl kaum mehr<br />

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