12.07.2015 Aufrufe

Drei Kameraden

Drei Kameraden

Drei Kameraden

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN
  • Keine Tags gefunden...

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

ekommen.«Ferdinand Grau war Maler. Dabei wäre er aber längstverhungert, wenn er nicht eine Spezialität gehabt hätte. Ermalte nach Fotografien fabelhaft lebensechte Porträts vonVerstorbenen für pietätvolle Angehörige. Davon lebte er –sogar ganz gut. Seine Landschaften, die ausgezeichnetwaren, kaufte kein Mensch. Das gab seiner Unterhaltungeinen etwas pessimistischen Unterton.»Ein Gastwirt war's diesmal, Robby«, sagte er, »einGastwirt mit einer verstorbenen Erbtante in Essig und Öl.«Er schüttelte sich. »Schauderhaft.«»Hör mal, Ferdinand«, erwiderte Lenz, »du solltest nichtso harte Ausdrücke gebrauchen. Du lebst ja von einer derschönsten menschlichen Eigenschaften: von der Pietät.«»Unsinn«, erklärte Grau, »ich lebe vom Schuldbewußtsein.Pietät ist nichts als Schuldbewußtsein. Man will sichrechtfertigen für das, was man dem lieben Verstorbenen beiLebzeiten alles gewünscht und angetan hat.« Er fuhr sich mitder Hand langsam über den glühenden Schädel. »Was meinstdu, wie oft mein Gastwirt seiner Tante den Tod an den Halsgewünscht hat – dafür läßt er sie jetzt in den feinsten Farbenmalen und hängt sie übers Sofa. So ist sie ihm lieber. Pietät!Der Mensch erinnert sich seiner spärlichen gutenEigenschaften immer erst, wenn es zu spät ist. Dann ist ergerührt darüber, wie edel er hätte sein können, und hält sichfür tugendhaft. Tugend, Güte, Edelmut« – er winkte mitseiner mächtigen Pratze ab –, »die wünscht man sich beiandern, damit man sie hereinlegen kann.«Lenz grinste. »Du rüttelst an den Grundpfeilern dermenschlichen Gesellschaft, Ferdinand!«»Die Grundpfeiler der menschlichen Gesellschaft sind-85-

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!