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Drei Kameraden

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Wir saßen im Garten eines kleinen Wirtshauses vor derStadt. Der feuchte Mond hing wie eine rote Fackel tief überden Wäldern. Die bleichen Blütenkandelaber der Kastanienschimmerten, der Flieder roch betäubend, und vor uns aufdem Tisch das große Glasgefäß mit dem nach Waldmeisterduftenden Wein sah im Ungewissen Licht der frühen Nachtaus wie ein heller Opal, in dem sich bläulich undperlmuttern der letzte Schein des Abends sammelte. Wirhatten es schon zum viertenmal füllen lassen.Ferdinand Grau führte den Vorsitz. Pat saß neben ihm. Sietrug eine blaßrosa Orchidee, die er ihr mitgebracht hatte.Ferdinand fischte eine Mücke aus seinem Wein undstreifte sie vorsichtig auf den Tisch. »Seht euch das an«,sagte er. »Diese Flügel! Dagegen ist jeder Brokat einScheuerlappen! Und so was lebt einen Tag, dann ist esvorbei.« Er schaute uns der Reihe nach an. »Wißt ihr, wasdas unheimlichste auf der Welt ist, Brüder?«»Ein leeres Glas«, erwiderte Lenz.Ferdinand wischte ihn mit einer Handbewegung weg. »Dasentehrendste auf der Welt, Gottfried, ist für einen Mann, einWitzbold zu sein.« Dann wandte er sich uns wieder zu. »Dasunheimlichste, Brüder, ist die Zeit. Die Zeit. DerAugenblick, durch den wir leben und den wir doch niebesitzen.«Er zog seine Uhr aus der Tasche und hielt sie Lenz vor dieAugen. »Das hier, du Papierromantiker! DieHöllenmaschine, die tickt und tickt, dem Nichtsunaufhaltsam entgegentickt! Du kannst eine Lawineaufhalten, einen Bergrutsch – aber das da nicht.«»Will ich auch gar nicht«, erklärte Lenz. »Ich will friedlichaltern. Und außerdem liebe ich die Abwechslung.«-203-

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