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Drucksache 12/7600 Deutscher Bundestag —12. Wahlperiode
Schließlich ging die Staatsanwaltschaft dem Verdacht
nach, der Beschuldigte Schwettmann habe sein Einfamilienhaus
mit zugehörigem Grundstück nicht aus eigenen
Mitteln, sondern mit Geldern, die dem Bereich
Kommerzielle Koordinierung zustanden, bezahlt.
Das Verfahren wurde inzwischen nach § 170 Absatz 2
StPO eingestellt. Die Ermittlungen ergaben nach Einschätzung
der Staatsanwaltschaft bei keinem der zu
untersuchenden Sachverhalte den für eine Anklage
erforderlichen hinreichenden Tatverdacht einer Untreue
zum Nachteil „sozialistischen" Eigentums.
Gegen Waltraud Lisowski sind bei der Staatsanwaltschaft
beim Landgericht Berlin weitere Ermittlungsverfahren
anhängig. Diesen Verfahren liegt nach
Auskunft der Staatsanwaltschaft der generelle Vorwurf
zugrunde, sie habe als Verantwortliche der Effect
Vermögensverwaltungsgesellschaft mbH im Rahmen
der Liquidation des Bereichs Kommerzielle Koordinierung
Unternehmen unter Wert an ehemalige
Mitarbeiter des Bereichs bzw. an DKP-Mitarbeiter
verkauft und damit ihre Stellung mißbraucht (z.B.
Verkauf der Inte rna Gesellschaft für technischen Handel
und Marktberatung mbH an deren früheren Geschäftsführer
Detlef von der Stück).
Diese Verfahren laufen noch. Ihr Ausgang ist offen.
3. Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft
Magdeburg
Die Staatsanwaltschaft Magdeburg ermittelt in verschiedenen
Verfahren wegen Rechtsbeugung, Freiheitsberaubung
u.a. in Zusammenhang mit Häftlingsfreikäufen.
Dabei wird geprüft, ob in der DDR Staatsanwälte
und Richter Verurteilungen zum Zwecke der
Devisenbeschaffung herbeigeführt haben. Ein Bezug
zum Bereich Kommerzielle Koordinierung besteht
hier insoweit, als auf dem Wege des Häftlingsfreikaufs
Devisen in dessen Kassen geflossen sind. Die
Ermittlungen haben - wie Oberstaatsanwalt Dr. Wolfram
Klein von der Staatsanwaltschaft Magdeburg
dem Untersuchungsausschuß berichtet hat - ergeben,
daß in den 80er Jahren im Bezirk Magdeburg fast
sämtliche wegen politischer Straftatbestände Verurteilten
nach Teilverbüßung ihrer Freiheitsstrafe entlassen
wurden. In ca. 400 Fällen waren bei geringfügigen
Vergehen Verurteilungen erfolgt. Die Verurteilten
wurden dann später dem Freikauf zugeführt (92.
Sitzung, Protokoll S. 3/4).
Für eine Verurteilung wäre es erforderlich, einen Zusammenhang
zwischen den Verurteilungen und den
späteren Freikäufen herstellen zu können, derart, daß
die Verurteilungen der Höhe nach so ergangen sind,
wie es für einen Freikauf zur Erlangung von Devisen
nötig war.
Dabei besteht für die Staatsanwaltschaft - wie Oberstaatsanwalt
Dr. Wolfram Klein dem Untersuchungsausschuß
erläutert hat - rechtlich das Problem, das
Verhalten der Staatsanwälte und Richter als Rechtsbeugung
einzuordnen (92. Sitzung, Protokoll S. 22).
Das hängt davon ab, ob man ihnen eine eigene Entscheidungsverantwortlichkeit
zuerkennen kann, oder
ob man sie als ausführende Organe einer einheitlichen
Staatsmacht ansehen muß.
Die Staatsanwaltschaft Magdeburg hat Anklage erhoben
gegen den früheren Direktor des Kreisgerichts
Magdeburg, Siegfried Klose, sowie gegen den ehemaligen
Staatsanwalt, Frank Groß, wegen Rechtsbeugung
und Freiheitsberaubung in mindestens neun
Fällen. Der Prozeß läuft seit Juni 1993.
Ein Zeuge bestätigte dort mittlerweile den Verdacht
der Anklage, wonach DDR-Regimekritiker wegen eines
zu erwartenden Freikaufs durch die Bundesrepublik
Deutschland zu hohen Haftstrafen verurteilt wurden.
Der Zeuge sagte aus, es habe eine entsprechende
Weisung des Obersten Gerichts der DDR gegeben,
Ausreisewillige nicht unter zwölf Monaten zu verurteilen,
weil sie ohnehin später freigekauft würden.
Am 15. Februar 1994 verurteilte die 3. Große Strafkammer
des Landgerichts Magdeburg die Angeklagten
Klose und Groß wegen Rechtsbeugung und Freiheitsberaubung
zu Haftstrafen von einem Jahr und
neun Monaten bzw. einem Jahr und sechs Monaten.
Die Haftstrafen wurden zur Bewährung ausgesetzt.
Die Angeklagten müssen außerdem je 1.000 DM an
den Bund der Stalinistisch Verfolgten zahlen.
Die Kammer folgte jedoch nicht den Darlegungen der
Staatsanwaltschaft, wonach die hohen Urteile dazu
gedient hätten, die Ausreisewilligen für den Freikauf
der Häftlinge zu prädestinieren. Allerdings ging sie
davon aus, daß die Angeklagten bei ihrer Tätigkeit
nicht die auch von staatlicher Seite der DDR geforderte
Differenzierung beachteten, sondern die Ausreisewilligen
stets gleichermaßen „mit unnachsichtiger
Härte verfolgt und verurteilt" hätten. Damit sei
diesen „erkennbar Unrecht zugefügt" worden. Die
Staatsanwaltschaft hat gegen das Urteil Revision eingelegt.
Nach Auskunft von Oberstaatsanwalt Dr. Klein ermittelt
die Staatsanwaltschaft Magdeburg in weiteren
Fällen.
Auch in anderen Bezirken der DDR ermitteln nach
Auskunft von Oberstaatsanwalt Dr. Klein die zuständigen
Staatsanwaltschaften in vergleichbaren Fällen
(92. Sitzung, Protokoll S. 14).
4. Ermittlungsverfahren des Generalbundesanwalts
Auch der Generalbundesanwalt (GBA) betreibt zahlreiche
Verfahren mit Bezug zum Bereich Kommerzielle
Koordinierung. Es geht hier vornehmlich um
den nachrichtendienstlichen Aspekt der Tätigkeit von
Personen des Bereichs Kommerzielle Koordinierung
sowie von Personen, die - auch auf westlicher Seite -
mit dem Bereich zusammengearbeitet haben.
Ein Ermittlungsschwerpunkt sind dabei nach informatorischer
Auskunft von Oberstaatsanwalt Hertwig
Dünsing vor dem Untersuchungsausschuß die Kontakte
des Bereichs Kommerzielle Koordinierung zum
Ministerium für Staatssicherheit (MfS) der ehemaligen
DDR, insbesondere die Zusammenarbeit mit der
Hauptverwaltung Aufklärung (HVA) bei der Durchbrechung
des westlichen Embargos sowie die Zusammenarbeit
mit anderen Diensteinheiten des MfS, etwa
der Hauptabteilung III (HA III)/Operativ Techni-