27.02.2013 Aufrufe

Soziologische Klassiker - Upload server

Soziologische Klassiker - Upload server

Soziologische Klassiker - Upload server

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

58.5. Rezeption und Wirkung<br />

1. Rezeption von GOFFMAN im deutschsprachigen Raum<br />

Rezeption und Wirkung<br />

Die deutschsprachige GOFFMAN Rezeption erweist sich in weiten Teilen als eine "Steinbruch- Rezeption":<br />

aus dem Werk von GOFFMAN werden einzelne Konzepte herausgelöst - weitgehend ohne<br />

Berücksichtigung der theoretischen Zusammenhänge (z.B.: Jürgen Habermas Weiterentwicklung der<br />

"persönlichen Identität“ und der "sozialen Identität“ von Goffman: HABERMAS referiert nicht,<br />

daß persönliche und soziale Identität für GOFFMAN, wie bereits gezeigt, Bestandteile der Definitionen<br />

anderer Personen über das jeweilige Individuum sind, also vor allem Formen der Identifizierung;<br />

nicht erwähnt wird auch die wichtige Unterscheidung von virtueller und aktueller Identität). Zu dieser<br />

Art von Rezeption hat das Werk von GOFFMAN durch eine Fülle von Konzepten sicherlich selbst<br />

maßgeblich beigetragen. Nicht nur Habermas hat Goffmans soziologische Überlegungen, in Bezug<br />

auf „soziale und persönliche Identität“, in seinen Werken verwendet, sondern auch Lothar KRAPP-<br />

MANN. Neben diesen Identitätskonzepten wurden im deutschsprachigen Raum auch die Konzepte<br />

"Rollendistanz" (z.B. HABERMAS 1972; DREITZEL 1968), "totale Institution" (z.B. LISCH<br />

1976; BENARD/SCHLAFFER 1978) oder auch Konzepte in Verbindung mit der Bühnenanalogie<br />

(z.B. DREITZEL 1968; ZINNECKER 1975; VESTER 1980) stark rezipiert.<br />

Das Bild von GOFFMAN in der deutschsprachigen Soziologie wurde nachhaltig, abgesehen von<br />

Ralf Dahrendorf, von Alvin W. GOULDNER geprägt. GOULDNERs Kritik hatte und hat noch<br />

immer eine fatale Konsequenz: In vielen Köpfen der deutschsprachigen Soziologie entstand ein<br />

fertiggefügtes und resistentes GOFFMAN-Bild. Dieses scheint für viele ein eigenes Studium des<br />

Werkes von GOFFMAN überflüssig gemacht zu haben, und verhinderte in Folge eine theoretische<br />

Diskussion des Werkes, die im englischsprachigen Raum viel unbeschwerter verlief.<br />

Für GOULDNER steht GOFFMAN in der Tradition von George H. MEAD und Kenneth BURKE.<br />

In seiner Darstellung stützt sich GOULDNER vor allem auf "The Presentation of Self in Everyday<br />

Life". Auf dieser Grundlage bezeichnet GOULDNER GOFFMANs Ansatz als dramaturgisches<br />

Modell oder kurz als Dramaturgie. GOULDNER formuliert zwei zentrale Kritikpunkte: (1) die<br />

Arbeiten von GOFFMAN seien ahistorisch und (2) soziale Ungleichheiten und Machtdifferenzen<br />

würden vernachlässigt. Es ist unbestreitbar, dass GOFFMAN die "interaction order" vor allem<br />

für die Gegenwart erforscht hat. Nicht übersehen werden darf, dass GOFFMAN nahezu immer<br />

auch Versuche unternimmt, auch historische Materialien zur Illustration heranzuziehen. So finden<br />

sich unter den wichtigsten Büchern einige historische Darstellungen. Auch Norbert ELIAS (1939)<br />

dient GOFFMAN, um nur ein Beispiel anzuführen, immer als Fundgrube für historische Belege.<br />

Interaktionsprozesse, stärker als bislang, in unterschiedlichen sozialen Milieus zu erforschen, ist im<br />

Sinne von GOFFMAN eine wichtige Aufgabe - eine Aufgabe, der sich die Forschung zuwenden<br />

sollte. Nicht nur diese Hinweise auf seinen eigenen Mittelschichts-Standort zeigen, dass GOFFMAN<br />

durchaus für die Wahrnehmung sozialer Unterschiede sensibel war.<br />

2. Rezeption von GOFFMAN im englischsprachigen Raum<br />

Auch im englischen Sprachraum ist unbestritten die "Steinbruch-Rezeption" die dominante Form der<br />

GOFFMAN-Rezeption. Im Unterschied zum deutschen Sprachraum beschränkt sich diese Rezeption<br />

jedoch nicht auf einige wenige zentrale Konzepte - die Anzahl der Konzepte, die aufgenommen<br />

wurde, ist erheblich größer.<br />

Für eine große Anzahl von Soziologen im englischen Sprachraum scheint GOFFMAN in erster<br />

Linie eine "kuriose Figur", eine "Kultfigur" im ernsten Wissenschaftsbetrieb zu repräsentieren.<br />

435

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!