Beschlußempfehlung und Bericht - bundestag.de - Deutscher ...

Drucksache 12/7600 Deutscher Bundestag —12. Wahlperiode
ten sowie die Tätigkeit der sog. MfS-Firmen, die dem
Bereich Kommerzielle Koordinierung zwar zur ökonomischen
Anleitung unterstellt waren, ansonsten aber
ausschließlich unter Anleitung des MfS standen.
Die Beziehungen des Bereichs Kommerzielle Koordinierung
zur HVA konnten durch den Untersuchungsausschuß
nur unvollständig aufgeklärt werden, da
seine Beweiserhebung durch die Vernichtung des gesamten
Aktenbestandes der HVA erschwert wurde
und der Zeuge Markus Wolf, langjähriger Leiter der
HVA, seine Aussage diesbezüglich verweigerte. Dr.
Schalck-Golodkowski gab zwar zu, punktuell mit der
HVA zusammengearbeitet zu haben, stritt eine nachrichtendienstliche
Nutzung des Bereichs Kommerzielle
Koordinierung aber entschieden ab.
a) Rolle des MfS bei der Gründung des Bereichs
Kommerzielle Koordinierung
Schon bei der Gründung des Bereichs Kommerzielle
Koordinierung 1966, offiziell durch Ministerratsverfügung,
nahm das Ministerium für Staatssicherheit eine
wichtige Rolle ein. Es gehörte maßgeblich zu den Initiatoren
der Gründung. Laut Aussage von Dr.
Schalck-Golodkowski vor der Staatsanwaltschaft bei
dem Kammergericht Berlin vom 11. Juni 1992 wirkten
bei der Formulierung der Ausgangsideen zur Gründung
des Bereichs Kommerzielle Koordinierung neben
dem damaligen ZK-Sekretär für Wirtschaft, Dr.
Günter Mittag, auch hochrangige MfS-Mitarbeiter
mit. Eine wesentliche Rolle spielten dabei der damalige
Leiter des Messestabs des MfS der Leipziger Messen
und spätere stellvertretende Leiter der HVA, Generalmajor
Hans Fruck, der auch die sog. MfS-Firmen
anleitete, und Oberstleutnant Dr. Heinz Volpert, der
zu diesem Zeitpunkt im MfS für die innerdeutschen
Beziehungen und den sog. humanitären Bereich, d.h.
u.a. für sog. Kirchengeschäfte, Häftlingsfreikäufe,
Übersiedlungen und Familienzusammenführungen
zuständig war.
Der Grund für das große Interesse des MfS an der
Gründung des Bereichs Kommerzielle Koordinierung
lag darin, daß man einerseits eine Möglichkeit sah,
den Einfluß des MfS im Außenhandel zu erhöhen,
und daß man andererseits bestimmte wirtschaftliche
Aktivitäten des Ministeriums für Staatssicherheit besser
organisieren und steuern wollte. Innerhalb des
MfS wurde daher die Idee entwickelt, diejenigen Unternehmen
des MfS, bei denen es sich um Außenhandelsbetriebe
handelte, etwa die Unternehmen F.C.
Gerlach Export-Import, Günther Forgber Industrievertretung
und Simon Industrievertretungen GmbH,
einer in Wirtschaftsfragen zuständigen Dienststelle
zuzuordnen und diesem Organ zusätzlich die Koordinierung
der finanziellen Beziehungen des Staates mit
den Kirchen zu übertragen, an denen das MfS ebenfalls
ein besonderes Interesse hatte.
Zur Gewährleistung der Interessen des MfS wurde
von Anfang an eine gezielte Personalpolitik betrieben.
Als erster Leiter des Bereichs Kommerzielle Koordinierung
wurde, nach Aussage Dr. Schalck-Golodkowskis
der ehemalige Abteilungsleiter der HA XVIII des MfS,
Horst Roigk, eingesetzt. Erst zu Beginn des Jahres
1967 wurde Roigk durch Dr. Schalck-Golodkowski ab-
gelöst. Roigk war dann vorübergehend als Stellvertreter
Dr. Schalck-Golodkowskis tätig. Da insbesondere
der Tätigkeitsbereich Volperts ein zentrales Aufgabengebiet
des Bereichs Kommerzielle Koordinierung
darstellte, wurde zur Abwicklung der sog. Kirchengeschäfte
durch den Bereich Kommerzielle Koordinierung,
noch bevor Dr. Schalck-Golodkowski die Leitung
des Bereichs übernahm, ein weiterer ehemaliger
Mitarbeiter der HA XVIII, der damalige stellvertretende
Leiter der HA XVIII/7 (Sicherung des Außenhandels)
des MfS, Manfred Seidel, als Offizier im besonderen
Einsatz (OibE) in den Bereich Kommerzielle Koordinierung
abgeordnet. Manfred Seidel wurde als
Leiter der HA I eingesetzt, die neben der Abwicklung
der sog. Kirchengeschäfte für weitere äußerst sensible
Bereiche wie z.B. für die Anleitung der sog. Mf S-Firmen
zuständig war. Volpert selbst wurde Verbindungsoffizier
des MfS zum Bereich Kommerzielle Koordinierung,
was bedeutete, daß mit ihm alle inhaltlichen
Fragen, die die Zusammenarbeit mit dem MfS
betrafen, zu erörtern waren. Laut Aussage des ehemaligen
stellvertretenden Generaldirektors des AHB
Elektrotechnik Export-Import, Helmuth Ottokar Weise,
handelte es sich auch bei Wolfgang Lorenz und
Willi Lindner, die ebenfalls zum Gründungspersonal
des Bereichs Kommerzielle Koordinierung gehörten,
um ehemalige Hauptamtliche Mitarbeiter des MfS
(Dokument-Nr. 37). Im Laufe der Zeit wurden eine
Reihe weiterer leitender Mitarbeiter des MfS zum Bereich
Kommerzielle Koordinierung abgeordnet.
Der Einsatz Dr. Schalck-Golodkowskis als Leiter des
Bereichs Kommerzielle Koordinierung war ebenfalls
nicht allein auf dessen enge Verbindung zu dem damaligen
ZK-Sekretär für Wirtschaft, Dr. Mittag, sondern
vor allem auf die Einflußnahme des MfS zurückzuführen.
Dr. Schalck-Golodkowski hatte sich bereits
jahrelang als offizielle Kontaktperson des MfS bewährt
und pflegte seit Beginn der 60er Jahre enge
freundschaftliche Kontakte zu Fruck und Volpert. Gemäß
einer Beurteilung durch Volpert vom 8. September
1966 hatte er alle ihm übertragenen Aufgaben des
MfS stets „sehr zuverlässig und pünktlich" erfüllt,
war durch „seine Hilfe und Unterstützung ... von unschätzbarem
Wert" für die HVA gewesen und hatte
sich vor allem dafür eingesetzt, „bestimmte Probleme
im MAI [Ministerium für Außenhandel und Innerdeutschen
Handel] im Interesse des MfS durchzusetzen"
. Durch seinen Einsatz als Leiter des Bereichs
Kommerzielle Koordinierung erhoffte sich das MfS
die weitere Lösung einer „Vielzahl wichtiger operativer
Maßnahmen" . (Dokument-Nr. 38)
Dr. Schalck-Golodkowski wurde bei den Vorbereitungen
für die Gründung des Bereichs Kommerzielle Koordinierung
durch das MfS selbst intensiv miteinbezogen.
Helmuth Ottokar Weise, der 1973 in die Bundesrepublik
Deutschland geflüchtet war, gab in einer
Vernehmung vor dem Generalbundesanwalt bei dem
Bundesgerichtshof vom 24. September 1991 sogar an,
Dr. Schalck-Golodkowski sei durch das MfS konkret
mit der Gründung des Bereichs Kommerzielle Koordinierung
beauftragt worden. Oberst Helmut Berger, im
MfS für den Außenhandel zuständig, habe damals sowohl
ihm als auch Dr. Schalck-Golodkowski den Auftrag
erteilt, „einen Gedankenentwurf anzufertigen,
wie man am offiziellen Außenhandel vorbei Devisen-